ähnlichen Empfindungen und ihre ähnlichen Spuren vermehren die intensive Größe oder Stärke eines und desselbigen Vermögens; die verschiedenen aber, bey denen die Aehnlichkeit noch merklich ist, verbinden sich mit einander, und machen alsdenn die extensive Größe oder die Ausdehnung der Kräfte aus. Heterogene Jdeen hingegen, wobey die Verschiedenheit groß ist und die Aehnlichkeit unmerkbar, erzeugen verschiedene Fähigkeiten, und entgegenstehende suchen sich ein- ander aufzuheben.
Wenn dasselbige Gesetz des Wachsens auch in Hinsicht des organisirten Körpers zum Grunde gele- get wird, so giebt uns solches einen etwas mehr be- stimmten Begriff von der Art, wie die Gefäße im Kör- per verlängert, erweitert, verdichtet und fester und här- ter werden, und von der Assimilation der Säfte. Die Nahrungstheilchen, welche sich für jedes Gefäß schicken, sind in den Speisen enthalten. Gewiß wohl nicht so, wie es nach der Homoiomorie des Anaxa- goras seyn sollte, wenn man anders die Meinung die- ses Philosophen richtig gefaßt hat, daß nämlich die Knochen durch kleine Knochen, die Adern durch kleine Adern, und das Blut durch kleine Blutkügelchen, ver- größert werden, die in den Speisen schon zubereitet ge- wesen sind, und durch die Verdauungskräfte nur herausge- zogen werden. Aber doch so, daß die Speisen Ele- mente enthalten, die den Elementen der Gefäße ähnlich und chemisch mit ihnen verwandt sind. Durch diese, welche es völlig sind und daher mit jenen zu größern Partikeln vereiniget werden, wachsen die Gefäße an Stärke. Durch andere, die sich zwar auch mit ihnen verbinden, aber nicht so innig und stark vereinigen, wer- den sie verlängert und erweitert. Diejenigen dagegen, welche den vorhandenen mehr unähnlich sind, geben Gelegenheit zur Ausbreitung und Zerstreuung nach ent-
gegen-
XIV. Verſ. Ueber die Perfektibilitaͤt
aͤhnlichen Empfindungen und ihre aͤhnlichen Spuren vermehren die intenſive Groͤße oder Staͤrke eines und deſſelbigen Vermoͤgens; die verſchiedenen aber, bey denen die Aehnlichkeit noch merklich iſt, verbinden ſich mit einander, und machen alsdenn die extenſive Groͤße oder die Ausdehnung der Kraͤfte aus. Heterogene Jdeen hingegen, wobey die Verſchiedenheit groß iſt und die Aehnlichkeit unmerkbar, erzeugen verſchiedene Faͤhigkeiten, und entgegenſtehende ſuchen ſich ein- ander aufzuheben.
Wenn daſſelbige Geſetz des Wachſens auch in Hinſicht des organiſirten Koͤrpers zum Grunde gele- get wird, ſo giebt uns ſolches einen etwas mehr be- ſtimmten Begriff von der Art, wie die Gefaͤße im Koͤr- per verlaͤngert, erweitert, verdichtet und feſter und haͤr- ter werden, und von der Aſſimilation der Saͤfte. Die Nahrungstheilchen, welche ſich fuͤr jedes Gefaͤß ſchicken, ſind in den Speiſen enthalten. Gewiß wohl nicht ſo, wie es nach der Homoiomorie des Anaxa- goras ſeyn ſollte, wenn man anders die Meinung die- ſes Philoſophen richtig gefaßt hat, daß naͤmlich die Knochen durch kleine Knochen, die Adern durch kleine Adern, und das Blut durch kleine Blutkuͤgelchen, ver- groͤßert werden, die in den Speiſen ſchon zubereitet ge- weſen ſind, und durch die Verdauungskraͤfte nur herausge- zogen werden. Aber doch ſo, daß die Speiſen Ele- mente enthalten, die den Elementen der Gefaͤße aͤhnlich und chemiſch mit ihnen verwandt ſind. Durch dieſe, welche es voͤllig ſind und daher mit jenen zu groͤßern Partikeln vereiniget werden, wachſen die Gefaͤße an Staͤrke. Durch andere, die ſich zwar auch mit ihnen verbinden, aber nicht ſo innig und ſtark vereinigen, wer- den ſie verlaͤngert und erweitert. Diejenigen dagegen, welche den vorhandenen mehr unaͤhnlich ſind, geben Gelegenheit zur Ausbreitung und Zerſtreuung nach ent-
gegen-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0580"n="550"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#aq">XIV.</hi> Verſ. Ueber die Perfektibilitaͤt</hi></fw><lb/>
aͤhnlichen Empfindungen und ihre aͤhnlichen Spuren<lb/>
vermehren die <hirendition="#fr">intenſive Groͤße</hi> oder <hirendition="#fr">Staͤrke</hi> eines<lb/>
und deſſelbigen Vermoͤgens; die verſchiedenen aber, bey<lb/>
denen die Aehnlichkeit noch merklich iſt, verbinden ſich<lb/>
mit einander, und machen alsdenn die <hirendition="#fr">extenſive</hi> Groͤße<lb/>
oder die Ausdehnung der Kraͤfte aus. <hirendition="#fr">Heterogene<lb/>
Jdeen</hi> hingegen, wobey die Verſchiedenheit groß iſt<lb/>
und die Aehnlichkeit unmerkbar, erzeugen verſchiedene<lb/>
Faͤhigkeiten, und <hirendition="#fr">entgegenſtehende</hi>ſuchen ſich ein-<lb/>
ander aufzuheben.</p><lb/><p>Wenn <hirendition="#fr">daſſelbige Geſetz des Wachſens</hi> auch<lb/>
in Hinſicht des organiſirten Koͤrpers zum Grunde gele-<lb/>
get wird, ſo giebt uns ſolches einen etwas mehr be-<lb/>ſtimmten Begriff von der Art, wie die Gefaͤße im Koͤr-<lb/>
per verlaͤngert, erweitert, verdichtet und feſter und haͤr-<lb/>
ter werden, und von der <hirendition="#fr">Aſſimilation</hi> der Saͤfte.<lb/>
Die Nahrungstheilchen, welche ſich fuͤr jedes Gefaͤß<lb/>ſchicken, ſind in den Speiſen enthalten. Gewiß wohl<lb/>
nicht ſo, wie es nach der <hirendition="#fr">Homoiomorie</hi> des <hirendition="#fr">Anaxa-<lb/>
goras</hi>ſeyn ſollte, wenn man anders die Meinung die-<lb/>ſes Philoſophen richtig gefaßt hat, daß naͤmlich die<lb/>
Knochen durch kleine Knochen, die Adern durch kleine<lb/>
Adern, und das Blut durch kleine Blutkuͤgelchen, ver-<lb/>
groͤßert werden, die in den Speiſen ſchon zubereitet ge-<lb/>
weſen ſind, und durch die Verdauungskraͤfte nur herausge-<lb/>
zogen werden. Aber doch ſo, daß die Speiſen Ele-<lb/>
mente enthalten, die den Elementen der Gefaͤße aͤhnlich<lb/>
und chemiſch mit ihnen verwandt ſind. Durch dieſe,<lb/>
welche es voͤllig ſind und daher mit jenen zu groͤßern<lb/>
Partikeln vereiniget werden, wachſen die Gefaͤße an<lb/>
Staͤrke. Durch andere, die ſich zwar auch mit ihnen<lb/>
verbinden, aber nicht ſo innig und ſtark vereinigen, wer-<lb/>
den ſie verlaͤngert und erweitert. Diejenigen dagegen,<lb/>
welche den vorhandenen mehr unaͤhnlich ſind, geben<lb/>
Gelegenheit zur Ausbreitung und Zerſtreuung nach ent-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">gegen-</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[550/0580]
XIV. Verſ. Ueber die Perfektibilitaͤt
aͤhnlichen Empfindungen und ihre aͤhnlichen Spuren
vermehren die intenſive Groͤße oder Staͤrke eines
und deſſelbigen Vermoͤgens; die verſchiedenen aber, bey
denen die Aehnlichkeit noch merklich iſt, verbinden ſich
mit einander, und machen alsdenn die extenſive Groͤße
oder die Ausdehnung der Kraͤfte aus. Heterogene
Jdeen hingegen, wobey die Verſchiedenheit groß iſt
und die Aehnlichkeit unmerkbar, erzeugen verſchiedene
Faͤhigkeiten, und entgegenſtehende ſuchen ſich ein-
ander aufzuheben.
Wenn daſſelbige Geſetz des Wachſens auch
in Hinſicht des organiſirten Koͤrpers zum Grunde gele-
get wird, ſo giebt uns ſolches einen etwas mehr be-
ſtimmten Begriff von der Art, wie die Gefaͤße im Koͤr-
per verlaͤngert, erweitert, verdichtet und feſter und haͤr-
ter werden, und von der Aſſimilation der Saͤfte.
Die Nahrungstheilchen, welche ſich fuͤr jedes Gefaͤß
ſchicken, ſind in den Speiſen enthalten. Gewiß wohl
nicht ſo, wie es nach der Homoiomorie des Anaxa-
goras ſeyn ſollte, wenn man anders die Meinung die-
ſes Philoſophen richtig gefaßt hat, daß naͤmlich die
Knochen durch kleine Knochen, die Adern durch kleine
Adern, und das Blut durch kleine Blutkuͤgelchen, ver-
groͤßert werden, die in den Speiſen ſchon zubereitet ge-
weſen ſind, und durch die Verdauungskraͤfte nur herausge-
zogen werden. Aber doch ſo, daß die Speiſen Ele-
mente enthalten, die den Elementen der Gefaͤße aͤhnlich
und chemiſch mit ihnen verwandt ſind. Durch dieſe,
welche es voͤllig ſind und daher mit jenen zu groͤßern
Partikeln vereiniget werden, wachſen die Gefaͤße an
Staͤrke. Durch andere, die ſich zwar auch mit ihnen
verbinden, aber nicht ſo innig und ſtark vereinigen, wer-
den ſie verlaͤngert und erweitert. Diejenigen dagegen,
welche den vorhandenen mehr unaͤhnlich ſind, geben
Gelegenheit zur Ausbreitung und Zerſtreuung nach ent-
gegen-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 550. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/580>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.