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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777.

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und Entwickelung des Menschen.
hinzukommt und die vorhandenen Fibern sich entwi-
ckeln, dann aus einander gehen, oder zusammenschlagen
und neue Formen machen, solches auch in der Richtung
und in der Maße geschehen müsse, als es wirklich ge-
schieht. Wenn nun die wesentlichen Fibern im Keim,
bey dem Auswachsen, sich in verschiedene Richtungen
ausdehnen, von einander abgehen und dem Umfang
des Körpers mancherley Gestalten geben: so haben sie
dennoch eine Tendenz mit ihren Enden wiederum an
den Stellen, wo die neuen Keime und Saamen zu-
bereitet werden, als zu so vielen Sammlungspunkten
zusammenzugehen, und durch ihre Vereinigung neue
Keime und Saamen daselbst anzulegen. Diese Ten-
denz ist zum Theil schon in der ursprünglichen Bezie-
hung gegründet, welche die ersten Anfänge der Fibern
in dem Keim gegeneinander haben; theils wird sie durch
andere zwischen ihnen liegende Materien und Partikeln,
wodurch jene verbunden sind, bestimmet. Jn so weit
giebt es eine gewisse ursprüngliche Form, welche der
Grund von derjenigen ist, die durch sie bestimmt wird.

Aber kann diese Grundeinrichtung in dem Keim,
vermöge deren seine sich entwickelnden Theile wiederum
in einem ähnlichen Keime zusammengehen, ein Keim
zu dem neuen Keim
heißen? eine besondere Anlage,
woraus bloß durch die Entwickelung wiederum ein neuer
Keim wird? Dieß letztere ist ein Zusatz des Witzes
und der Einbildungskraft, wodurch die Evolutionshypo-
these ihr Unterscheidungsmerkmal empfangen hat. Viel-
leicht möchte Herr Bonnet, da er die Ausdrücke:
durch die Bildung des Keims bestimmt seyn,
und, der Form nach selbst in dem Keim existi-
ren,
mit einander so abwechselt, daß es scheint, als
wenn beide seinen Sinn auf gleiche Weise ausdrückten,
mit der obigen deutlichen Erklärung, wie die wesentli-
chen Formen nothwendig durch die Organisation im

Keim

und Entwickelung des Menſchen.
hinzukommt und die vorhandenen Fibern ſich entwi-
ckeln, dann aus einander gehen, oder zuſammenſchlagen
und neue Formen machen, ſolches auch in der Richtung
und in der Maße geſchehen muͤſſe, als es wirklich ge-
ſchieht. Wenn nun die weſentlichen Fibern im Keim,
bey dem Auswachſen, ſich in verſchiedene Richtungen
ausdehnen, von einander abgehen und dem Umfang
des Koͤrpers mancherley Geſtalten geben: ſo haben ſie
dennoch eine Tendenz mit ihren Enden wiederum an
den Stellen, wo die neuen Keime und Saamen zu-
bereitet werden, als zu ſo vielen Sammlungspunkten
zuſammenzugehen, und durch ihre Vereinigung neue
Keime und Saamen daſelbſt anzulegen. Dieſe Ten-
denz iſt zum Theil ſchon in der urſpruͤnglichen Bezie-
hung gegruͤndet, welche die erſten Anfaͤnge der Fibern
in dem Keim gegeneinander haben; theils wird ſie durch
andere zwiſchen ihnen liegende Materien und Partikeln,
wodurch jene verbunden ſind, beſtimmet. Jn ſo weit
giebt es eine gewiſſe urſpruͤngliche Form, welche der
Grund von derjenigen iſt, die durch ſie beſtimmt wird.

Aber kann dieſe Grundeinrichtung in dem Keim,
vermoͤge deren ſeine ſich entwickelnden Theile wiederum
in einem aͤhnlichen Keime zuſammengehen, ein Keim
zu dem neuen Keim
heißen? eine beſondere Anlage,
woraus bloß durch die Entwickelung wiederum ein neuer
Keim wird? Dieß letztere iſt ein Zuſatz des Witzes
und der Einbildungskraft, wodurch die Evolutionshypo-
theſe ihr Unterſcheidungsmerkmal empfangen hat. Viel-
leicht moͤchte Herr Bonnet, da er die Ausdruͤcke:
durch die Bildung des Keims beſtimmt ſeyn,
und, der Form nach ſelbſt in dem Keim exiſti-
ren,
mit einander ſo abwechſelt, daß es ſcheint, als
wenn beide ſeinen Sinn auf gleiche Weiſe ausdruͤckten,
mit der obigen deutlichen Erklaͤrung, wie die weſentli-
chen Formen nothwendig durch die Organiſation im

Keim
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[527/0557] und Entwickelung des Menſchen. hinzukommt und die vorhandenen Fibern ſich entwi- ckeln, dann aus einander gehen, oder zuſammenſchlagen und neue Formen machen, ſolches auch in der Richtung und in der Maße geſchehen muͤſſe, als es wirklich ge- ſchieht. Wenn nun die weſentlichen Fibern im Keim, bey dem Auswachſen, ſich in verſchiedene Richtungen ausdehnen, von einander abgehen und dem Umfang des Koͤrpers mancherley Geſtalten geben: ſo haben ſie dennoch eine Tendenz mit ihren Enden wiederum an den Stellen, wo die neuen Keime und Saamen zu- bereitet werden, als zu ſo vielen Sammlungspunkten zuſammenzugehen, und durch ihre Vereinigung neue Keime und Saamen daſelbſt anzulegen. Dieſe Ten- denz iſt zum Theil ſchon in der urſpruͤnglichen Bezie- hung gegruͤndet, welche die erſten Anfaͤnge der Fibern in dem Keim gegeneinander haben; theils wird ſie durch andere zwiſchen ihnen liegende Materien und Partikeln, wodurch jene verbunden ſind, beſtimmet. Jn ſo weit giebt es eine gewiſſe urſpruͤngliche Form, welche der Grund von derjenigen iſt, die durch ſie beſtimmt wird. Aber kann dieſe Grundeinrichtung in dem Keim, vermoͤge deren ſeine ſich entwickelnden Theile wiederum in einem aͤhnlichen Keime zuſammengehen, ein Keim zu dem neuen Keim heißen? eine beſondere Anlage, woraus bloß durch die Entwickelung wiederum ein neuer Keim wird? Dieß letztere iſt ein Zuſatz des Witzes und der Einbildungskraft, wodurch die Evolutionshypo- theſe ihr Unterſcheidungsmerkmal empfangen hat. Viel- leicht moͤchte Herr Bonnet, da er die Ausdruͤcke: durch die Bildung des Keims beſtimmt ſeyn, und, der Form nach ſelbſt in dem Keim exiſti- ren, mit einander ſo abwechſelt, daß es ſcheint, als wenn beide ſeinen Sinn auf gleiche Weiſe ausdruͤckten, mit der obigen deutlichen Erklaͤrung, wie die weſentli- chen Formen nothwendig durch die Organiſation im Keim

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Zitationshilfe: Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 527. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/557>, abgerufen am 22.11.2024.