die Entstehung organisirter Körper zu vermehren, bietet sich mir diese doch bey der Vergleichung der Beobach- tungen von selbst so natürlich dar, wie sich jemals eine andere ihrem Erfinder dargeboten hat. Jch habe es also der Mühe werth gehalten, sie etwas näher zu be- leuchten, und von mehrern Seiten zu betrachten. Nach meinem lebhaften Gefühl von der Schwäche menschli- cher Kräfte, wenn es darauf ankommt, die Natur zu entziffern, auch nur so weit, daß uns ihre gröbsten Buchstaben, nur ihre allgemeinen Aufschriften leserlich werden, bin ich darauf gefaßt zu erfahren, daß Män- ner von ausgebreiteter Einsicht entdecken, es sey auch diese Jdee so einseitig und unvollständig wie alle übri- gen, wenn nicht ganz ein Jrrthum.
Daß es irgends eine neue Form in einem organisirten Körper, die selbst Organisation enthält, geben sollte, welche auf eine andre Art, als durch die Entwickelung vorhergehender und in neue Verbindungen gebrachter Formen entstanden sey, ist nach dem, was in dem letz- tern Absatz davon gesagt worden, unwahrscheinlich. Jch wiederhole zum Theil die letzten Gedanken. Es entste- het etwas in den organisirten Körpern durch die bloße Ausführung gewisser Säfte aus gewissen Gefäßen, in- dem solche Säfte sich ansetzen und verdicken. Aber was durch diese bloße Apposition erzeuget wird, kann schwer- lich für sich etwas Organisirtes seyn. Denn es ist ja nicht jeder Theil eines organifirten Körpers selbst etwas Organisirtes. Die Erfahrung zeiget, so viel ich weiß, kein einziges Beyspiel vor, das dagegen wäre. So fern selbst in den Auswüchsen organisirter Körper eine Orga- nisation vorhanden ist, wie bey den Nägeln, und bey den Schalen, Hörnern und so weiter vorkommen mag, in so fern findet sich auch, daß sie aus einer Ent- wickelung vorhandener Theile entstehen. Bis dahin geht das Wahre in der bonnetischen Hypothese. Da-
gegen
XIV. Verſ. Ueber die Perfektibilitaͤt
die Entſtehung organiſirter Koͤrper zu vermehren, bietet ſich mir dieſe doch bey der Vergleichung der Beobach- tungen von ſelbſt ſo natuͤrlich dar, wie ſich jemals eine andere ihrem Erfinder dargeboten hat. Jch habe es alſo der Muͤhe werth gehalten, ſie etwas naͤher zu be- leuchten, und von mehrern Seiten zu betrachten. Nach meinem lebhaften Gefuͤhl von der Schwaͤche menſchli- cher Kraͤfte, wenn es darauf ankommt, die Natur zu entziffern, auch nur ſo weit, daß uns ihre groͤbſten Buchſtaben, nur ihre allgemeinen Aufſchriften leſerlich werden, bin ich darauf gefaßt zu erfahren, daß Maͤn- ner von ausgebreiteter Einſicht entdecken, es ſey auch dieſe Jdee ſo einſeitig und unvollſtaͤndig wie alle uͤbri- gen, wenn nicht ganz ein Jrrthum.
Daß es irgends eine neue Form in einem organiſirten Koͤrper, die ſelbſt Organiſation enthaͤlt, geben ſollte, welche auf eine andre Art, als durch die Entwickelung vorhergehender und in neue Verbindungen gebrachter Formen entſtanden ſey, iſt nach dem, was in dem letz- tern Abſatz davon geſagt worden, unwahrſcheinlich. Jch wiederhole zum Theil die letzten Gedanken. Es entſte- het etwas in den organiſirten Koͤrpern durch die bloße Ausfuͤhrung gewiſſer Saͤfte aus gewiſſen Gefaͤßen, in- dem ſolche Saͤfte ſich anſetzen und verdicken. Aber was durch dieſe bloße Appoſition erzeuget wird, kann ſchwer- lich fuͤr ſich etwas Organiſirtes ſeyn. Denn es iſt ja nicht jeder Theil eines organifirten Koͤrpers ſelbſt etwas Organiſirtes. Die Erfahrung zeiget, ſo viel ich weiß, kein einziges Beyſpiel vor, das dagegen waͤre. So fern ſelbſt in den Auswuͤchſen organiſirter Koͤrper eine Orga- niſation vorhanden iſt, wie bey den Naͤgeln, und bey den Schalen, Hoͤrnern und ſo weiter vorkommen mag, in ſo fern findet ſich auch, daß ſie aus einer Ent- wickelung vorhandener Theile entſtehen. Bis dahin geht das Wahre in der bonnetiſchen Hypotheſe. Da-
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XIV. Verſ. Ueber die Perfektibilitaͤt
die Entſtehung organiſirter Koͤrper zu vermehren, bietet
ſich mir dieſe doch bey der Vergleichung der Beobach-
tungen von ſelbſt ſo natuͤrlich dar, wie ſich jemals eine
andere ihrem Erfinder dargeboten hat. Jch habe es
alſo der Muͤhe werth gehalten, ſie etwas naͤher zu be-
leuchten, und von mehrern Seiten zu betrachten. Nach
meinem lebhaften Gefuͤhl von der Schwaͤche menſchli-
cher Kraͤfte, wenn es darauf ankommt, die Natur zu
entziffern, auch nur ſo weit, daß uns ihre groͤbſten
Buchſtaben, nur ihre allgemeinen Aufſchriften leſerlich
werden, bin ich darauf gefaßt zu erfahren, daß Maͤn-
ner von ausgebreiteter Einſicht entdecken, es ſey auch
dieſe Jdee ſo einſeitig und unvollſtaͤndig wie alle uͤbri-
gen, wenn nicht ganz ein Jrrthum.
Daß es irgends eine neue Form in einem organiſirten
Koͤrper, die ſelbſt Organiſation enthaͤlt, geben ſollte,
welche auf eine andre Art, als durch die Entwickelung
vorhergehender und in neue Verbindungen gebrachter
Formen entſtanden ſey, iſt nach dem, was in dem letz-
tern Abſatz davon geſagt worden, unwahrſcheinlich. Jch
wiederhole zum Theil die letzten Gedanken. Es entſte-
het etwas in den organiſirten Koͤrpern durch die bloße
Ausfuͤhrung gewiſſer Saͤfte aus gewiſſen Gefaͤßen, in-
dem ſolche Saͤfte ſich anſetzen und verdicken. Aber was
durch dieſe bloße Appoſition erzeuget wird, kann ſchwer-
lich fuͤr ſich etwas Organiſirtes ſeyn. Denn es iſt ja
nicht jeder Theil eines organifirten Koͤrpers ſelbſt etwas
Organiſirtes. Die Erfahrung zeiget, ſo viel ich weiß,
kein einziges Beyſpiel vor, das dagegen waͤre. So fern
ſelbſt in den Auswuͤchſen organiſirter Koͤrper eine Orga-
niſation vorhanden iſt, wie bey den Naͤgeln, und bey
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 514. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/544>, abgerufen am 22.11.2024.
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