an Eindrücken, die ihre Kräfte reizen, Kinder an der Seele bleiben, wenn gleich ihre Körper auswachsen. So sind auch die Californier. Sie bleiben unter dem polizirten Europäer zurück, nicht nur in besondern Kün- sten und Geschicklichkeiten, die von der Einbildungs- kraft und von dem Verstande abhangen; sondern sie sind auch in ihrer ganzen Denkungsart mehr Kinder, in Ver- gleichung mit jenen. Sie sind also weniger erhöhet an absoluten Seelenkräften, an Empfindsamkeit, an Vor- stellungskraft, an Thätigkeit. Da ist also auch offen- bar, daß die Erziehung, indem sie mehrere und man- nichfaltigere Gegenstände verschaffet, vieles zur Entwi- ckelung beytrage. Gleichwohl hat sich doch auch bey der erwehnten Völkerschaft gezeigt, daß ihre Erniederung unter den Europäern doch nicht so groß sey, wenn man auf den natürlichen Verstand siehet und auf die Stärke der Neigungen, als wenn man auf die relativen Ver- mögen und auf die Künste siehet, die von allgemeinen Kenntnissen abhangen.
Dennoch kann auch die Kunst von dieser Seite zu viel thun. Die Mannichfaltigkeit der Gegenstände und Sachen, die man so zu sagen auf die äußern Sinne und dadurch auf das innere Gefühl spielen läßt, muß in einer gewissen Gränze bleiben, wenn nicht mehr eine schädliche Zerstreuung als Aufweckung des Kopfs ent- stehen soll. Wird die Mannichfaltigkeit der Eindrücke zu groß, so erhalten die einzelnen Kräfte ihre gehörige intensive Stärke nicht. Es sollen zu viel Vermögen auf einmal angebauet werden. Die Erfahrung lehret nicht, daß ein Mensch, der mehr gesehen und gehöret, der mehr gelesen hat als ein anderer, auch in gleicher Maße an natürlichem Verstande und an Ueberlegungs- kraft Vorzüge bekommen habe. Er kann zu viel Ab- wechselung in den Empfindungen haben, um die ein- zelnen stark genug zu fassen und darüber zu denken.
Die
und Entwickelung des Menſchen.
an Eindruͤcken, die ihre Kraͤfte reizen, Kinder an der Seele bleiben, wenn gleich ihre Koͤrper auswachſen. So ſind auch die Californier. Sie bleiben unter dem polizirten Europaͤer zuruͤck, nicht nur in beſondern Kuͤn- ſten und Geſchicklichkeiten, die von der Einbildungs- kraft und von dem Verſtande abhangen; ſondern ſie ſind auch in ihrer ganzen Denkungsart mehr Kinder, in Ver- gleichung mit jenen. Sie ſind alſo weniger erhoͤhet an abſoluten Seelenkraͤften, an Empfindſamkeit, an Vor- ſtellungskraft, an Thaͤtigkeit. Da iſt alſo auch offen- bar, daß die Erziehung, indem ſie mehrere und man- nichfaltigere Gegenſtaͤnde verſchaffet, vieles zur Entwi- ckelung beytrage. Gleichwohl hat ſich doch auch bey der erwehnten Voͤlkerſchaft gezeigt, daß ihre Erniederung unter den Europaͤern doch nicht ſo groß ſey, wenn man auf den natuͤrlichen Verſtand ſiehet und auf die Staͤrke der Neigungen, als wenn man auf die relativen Ver- moͤgen und auf die Kuͤnſte ſiehet, die von allgemeinen Kenntniſſen abhangen.
Dennoch kann auch die Kunſt von dieſer Seite zu viel thun. Die Mannichfaltigkeit der Gegenſtaͤnde und Sachen, die man ſo zu ſagen auf die aͤußern Sinne und dadurch auf das innere Gefuͤhl ſpielen laͤßt, muß in einer gewiſſen Graͤnze bleiben, wenn nicht mehr eine ſchaͤdliche Zerſtreuung als Aufweckung des Kopfs ent- ſtehen ſoll. Wird die Mannichfaltigkeit der Eindruͤcke zu groß, ſo erhalten die einzelnen Kraͤfte ihre gehoͤrige intenſive Staͤrke nicht. Es ſollen zu viel Vermoͤgen auf einmal angebauet werden. Die Erfahrung lehret nicht, daß ein Menſch, der mehr geſehen und gehoͤret, der mehr geleſen hat als ein anderer, auch in gleicher Maße an natuͤrlichem Verſtande und an Ueberlegungs- kraft Vorzuͤge bekommen habe. Er kann zu viel Ab- wechſelung in den Empfindungen haben, um die ein- zelnen ſtark genug zu faſſen und daruͤber zu denken.
Die
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und Entwickelung des Menſchen.
an Eindruͤcken, die ihre Kraͤfte reizen, Kinder an der
Seele bleiben, wenn gleich ihre Koͤrper auswachſen.
So ſind auch die Californier. Sie bleiben unter dem
polizirten Europaͤer zuruͤck, nicht nur in beſondern Kuͤn-
ſten und Geſchicklichkeiten, die von der Einbildungs-
kraft und von dem Verſtande abhangen; ſondern ſie ſind
auch in ihrer ganzen Denkungsart mehr Kinder, in Ver-
gleichung mit jenen. Sie ſind alſo weniger erhoͤhet an
abſoluten Seelenkraͤften, an Empfindſamkeit, an Vor-
ſtellungskraft, an Thaͤtigkeit. Da iſt alſo auch offen-
bar, daß die Erziehung, indem ſie mehrere und man-
nichfaltigere Gegenſtaͤnde verſchaffet, vieles zur Entwi-
ckelung beytrage. Gleichwohl hat ſich doch auch bey der
erwehnten Voͤlkerſchaft gezeigt, daß ihre Erniederung
unter den Europaͤern doch nicht ſo groß ſey, wenn man
auf den natuͤrlichen Verſtand ſiehet und auf die Staͤrke
der Neigungen, als wenn man auf die relativen Ver-
moͤgen und auf die Kuͤnſte ſiehet, die von allgemeinen
Kenntniſſen abhangen.
Dennoch kann auch die Kunſt von dieſer Seite zu
viel thun. Die Mannichfaltigkeit der Gegenſtaͤnde und
Sachen, die man ſo zu ſagen auf die aͤußern Sinne
und dadurch auf das innere Gefuͤhl ſpielen laͤßt, muß in
einer gewiſſen Graͤnze bleiben, wenn nicht mehr eine
ſchaͤdliche Zerſtreuung als Aufweckung des Kopfs ent-
ſtehen ſoll. Wird die Mannichfaltigkeit der Eindruͤcke
zu groß, ſo erhalten die einzelnen Kraͤfte ihre gehoͤrige
intenſive Staͤrke nicht. Es ſollen zu viel Vermoͤgen
auf einmal angebauet werden. Die Erfahrung lehret
nicht, daß ein Menſch, der mehr geſehen und gehoͤret,
der mehr geleſen hat als ein anderer, auch in gleicher
Maße an natuͤrlichem Verſtande und an Ueberlegungs-
kraft Vorzuͤge bekommen habe. Er kann zu viel Ab-
wechſelung in den Empfindungen haben, um die ein-
zelnen ſtark genug zu faſſen und daruͤber zu denken.
Die
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 607. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/637>, abgerufen am 22.11.2024.
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