laufen. Der Keim, der sich entwickelt, ist die Stelle wo sie ausgehen; und die Punkte am Eyerstock sind vielleicht die Stellen, wohin sie wieder zusammenlaufen. Jn diesen Zeugungstheilen ist gleichsam der Mittelpunkt der ganzen Organisation. Sie selbst, als die Werkzeu- ge, welche zunächst zu diesem Mittelpunkte hinführen, sind ohnedieß mit so bewundernswürdiger Kunst einge- richtet, daß man sie nach Hrn. Bonnets Ausdruck als Urbilder*) der vornehmsten Eingeweide des Thiers ansehen kann. Wenn das ist, so wird die obige Vor- stellung von dem Keim, als von einem Brennpunkte der Organisation, bestätiget.
4.
Nach der bonnetischen Evolutionshypothese ent- hält der Keim alle wesentlichen Theile des ganzen Kör- pers. Dieß heißt in der That eben so viel, als alle Formen, die in demselben vorkommen, nur |die Materie nicht. Es erlaubet zwar dieser Begriff, daß die Figu- ren, die bey der Ausbildung entstehen, bey den Bastar- ten und Mißgeburten von der Nahrung und von äußern Umständen bestimmet werden, zum Theil wenigstens; aber diese neuen Abänderungen der Organisation haben allein ihren Ursprung in den verschiedenen Verhältnissen, in welchen die ursprünglichen Formen im Keime sich ausdehnen. Damit muß doch so viel auch eingeräumet werden, daß der Keim in Hinsicht einiger Gestalten des organisirten Körpers, welche abgeändert werden können, sich nicht völlig so verhalte, als in Hinsicht anderer, die nur auf Eine Art vorhanden seyn, und ohne Zerstörung des ganzen Keims keine Veränderung leiden können.
Solche Verschiedenheiten unter den Bildungen be- sonderer Theile, davon einige durch den Keim völlig
und
*) Art. 90.
XIV. Verſ. Ueber die Perfektibilitaͤt
laufen. Der Keim, der ſich entwickelt, iſt die Stelle wo ſie ausgehen; und die Punkte am Eyerſtock ſind vielleicht die Stellen, wohin ſie wieder zuſammenlaufen. Jn dieſen Zeugungstheilen iſt gleichſam der Mittelpunkt der ganzen Organiſation. Sie ſelbſt, als die Werkzeu- ge, welche zunaͤchſt zu dieſem Mittelpunkte hinfuͤhren, ſind ohnedieß mit ſo bewundernswuͤrdiger Kunſt einge- richtet, daß man ſie nach Hrn. Bonnets Ausdruck als Urbilder*) der vornehmſten Eingeweide des Thiers anſehen kann. Wenn das iſt, ſo wird die obige Vor- ſtellung von dem Keim, als von einem Brennpunkte der Organiſation, beſtaͤtiget.
4.
Nach der bonnetiſchen Evolutionshypotheſe ent- haͤlt der Keim alle weſentlichen Theile des ganzen Koͤr- pers. Dieß heißt in der That eben ſo viel, als alle Formen, die in demſelben vorkommen, nur |die Materie nicht. Es erlaubet zwar dieſer Begriff, daß die Figu- ren, die bey der Ausbildung entſtehen, bey den Baſtar- ten und Mißgeburten von der Nahrung und von aͤußern Umſtaͤnden beſtimmet werden, zum Theil wenigſtens; aber dieſe neuen Abaͤnderungen der Organiſation haben allein ihren Urſprung in den verſchiedenen Verhaͤltniſſen, in welchen die urſpruͤnglichen Formen im Keime ſich ausdehnen. Damit muß doch ſo viel auch eingeraͤumet werden, daß der Keim in Hinſicht einiger Geſtalten des organiſirten Koͤrpers, welche abgeaͤndert werden koͤnnen, ſich nicht voͤllig ſo verhalte, als in Hinſicht anderer, die nur auf Eine Art vorhanden ſeyn, und ohne Zerſtoͤrung des ganzen Keims keine Veraͤnderung leiden koͤnnen.
Solche Verſchiedenheiten unter den Bildungen be- ſonderer Theile, davon einige durch den Keim voͤllig
und
*) Art. 90.
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XIV. Verſ. Ueber die Perfektibilitaͤt
laufen. Der Keim, der ſich entwickelt, iſt die Stelle
wo ſie ausgehen; und die Punkte am Eyerſtock ſind
vielleicht die Stellen, wohin ſie wieder zuſammenlaufen.
Jn dieſen Zeugungstheilen iſt gleichſam der Mittelpunkt
der ganzen Organiſation. Sie ſelbſt, als die Werkzeu-
ge, welche zunaͤchſt zu dieſem Mittelpunkte hinfuͤhren,
ſind ohnedieß mit ſo bewundernswuͤrdiger Kunſt einge-
richtet, daß man ſie nach Hrn. Bonnets Ausdruck als
Urbilder *) der vornehmſten Eingeweide des Thiers
anſehen kann. Wenn das iſt, ſo wird die obige Vor-
ſtellung von dem Keim, als von einem Brennpunkte der
Organiſation, beſtaͤtiget.
4.
Nach der bonnetiſchen Evolutionshypotheſe ent-
haͤlt der Keim alle weſentlichen Theile des ganzen Koͤr-
pers. Dieß heißt in der That eben ſo viel, als alle
Formen, die in demſelben vorkommen, nur |die Materie
nicht. Es erlaubet zwar dieſer Begriff, daß die Figu-
ren, die bey der Ausbildung entſtehen, bey den Baſtar-
ten und Mißgeburten von der Nahrung und von aͤußern
Umſtaͤnden beſtimmet werden, zum Theil wenigſtens;
aber dieſe neuen Abaͤnderungen der Organiſation haben
allein ihren Urſprung in den verſchiedenen Verhaͤltniſſen,
in welchen die urſpruͤnglichen Formen im Keime ſich
ausdehnen. Damit muß doch ſo viel auch eingeraͤumet
werden, daß der Keim in Hinſicht einiger Geſtalten des
organiſirten Koͤrpers, welche abgeaͤndert werden koͤnnen,
ſich nicht voͤllig ſo verhalte, als in Hinſicht anderer, die
nur auf Eine Art vorhanden ſeyn, und ohne Zerſtoͤrung
des ganzen Keims keine Veraͤnderung leiden koͤnnen.
Solche Verſchiedenheiten unter den Bildungen be-
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und
*) Art. 90.
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 520. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/550>, abgerufen am 22.11.2024.
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