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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777.

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XIV. Vers. Ueber die Perfektibilität
so sind die zeugenden Wesen als verschiedenartig oder
als am Geschlecht verschieden zu betrachten. Jndes-
sen da diese sich noch mit Wirkung begatten, so können
sie als Wesen Einer Gattung angesehen werden,
oder als solche, deren Geschlechter verwandt sind.

Unsere Beobachtungen reichen noch lange nicht hin,
auch in dem größern Thierreich, dasjenige schon für na-
türlich unmöglich zu erklären, wovon bisher noch kein
Beyspiel vorgekommen ist oder durch künstliche Versu-
che hat erhalten werden können. Zwischenstufen lassen
sich überall vermuthen. Daher muß wenigstens in ei-
ner allgemeinen Betrachtung, wie die gegenwärtige ist,
der Grad von Geschlechtsaffinität bemerket werden, der
noch schwächer ist, als zwischen denen, die lebendige
Bastarte durch ihre Vermischung bewirken. Dieß
ist sie, wenn die Vermischung nicht ganz unwirksam ist
und etwas organisches beschaffet, aber so daß dieß nur
empfangen, nicht zur Vollkommenheit entwickelt werden
kann. Aristoteles bezeuget solches von der Mauleselin.
Allein diese ist schon selbst eine Bastartart, über deren
Affinität nicht aus ihrer Frucht sondern aus ihrem Ur-
sprung geurtheilet werden muß. Die natürlichen Ge-
schlechte sind noch in etwas verwandte Geschlechte, wenn
Eins des Andern auch nur bis so weit empfänglich ist.

Von hier an hört auch die Verwandtschaft auf. Die
fruchtlosen Belegungen, *) die bloß durch die äußere
Struktur der Zeugungstheile möglich gemacht werden,
können keinen Grund abgeben, darauf eine Verwandschaft
der thierischen Naturen zu gründen wäre. Jedoch ich
breche die allgemeine Betrachtung hier ab, die schon
weiter fortgeführet ist, als meine Absicht es erfoderte,
und kehre zurück zu der Verschiedenheit in dem Men-
schengeschlechte.

3. Die-
*) Blumenbach am angez Orte. S. 13.

XIV. Verſ. Ueber die Perfektibilitaͤt
ſo ſind die zeugenden Weſen als verſchiedenartig oder
als am Geſchlecht verſchieden zu betrachten. Jndeſ-
ſen da dieſe ſich noch mit Wirkung begatten, ſo koͤnnen
ſie als Weſen Einer Gattung angeſehen werden,
oder als ſolche, deren Geſchlechter verwandt ſind.

Unſere Beobachtungen reichen noch lange nicht hin,
auch in dem groͤßern Thierreich, dasjenige ſchon fuͤr na-
tuͤrlich unmoͤglich zu erklaͤren, wovon bisher noch kein
Beyſpiel vorgekommen iſt oder durch kuͤnſtliche Verſu-
che hat erhalten werden koͤnnen. Zwiſchenſtufen laſſen
ſich uͤberall vermuthen. Daher muß wenigſtens in ei-
ner allgemeinen Betrachtung, wie die gegenwaͤrtige iſt,
der Grad von Geſchlechtsaffinitaͤt bemerket werden, der
noch ſchwaͤcher iſt, als zwiſchen denen, die lebendige
Baſtarte durch ihre Vermiſchung bewirken. Dieß
iſt ſie, wenn die Vermiſchung nicht ganz unwirkſam iſt
und etwas organiſches beſchaffet, aber ſo daß dieß nur
empfangen, nicht zur Vollkommenheit entwickelt werden
kann. Ariſtoteles bezeuget ſolches von der Mauleſelin.
Allein dieſe iſt ſchon ſelbſt eine Baſtartart, uͤber deren
Affinitaͤt nicht aus ihrer Frucht ſondern aus ihrem Ur-
ſprung geurtheilet werden muß. Die natuͤrlichen Ge-
ſchlechte ſind noch in etwas verwandte Geſchlechte, wenn
Eins des Andern auch nur bis ſo weit empfaͤnglich iſt.

Von hier an hoͤrt auch die Verwandtſchaft auf. Die
fruchtloſen Belegungen, *) die bloß durch die aͤußere
Struktur der Zeugungstheile moͤglich gemacht werden,
koͤnnen keinen Grund abgeben, darauf eine Verwandſchaft
der thieriſchen Naturen zu gruͤnden waͤre. Jedoch ich
breche die allgemeine Betrachtung hier ab, die ſchon
weiter fortgefuͤhret iſt, als meine Abſicht es erfoderte,
und kehre zuruͤck zu der Verſchiedenheit in dem Men-
ſchengeſchlechte.

3. Die-
*) Blumenbach am angez Orte. S. 13.
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[568/0598] XIV. Verſ. Ueber die Perfektibilitaͤt ſo ſind die zeugenden Weſen als verſchiedenartig oder als am Geſchlecht verſchieden zu betrachten. Jndeſ- ſen da dieſe ſich noch mit Wirkung begatten, ſo koͤnnen ſie als Weſen Einer Gattung angeſehen werden, oder als ſolche, deren Geſchlechter verwandt ſind. Unſere Beobachtungen reichen noch lange nicht hin, auch in dem groͤßern Thierreich, dasjenige ſchon fuͤr na- tuͤrlich unmoͤglich zu erklaͤren, wovon bisher noch kein Beyſpiel vorgekommen iſt oder durch kuͤnſtliche Verſu- che hat erhalten werden koͤnnen. Zwiſchenſtufen laſſen ſich uͤberall vermuthen. Daher muß wenigſtens in ei- ner allgemeinen Betrachtung, wie die gegenwaͤrtige iſt, der Grad von Geſchlechtsaffinitaͤt bemerket werden, der noch ſchwaͤcher iſt, als zwiſchen denen, die lebendige Baſtarte durch ihre Vermiſchung bewirken. Dieß iſt ſie, wenn die Vermiſchung nicht ganz unwirkſam iſt und etwas organiſches beſchaffet, aber ſo daß dieß nur empfangen, nicht zur Vollkommenheit entwickelt werden kann. Ariſtoteles bezeuget ſolches von der Mauleſelin. Allein dieſe iſt ſchon ſelbſt eine Baſtartart, uͤber deren Affinitaͤt nicht aus ihrer Frucht ſondern aus ihrem Ur- ſprung geurtheilet werden muß. Die natuͤrlichen Ge- ſchlechte ſind noch in etwas verwandte Geſchlechte, wenn Eins des Andern auch nur bis ſo weit empfaͤnglich iſt. Von hier an hoͤrt auch die Verwandtſchaft auf. Die fruchtloſen Belegungen, *) die bloß durch die aͤußere Struktur der Zeugungstheile moͤglich gemacht werden, koͤnnen keinen Grund abgeben, darauf eine Verwandſchaft der thieriſchen Naturen zu gruͤnden waͤre. Jedoch ich breche die allgemeine Betrachtung hier ab, die ſchon weiter fortgefuͤhret iſt, als meine Abſicht es erfoderte, und kehre zuruͤck zu der Verſchiedenheit in dem Men- ſchengeſchlechte. 3. Die- *) Blumenbach am angez Orte. S. 13.

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Zitationshilfe: Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 568. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/598>, abgerufen am 22.11.2024.