ganischen Körper, die auf Eine Stelle, als auf einen Endpunkt der ganzen Organisation hingehen, wie sie ih- rer Vorherbildung gemäß bestimmet sind. Die erste Anlage zum Keim wächst aus durch die Einnahme mehrerer Materien, durch ihre Vertheilung und durch neue Vereinigungen der sich ausdehnenden Partikeln. So entstehet das einfache Wesen nicht; so kann es nicht entstehen. Allein da jene Bildung des Keims auch die Folge nach sich ziehen kann, daß Eins oder das andere von den einfachen Wesen, die seine Bestandtheile sind, derjenigen Lage in Hinsicht der übrigen näher gerückt werde, wo es Raum gewinnt seine innern Kräfte aus- zudehnen, und zur herrschenden Substanz in dem Kreise von Wesen zu werden, unter denen es vorher als eines ihres gleichen verwickelt war: so läßt sich insofern eine Erhebung unsers Jchs zu einer menschlichen Seele gedenken. Und diese Erhebung würde denn darinn bestehen, daß theils eine Wirkungssphäre für die Substanz zubereitet, theils auch durch die ihr daselbst gegebenen Eindrücke ihre Grundkraft vorzüglich zur Wirksamkeit gereizet werde.
Die Befruchtung des Keims ist eine Vervollstän- digung desselben, besonders in Hinsicht seiner neuen Ent- wickelungskraft, die ihm entweder durch sie beygebracht, oder da sie vorher nur bloßes Vermögen war, durch eine mächtige Reizung wirksam und thätig gemacht wird. Es ist diese Veränderung nächst der ersten Zubereitung der Anlage die wichtigste, die den Keim betrifft. Kann sie nicht zugleich eine entsprechende wichtige Erweckung, oder Aufmunterung, in der Kraft des einfachen Wesens mit sich verbunden haben? Muß sie es nicht? Oder geht etwan gar die Seele von dem Vater in den Keim des Weibchens über, und setzet sich hieselbst in die für sie zubereitete Lage? Wer will hier den Weg der Na- tur zu errathen sich getrauen? Aber vielleicht mag man
doch
und Entwickelung des Menſchen.
ganiſchen Koͤrper, die auf Eine Stelle, als auf einen Endpunkt der ganzen Organiſation hingehen, wie ſie ih- rer Vorherbildung gemaͤß beſtimmet ſind. Die erſte Anlage zum Keim waͤchſt aus durch die Einnahme mehrerer Materien, durch ihre Vertheilung und durch neue Vereinigungen der ſich ausdehnenden Partikeln. So entſtehet das einfache Weſen nicht; ſo kann es nicht entſtehen. Allein da jene Bildung des Keims auch die Folge nach ſich ziehen kann, daß Eins oder das andere von den einfachen Weſen, die ſeine Beſtandtheile ſind, derjenigen Lage in Hinſicht der uͤbrigen naͤher geruͤckt werde, wo es Raum gewinnt ſeine innern Kraͤfte aus- zudehnen, und zur herrſchenden Subſtanz in dem Kreiſe von Weſen zu werden, unter denen es vorher als eines ihres gleichen verwickelt war: ſo laͤßt ſich inſofern eine Erhebung unſers Jchs zu einer menſchlichen Seele gedenken. Und dieſe Erhebung wuͤrde denn darinn beſtehen, daß theils eine Wirkungsſphaͤre fuͤr die Subſtanz zubereitet, theils auch durch die ihr daſelbſt gegebenen Eindruͤcke ihre Grundkraft vorzuͤglich zur Wirkſamkeit gereizet werde.
Die Befruchtung des Keims iſt eine Vervollſtaͤn- digung deſſelben, beſonders in Hinſicht ſeiner neuen Ent- wickelungskraft, die ihm entweder durch ſie beygebracht, oder da ſie vorher nur bloßes Vermoͤgen war, durch eine maͤchtige Reizung wirkſam und thaͤtig gemacht wird. Es iſt dieſe Veraͤnderung naͤchſt der erſten Zubereitung der Anlage die wichtigſte, die den Keim betrifft. Kann ſie nicht zugleich eine entſprechende wichtige Erweckung, oder Aufmunterung, in der Kraft des einfachen Weſens mit ſich verbunden haben? Muß ſie es nicht? Oder geht etwan gar die Seele von dem Vater in den Keim des Weibchens uͤber, und ſetzet ſich hieſelbſt in die fuͤr ſie zubereitete Lage? Wer will hier den Weg der Na- tur zu errathen ſich getrauen? Aber vielleicht mag man
doch
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und Entwickelung des Menſchen.
ganiſchen Koͤrper, die auf Eine Stelle, als auf einen
Endpunkt der ganzen Organiſation hingehen, wie ſie ih-
rer Vorherbildung gemaͤß beſtimmet ſind. Die erſte
Anlage zum Keim waͤchſt aus durch die Einnahme
mehrerer Materien, durch ihre Vertheilung und durch
neue Vereinigungen der ſich ausdehnenden Partikeln.
So entſtehet das einfache Weſen nicht; ſo kann es nicht
entſtehen. Allein da jene Bildung des Keims auch die
Folge nach ſich ziehen kann, daß Eins oder das andere
von den einfachen Weſen, die ſeine Beſtandtheile ſind,
derjenigen Lage in Hinſicht der uͤbrigen naͤher geruͤckt
werde, wo es Raum gewinnt ſeine innern Kraͤfte aus-
zudehnen, und zur herrſchenden Subſtanz in dem
Kreiſe von Weſen zu werden, unter denen es vorher als
eines ihres gleichen verwickelt war: ſo laͤßt ſich inſofern
eine Erhebung unſers Jchs zu einer menſchlichen
Seele gedenken. Und dieſe Erhebung wuͤrde denn
darinn beſtehen, daß theils eine Wirkungsſphaͤre fuͤr die
Subſtanz zubereitet, theils auch durch die ihr daſelbſt
gegebenen Eindruͤcke ihre Grundkraft vorzuͤglich zur
Wirkſamkeit gereizet werde.
Die Befruchtung des Keims iſt eine Vervollſtaͤn-
digung deſſelben, beſonders in Hinſicht ſeiner neuen Ent-
wickelungskraft, die ihm entweder durch ſie beygebracht,
oder da ſie vorher nur bloßes Vermoͤgen war, durch eine
maͤchtige Reizung wirkſam und thaͤtig gemacht wird.
Es iſt dieſe Veraͤnderung naͤchſt der erſten Zubereitung
der Anlage die wichtigſte, die den Keim betrifft. Kann
ſie nicht zugleich eine entſprechende wichtige Erweckung,
oder Aufmunterung, in der Kraft des einfachen Weſens
mit ſich verbunden haben? Muß ſie es nicht? Oder
geht etwan gar die Seele von dem Vater in den Keim
des Weibchens uͤber, und ſetzet ſich hieſelbſt in die fuͤr
ſie zubereitete Lage? Wer will hier den Weg der Na-
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 541. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/571>, abgerufen am 22.11.2024.
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