Grund der Thätigkeit zu einer lebendigen wirkenden Kraft erfodert wird, ist vorhanden.
Dieß, sage ich, ist es, was die Analogie in Hinsicht des Seelenwesens wahrscheinlich macht. Die Schwierig- keit Vorstellungen zu erwecken entsteht zunächst nicht aus einer Schwäche der reproducirenden Kraft, sondern aus objektivischen Hindernissen, die in den Vorstellun- gen selbst liegen, und in den Werkzeugen, deren Bewe- gung zur Reproduktion nothwendig ist. Und wenn her- nach die Kraft selbst abzunehmen scheint, so finden wir die Ursache davon in der abnehmenden Lebhaftigkeit der körperlichen Gefühle, wodurch sie gereizet werden muß, und ohne welche sie nichts mehr ist als die ungespannte elastische Saite, deren Spannkraft sich nicht eher äus- sert, als bis sie angezogen wird. Die ganze Natur des Abnehmens und die Symptome desselben führen bis da- hin, und auf nichts mehr. Wir haben also zum wenig- sten keinen Grund, einen innern Verlust am Vermögen, durch starke lebhafte Eindrücke gereizet thätig zu wer- den und die ruhenden Vorstellungen, wenn nur ihre in- nere Unerweckbarkeit gehoben wäre, auf die vorige Art zu bearbeiten, anzunehmen. Wäre die Seele bloß or- ganisirtes Gehirn, so wird doch dieser Theil des Körpers eben sowohl seine innern Formen behalten haben, als die äußerlichen sichtbaren. Und in diesen Formen wür- de doch so viel liegen, daß, wenn nur Lebensgeister ge- nug hineinflössen, die den Reiz vermehrten, und dann die fremden hinzugesetzten Partikeln, wodurch die Fibern steif geworden, auf die entgegengesetzte Art wieder weg- geschafft und diese wieder erweichet würden, das ehemali- ge lebhafte Spiel der Fasern von neuem von statten gehen müßte, ohne daß neue Ansätze und neue Auswickelungen dazu erfodert würden. Dieß wäre doch das wenigste. Soll- ten aber Vermögen aufhören wichtige und wahre Rea- litäten zu seyn, und eigene Beschaffenheiten in der
Kraft,
XIV. Verſ. Ueber die Perfektibilitaͤt
Grund der Thaͤtigkeit zu einer lebendigen wirkenden Kraft erfodert wird, iſt vorhanden.
Dieß, ſage ich, iſt es, was die Analogie in Hinſicht des Seelenweſens wahrſcheinlich macht. Die Schwierig- keit Vorſtellungen zu erwecken entſteht zunaͤchſt nicht aus einer Schwaͤche der reproducirenden Kraft, ſondern aus objektiviſchen Hinderniſſen, die in den Vorſtellun- gen ſelbſt liegen, und in den Werkzeugen, deren Bewe- gung zur Reproduktion nothwendig iſt. Und wenn her- nach die Kraft ſelbſt abzunehmen ſcheint, ſo finden wir die Urſache davon in der abnehmenden Lebhaftigkeit der koͤrperlichen Gefuͤhle, wodurch ſie gereizet werden muß, und ohne welche ſie nichts mehr iſt als die ungeſpannte elaſtiſche Saite, deren Spannkraft ſich nicht eher aͤuſ- ſert, als bis ſie angezogen wird. Die ganze Natur des Abnehmens und die Symptome deſſelben fuͤhren bis da- hin, und auf nichts mehr. Wir haben alſo zum wenig- ſten keinen Grund, einen innern Verluſt am Vermoͤgen, durch ſtarke lebhafte Eindruͤcke gereizet thaͤtig zu wer- den und die ruhenden Vorſtellungen, wenn nur ihre in- nere Unerweckbarkeit gehoben waͤre, auf die vorige Art zu bearbeiten, anzunehmen. Waͤre die Seele bloß or- ganiſirtes Gehirn, ſo wird doch dieſer Theil des Koͤrpers eben ſowohl ſeine innern Formen behalten haben, als die aͤußerlichen ſichtbaren. Und in dieſen Formen wuͤr- de doch ſo viel liegen, daß, wenn nur Lebensgeiſter ge- nug hineinfloͤſſen, die den Reiz vermehrten, und dann die fremden hinzugeſetzten Partikeln, wodurch die Fibern ſteif geworden, auf die entgegengeſetzte Art wieder weg- geſchafft und dieſe wieder erweichet wuͤrden, das ehemali- ge lebhafte Spiel der Faſern von neuem von ſtatten gehen muͤßte, ohne daß neue Anſaͤtze und neue Auswickelungen dazu erfodert wuͤrden. Dieß waͤre doch das wenigſte. Soll- ten aber Vermoͤgen aufhoͤren wichtige und wahre Rea- litaͤten zu ſeyn, und eigene Beſchaffenheiten in der
Kraft,
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XIV. Verſ. Ueber die Perfektibilitaͤt
Grund der Thaͤtigkeit zu einer lebendigen wirkenden
Kraft erfodert wird, iſt vorhanden.
Dieß, ſage ich, iſt es, was die Analogie in Hinſicht
des Seelenweſens wahrſcheinlich macht. Die Schwierig-
keit Vorſtellungen zu erwecken entſteht zunaͤchſt nicht
aus einer Schwaͤche der reproducirenden Kraft, ſondern
aus objektiviſchen Hinderniſſen, die in den Vorſtellun-
gen ſelbſt liegen, und in den Werkzeugen, deren Bewe-
gung zur Reproduktion nothwendig iſt. Und wenn her-
nach die Kraft ſelbſt abzunehmen ſcheint, ſo finden wir
die Urſache davon in der abnehmenden Lebhaftigkeit der
koͤrperlichen Gefuͤhle, wodurch ſie gereizet werden muß,
und ohne welche ſie nichts mehr iſt als die ungeſpannte
elaſtiſche Saite, deren Spannkraft ſich nicht eher aͤuſ-
ſert, als bis ſie angezogen wird. Die ganze Natur des
Abnehmens und die Symptome deſſelben fuͤhren bis da-
hin, und auf nichts mehr. Wir haben alſo zum wenig-
ſten keinen Grund, einen innern Verluſt am Vermoͤgen,
durch ſtarke lebhafte Eindruͤcke gereizet thaͤtig zu wer-
den und die ruhenden Vorſtellungen, wenn nur ihre in-
nere Unerweckbarkeit gehoben waͤre, auf die vorige Art
zu bearbeiten, anzunehmen. Waͤre die Seele bloß or-
ganiſirtes Gehirn, ſo wird doch dieſer Theil des Koͤrpers
eben ſowohl ſeine innern Formen behalten haben, als
die aͤußerlichen ſichtbaren. Und in dieſen Formen wuͤr-
de doch ſo viel liegen, daß, wenn nur Lebensgeiſter ge-
nug hineinfloͤſſen, die den Reiz vermehrten, und dann die
fremden hinzugeſetzten Partikeln, wodurch die Fibern
ſteif geworden, auf die entgegengeſetzte Art wieder weg-
geſchafft und dieſe wieder erweichet wuͤrden, das ehemali-
ge lebhafte Spiel der Faſern von neuem von ſtatten gehen
muͤßte, ohne daß neue Anſaͤtze und neue Auswickelungen
dazu erfodert wuͤrden. Dieß waͤre doch das wenigſte. Soll-
ten aber Vermoͤgen aufhoͤren wichtige und wahre Rea-
litaͤten zu ſeyn, und eigene Beſchaffenheiten in der
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 758. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/788>, abgerufen am 22.11.2024.
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