Veränderung so deutlich aus der Schwierigkeit vielbe- fassende Vorstellungen zu erwecken erklären, daß man fast nothwendig darauf geführt wird anzunehmen, es sey damit so, wie mit dem Gefühl des Spielers, der es an der Schwäche der Töne und an ihrem Mißklang ge- wahrwird, daß sein Jnstrument nicht mehr fort will, aber doch auch diese Verstimmung und den Widerstand gegen seine Finger eben so stark fühlt, als er vorher hörte, daß es vortreflich sey. Gehör und Urtheilskraft in ihm sind eben so thätig bey dem letztern Gewahrnehmen, als bey dem erstern. Auch bey den kindisch gewordenen Alten, die ihren vorhergehenden Zustand mit dem gegenwärti- gen nicht vergleichen können, werden doch manche Ausbrüche des innern thätigen Princips bemerkt. Bey einigen hat man Anwandlungen von jugendlichem Muthwillen wahrgenommen; und der alte Mathema- tiker, dessen ich sonsten erwehnt habe, erfand noch in seiner zwoten Kindheit Demonstrationen der euclidi- schen Lehrsätze.
Sechster
XIV. Verſ. Ueber die Perfektibilitaͤt
Veraͤnderung ſo deutlich aus der Schwierigkeit vielbe- faſſende Vorſtellungen zu erwecken erklaͤren, daß man faſt nothwendig darauf gefuͤhrt wird anzunehmen, es ſey damit ſo, wie mit dem Gefuͤhl des Spielers, der es an der Schwaͤche der Toͤne und an ihrem Mißklang ge- wahrwird, daß ſein Jnſtrument nicht mehr fort will, aber doch auch dieſe Verſtimmung und den Widerſtand gegen ſeine Finger eben ſo ſtark fuͤhlt, als er vorher hoͤrte, daß es vortreflich ſey. Gehoͤr und Urtheilskraft in ihm ſind eben ſo thaͤtig bey dem letztern Gewahrnehmen, als bey dem erſtern. Auch bey den kindiſch gewordenen Alten, die ihren vorhergehenden Zuſtand mit dem gegenwaͤrti- gen nicht vergleichen koͤnnen, werden doch manche Ausbruͤche des innern thaͤtigen Princips bemerkt. Bey einigen hat man Anwandlungen von jugendlichem Muthwillen wahrgenommen; und der alte Mathema- tiker, deſſen ich ſonſten erwehnt habe, erfand noch in ſeiner zwoten Kindheit Demonſtrationen der euclidi- ſchen Lehrſaͤtze.
Sechster
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XIV. Verſ. Ueber die Perfektibilitaͤt
Veraͤnderung ſo deutlich aus der Schwierigkeit vielbe-
faſſende Vorſtellungen zu erwecken erklaͤren, daß man
faſt nothwendig darauf gefuͤhrt wird anzunehmen, es
ſey damit ſo, wie mit dem Gefuͤhl des Spielers, der es
an der Schwaͤche der Toͤne und an ihrem Mißklang ge-
wahrwird, daß ſein Jnſtrument nicht mehr fort will,
aber doch auch dieſe Verſtimmung und den Widerſtand
gegen ſeine Finger eben ſo ſtark fuͤhlt, als er vorher hoͤrte,
daß es vortreflich ſey. Gehoͤr und Urtheilskraft in ihm ſind
eben ſo thaͤtig bey dem letztern Gewahrnehmen, als bey
dem erſtern. Auch bey den kindiſch gewordenen Alten,
die ihren vorhergehenden Zuſtand mit dem gegenwaͤrti-
gen nicht vergleichen koͤnnen, werden doch manche
Ausbruͤche des innern thaͤtigen Princips bemerkt. Bey
einigen hat man Anwandlungen von jugendlichem
Muthwillen wahrgenommen; und der alte Mathema-
tiker, deſſen ich ſonſten erwehnt habe, erfand noch in
ſeiner zwoten Kindheit Demonſtrationen der euclidi-
ſchen Lehrſaͤtze.
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 766. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/796>, abgerufen am 22.11.2024.
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