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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777.

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und Entwickelung des Menschen.
ländern in Afrika. *) Solcher Jnstanzen führet man
mehrere an. Sind dieß Beweise, daß die Hitze nicht
eine von den Ursachen, und zwar eine der vornehmsten,
von der Farbe der Neger seyn könne? Daß sie ent-
weder nicht die alleinige sey, oder daß ihre Wirkungen
sich schwächen oder aufheben lassen, ist nur, was
aus diesen entgegenstehenden Beyspielen erhellet. Es
ist, wie man aus andern Gründen vermuthen kann,
auch nicht sowohl der größte Grad der Wärme einer rei-
nen Luft, sondern vielmehr die Hitze einer Luft, die mit
Dünsten verschiedener Art und besonders mit öligen
und fetten Dünsten erfüllet ist, welche zu der Schwärze
der Haut am meisten beyträgt. Ohne Zweifel wird
durch die Reinlichkeit und durch österes Baden, bey ei-
nigen Völkern, ihr Einfluß auf die Farbe geschwächt.
Ueberhaupt aber erinnert man sich nicht genug daran,
daß man eben so wenig schließen könne, es müsse an der
Ursache fehlen, weil ihre Wirkung nicht da ist, als man
unbedingt auf die Wirkung folgern kann, wenn die Ur-
sache vorhanden ist. Denn die Ursache kann bestehen
und wirken, und dennoch durch viele ihr entgegengesetzte
Kräfte gehindert werden, ihren Einfluß merklich zu ma-
chen. Dieß ist ein Grund mehr vorsichtig zu seyn, ehe
man mit Sicherheit eine ursachliche Verbindung zwi-
schen Phänomenen, die einander begleiten oder auf
einander folgen, festsetzen kann. Eine Erfahrung allein,
so umständlich sie auch seyn mag, ist dazu nicht hinrei-
chend. Es werden in jedem Falle Vergleichungen meh-
rerer Fälle hiezu erfodert. Jn der Arzneywissenschaft
ist man überzeugt, wie schwer es sey, sich vor dem
Mißgreifen der Ursachen zu hüten. Jch meine nicht,
daß es ein Paradoxon sey, wenn man behauptet, daß

solches
*) Niebuhrs Reisebeschreibung nach Arabien, Erster Band,
S. 450.

und Entwickelung des Menſchen.
laͤndern in Afrika. *) Solcher Jnſtanzen fuͤhret man
mehrere an. Sind dieß Beweiſe, daß die Hitze nicht
eine von den Urſachen, und zwar eine der vornehmſten,
von der Farbe der Neger ſeyn koͤnne? Daß ſie ent-
weder nicht die alleinige ſey, oder daß ihre Wirkungen
ſich ſchwaͤchen oder aufheben laſſen, iſt nur, was
aus dieſen entgegenſtehenden Beyſpielen erhellet. Es
iſt, wie man aus andern Gruͤnden vermuthen kann,
auch nicht ſowohl der groͤßte Grad der Waͤrme einer rei-
nen Luft, ſondern vielmehr die Hitze einer Luft, die mit
Duͤnſten verſchiedener Art und beſonders mit oͤligen
und fetten Duͤnſten erfuͤllet iſt, welche zu der Schwaͤrze
der Haut am meiſten beytraͤgt. Ohne Zweifel wird
durch die Reinlichkeit und durch oͤſteres Baden, bey ei-
nigen Voͤlkern, ihr Einfluß auf die Farbe geſchwaͤcht.
Ueberhaupt aber erinnert man ſich nicht genug daran,
daß man eben ſo wenig ſchließen koͤnne, es muͤſſe an der
Urſache fehlen, weil ihre Wirkung nicht da iſt, als man
unbedingt auf die Wirkung folgern kann, wenn die Ur-
ſache vorhanden iſt. Denn die Urſache kann beſtehen
und wirken, und dennoch durch viele ihr entgegengeſetzte
Kraͤfte gehindert werden, ihren Einfluß merklich zu ma-
chen. Dieß iſt ein Grund mehr vorſichtig zu ſeyn, ehe
man mit Sicherheit eine urſachliche Verbindung zwi-
ſchen Phaͤnomenen, die einander begleiten oder auf
einander folgen, feſtſetzen kann. Eine Erfahrung allein,
ſo umſtaͤndlich ſie auch ſeyn mag, iſt dazu nicht hinrei-
chend. Es werden in jedem Falle Vergleichungen meh-
rerer Faͤlle hiezu erfodert. Jn der Arzneywiſſenſchaft
iſt man uͤberzeugt, wie ſchwer es ſey, ſich vor dem
Mißgreifen der Urſachen zu huͤten. Jch meine nicht,
daß es ein Paradoxon ſey, wenn man behauptet, daß

ſolches
*) Niebuhrs Reiſebeſchreibung nach Arabien, Erſter Band,
S. 450.
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[571/0601] und Entwickelung des Menſchen. laͤndern in Afrika. *) Solcher Jnſtanzen fuͤhret man mehrere an. Sind dieß Beweiſe, daß die Hitze nicht eine von den Urſachen, und zwar eine der vornehmſten, von der Farbe der Neger ſeyn koͤnne? Daß ſie ent- weder nicht die alleinige ſey, oder daß ihre Wirkungen ſich ſchwaͤchen oder aufheben laſſen, iſt nur, was aus dieſen entgegenſtehenden Beyſpielen erhellet. Es iſt, wie man aus andern Gruͤnden vermuthen kann, auch nicht ſowohl der groͤßte Grad der Waͤrme einer rei- nen Luft, ſondern vielmehr die Hitze einer Luft, die mit Duͤnſten verſchiedener Art und beſonders mit oͤligen und fetten Duͤnſten erfuͤllet iſt, welche zu der Schwaͤrze der Haut am meiſten beytraͤgt. Ohne Zweifel wird durch die Reinlichkeit und durch oͤſteres Baden, bey ei- nigen Voͤlkern, ihr Einfluß auf die Farbe geſchwaͤcht. Ueberhaupt aber erinnert man ſich nicht genug daran, daß man eben ſo wenig ſchließen koͤnne, es muͤſſe an der Urſache fehlen, weil ihre Wirkung nicht da iſt, als man unbedingt auf die Wirkung folgern kann, wenn die Ur- ſache vorhanden iſt. Denn die Urſache kann beſtehen und wirken, und dennoch durch viele ihr entgegengeſetzte Kraͤfte gehindert werden, ihren Einfluß merklich zu ma- chen. Dieß iſt ein Grund mehr vorſichtig zu ſeyn, ehe man mit Sicherheit eine urſachliche Verbindung zwi- ſchen Phaͤnomenen, die einander begleiten oder auf einander folgen, feſtſetzen kann. Eine Erfahrung allein, ſo umſtaͤndlich ſie auch ſeyn mag, iſt dazu nicht hinrei- chend. Es werden in jedem Falle Vergleichungen meh- rerer Faͤlle hiezu erfodert. Jn der Arzneywiſſenſchaft iſt man uͤberzeugt, wie ſchwer es ſey, ſich vor dem Mißgreifen der Urſachen zu huͤten. Jch meine nicht, daß es ein Paradoxon ſey, wenn man behauptet, daß ſolches *) Niebuhrs Reiſebeſchreibung nach Arabien, Erſter Band, S. 450.

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Zitationshilfe: Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 571. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/601>, abgerufen am 22.11.2024.