und einförmig bestimmt sind, andere weniger, in Hin- sicht deren der Keim bloß ein Vermögen besitzet sie an- zunehmen, finden ebenfalls statt, wenn die Epigenesis durch die Entwickelung zum Grunde geleget wird; und in dieser letztern Hypothese in derselbigen Maße, nicht mehr oder weniger als in der ersten; nur mit dem Unterschiede, daß bey der letztern die Abänderungen der- gestalt als neue hinzugekommene Formen angesehen wer- den, da sie in dem Evolutionssystem nur Abänderungen der Verhältnisse sind, worinn die ursprünglichen For- men sich entwickeln. Diejenigen Formen, welche durch die Organisation des Keims völlig und auf dieselbige Art bestimmt sind, machen die wesentlichen und un- veränderlichen Formen der Organisation aus; die übrigen sind zufällige, außerwesentliche, verän- derliche.
Diese Unterscheidung, und ihre genauere Bestim- mung, verbreitet so viel Licht über unsern Begriff von der Generation, daß man in jeder Hypothese, die man annimmt, dabey nothwendig verweilen und sie so deut- lich als möglich auseinandersetzen muß. Der Keim ist als ein wirkliches Ding in aller Hinsicht bestimmt, und in so ferne gegen keine einzige von den Modifikatio- nen völlig gleichgültig und unbestimmt, die in dem nächstfolgenden Augenblick der Entwickelung durch seine innere Struktur, und durch den Einfluß der Nahrung und der übrigen äußern Umstände, in ihm hervorge- bracht werden. Jedwede noch so zufällige Veränderung hat mehr oder minder Beziehung auf seine dermalige Einrichtung; ist ihr mehr oder minder gemäß, oder mit andern Worten: die bildenden äußern Ursachen, welche dazu beywirken, ändern die schon vorhandene Richtung der innern Lebens-und Entwickelungskräfte, und die dadurch bestimmte Lage der Theile, mehr oder weniger. Woraus folget, daß, so indifferent auch die hinzukom-
mende
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und Entwickelung des Menſchen.
und einfoͤrmig beſtimmt ſind, andere weniger, in Hin- ſicht deren der Keim bloß ein Vermoͤgen beſitzet ſie an- zunehmen, finden ebenfalls ſtatt, wenn die Epigeneſis durch die Entwickelung zum Grunde geleget wird; und in dieſer letztern Hypotheſe in derſelbigen Maße, nicht mehr oder weniger als in der erſten; nur mit dem Unterſchiede, daß bey der letztern die Abaͤnderungen der- geſtalt als neue hinzugekommene Formen angeſehen wer- den, da ſie in dem Evolutionsſyſtem nur Abaͤnderungen der Verhaͤltniſſe ſind, worinn die urſpruͤnglichen For- men ſich entwickeln. Diejenigen Formen, welche durch die Organiſation des Keims voͤllig und auf dieſelbige Art beſtimmt ſind, machen die weſentlichen und un- veraͤnderlichen Formen der Organiſation aus; die uͤbrigen ſind zufaͤllige, außerweſentliche, veraͤn- derliche.
Dieſe Unterſcheidung, und ihre genauere Beſtim- mung, verbreitet ſo viel Licht uͤber unſern Begriff von der Generation, daß man in jeder Hypotheſe, die man annimmt, dabey nothwendig verweilen und ſie ſo deut- lich als moͤglich auseinanderſetzen muß. Der Keim iſt als ein wirkliches Ding in aller Hinſicht beſtimmt, und in ſo ferne gegen keine einzige von den Modifikatio- nen voͤllig gleichguͤltig und unbeſtimmt, die in dem naͤchſtfolgenden Augenblick der Entwickelung durch ſeine innere Struktur, und durch den Einfluß der Nahrung und der uͤbrigen aͤußern Umſtaͤnde, in ihm hervorge- bracht werden. Jedwede noch ſo zufaͤllige Veraͤnderung hat mehr oder minder Beziehung auf ſeine dermalige Einrichtung; iſt ihr mehr oder minder gemaͤß, oder mit andern Worten: die bildenden aͤußern Urſachen, welche dazu beywirken, aͤndern die ſchon vorhandene Richtung der innern Lebens-und Entwickelungskraͤfte, und die dadurch beſtimmte Lage der Theile, mehr oder weniger. Woraus folget, daß, ſo indifferent auch die hinzukom-
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und Entwickelung des Menſchen.
und einfoͤrmig beſtimmt ſind, andere weniger, in Hin-
ſicht deren der Keim bloß ein Vermoͤgen beſitzet ſie an-
zunehmen, finden ebenfalls ſtatt, wenn die Epigeneſis
durch die Entwickelung zum Grunde geleget wird; und
in dieſer letztern Hypotheſe in derſelbigen Maße, nicht
mehr oder weniger als in der erſten; nur mit dem
Unterſchiede, daß bey der letztern die Abaͤnderungen der-
geſtalt als neue hinzugekommene Formen angeſehen wer-
den, da ſie in dem Evolutionsſyſtem nur Abaͤnderungen
der Verhaͤltniſſe ſind, worinn die urſpruͤnglichen For-
men ſich entwickeln. Diejenigen Formen, welche durch
die Organiſation des Keims voͤllig und auf dieſelbige
Art beſtimmt ſind, machen die weſentlichen und un-
veraͤnderlichen Formen der Organiſation aus; die
uͤbrigen ſind zufaͤllige, außerweſentliche, veraͤn-
derliche.
Dieſe Unterſcheidung, und ihre genauere Beſtim-
mung, verbreitet ſo viel Licht uͤber unſern Begriff von
der Generation, daß man in jeder Hypotheſe, die man
annimmt, dabey nothwendig verweilen und ſie ſo deut-
lich als moͤglich auseinanderſetzen muß. Der Keim iſt
als ein wirkliches Ding in aller Hinſicht beſtimmt,
und in ſo ferne gegen keine einzige von den Modifikatio-
nen voͤllig gleichguͤltig und unbeſtimmt, die in dem
naͤchſtfolgenden Augenblick der Entwickelung durch ſeine
innere Struktur, und durch den Einfluß der Nahrung
und der uͤbrigen aͤußern Umſtaͤnde, in ihm hervorge-
bracht werden. Jedwede noch ſo zufaͤllige Veraͤnderung
hat mehr oder minder Beziehung auf ſeine dermalige
Einrichtung; iſt ihr mehr oder minder gemaͤß, oder mit
andern Worten: die bildenden aͤußern Urſachen, welche
dazu beywirken, aͤndern die ſchon vorhandene Richtung
der innern Lebens-und Entwickelungskraͤfte, und die
dadurch beſtimmte Lage der Theile, mehr oder weniger.
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 521. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/551>, abgerufen am 22.11.2024.
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