wodurch die Menschheit ausgebildet ward, zusammen- nimmt: so kann sein großer Vorzug vor dem jetzigen, das in Sklaverey und Unwissenheit versenkt ist, eben so wenig zweifelhaft seyn, als das Uebergewicht am äußern Wohlstande, an Bequemlichkeit und an Vergnügen der damaligen Zeiten und der jetzigen es ist.
Läßt sich nicht etwas ähnliches in Hinsicht des gan- zen Geschlechts behaupten? Die Geschichte zeiget uns dasselbige in den ältesten Zeiten in einem Zustande, den wir, mit dem gegenwärtigen verglichen, die Kindheit der Welt nennen können. Man hat darüber gestritten, ob die Bevölkerung vor zwey tausend Jahren größer ge- wesen sey, als jetzo; und die Resultate derer, die mit vieler Gelehrsamkeit hierüber Berechnungen gemacht, sind verschiedentlich ausgefallen. Aber wenn wir noch weiter zurückgehen, so treffen wir doch nach Aussage der glaubwürdigsten Geschichte auf Zeiten, worinn die Erde weit leerer an Menschen hat gewesen seyn müssen, als sie nun ist. Zwischen den bessern ältern Zeiten und den jetzigen hat es eine mittlere Zeit der Finsterniß und der Barbarey gegeben, die fast die ganze alte Welt bedecket und, das Vortheilhafte, was sie hatte, nicht übersehen, doch als ein Beyspiel von Verschlimmerung der Mensch- heit im Ganzen angeführet werden kann. Es scheinet doch wenigstens, als wenn die Geschichte den erstern Begriff von einer wachsenden Vervollkommnung der Menschheit, die aber langsam zunimmt, auch wohl ihre Epochen hat, in denen sie abnimmt und dennoch im Gan- zen größer wird, mehr bestätige, als den zweeten von einer beständigen Gleichheit des Ganzen. Sollten auch die künftigen Revolutionen so groß seyn, daß auf die Periode des Wachsens eine gleich große im Zurückgehen folgen und einmal die erste Kindheit der Welt wieder zurückkehren müßte, wie es nach einigen kosmologischen Hypothesen alter Philosophen zu erwarten wäre: so ist
wieder-
XIV. Verſ. Ueber die Perfektibilitaͤt
wodurch die Menſchheit ausgebildet ward, zuſammen- nimmt: ſo kann ſein großer Vorzug vor dem jetzigen, das in Sklaverey und Unwiſſenheit verſenkt iſt, eben ſo wenig zweifelhaft ſeyn, als das Uebergewicht am aͤußern Wohlſtande, an Bequemlichkeit und an Vergnuͤgen der damaligen Zeiten und der jetzigen es iſt.
Laͤßt ſich nicht etwas aͤhnliches in Hinſicht des gan- zen Geſchlechts behaupten? Die Geſchichte zeiget uns daſſelbige in den aͤlteſten Zeiten in einem Zuſtande, den wir, mit dem gegenwaͤrtigen verglichen, die Kindheit der Welt nennen koͤnnen. Man hat daruͤber geſtritten, ob die Bevoͤlkerung vor zwey tauſend Jahren groͤßer ge- weſen ſey, als jetzo; und die Reſultate derer, die mit vieler Gelehrſamkeit hieruͤber Berechnungen gemacht, ſind verſchiedentlich ausgefallen. Aber wenn wir noch weiter zuruͤckgehen, ſo treffen wir doch nach Ausſage der glaubwuͤrdigſten Geſchichte auf Zeiten, worinn die Erde weit leerer an Menſchen hat geweſen ſeyn muͤſſen, als ſie nun iſt. Zwiſchen den beſſern aͤltern Zeiten und den jetzigen hat es eine mittlere Zeit der Finſterniß und der Barbarey gegeben, die faſt die ganze alte Welt bedecket und, das Vortheilhafte, was ſie hatte, nicht uͤberſehen, doch als ein Beyſpiel von Verſchlimmerung der Menſch- heit im Ganzen angefuͤhret werden kann. Es ſcheinet doch wenigſtens, als wenn die Geſchichte den erſtern Begriff von einer wachſenden Vervollkommnung der Menſchheit, die aber langſam zunimmt, auch wohl ihre Epochen hat, in denen ſie abnimmt und dennoch im Gan- zen groͤßer wird, mehr beſtaͤtige, als den zweeten von einer beſtaͤndigen Gleichheit des Ganzen. Sollten auch die kuͤnftigen Revolutionen ſo groß ſeyn, daß auf die Periode des Wachſens eine gleich große im Zuruͤckgehen folgen und einmal die erſte Kindheit der Welt wieder zuruͤckkehren muͤßte, wie es nach einigen kosmologiſchen Hypotheſen alter Philoſophen zu erwarten waͤre: ſo iſt
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XIV. Verſ. Ueber die Perfektibilitaͤt
wodurch die Menſchheit ausgebildet ward, zuſammen-
nimmt: ſo kann ſein großer Vorzug vor dem jetzigen,
das in Sklaverey und Unwiſſenheit verſenkt iſt, eben ſo
wenig zweifelhaft ſeyn, als das Uebergewicht am aͤußern
Wohlſtande, an Bequemlichkeit und an Vergnuͤgen der
damaligen Zeiten und der jetzigen es iſt.
Laͤßt ſich nicht etwas aͤhnliches in Hinſicht des gan-
zen Geſchlechts behaupten? Die Geſchichte zeiget uns
daſſelbige in den aͤlteſten Zeiten in einem Zuſtande, den
wir, mit dem gegenwaͤrtigen verglichen, die Kindheit
der Welt nennen koͤnnen. Man hat daruͤber geſtritten,
ob die Bevoͤlkerung vor zwey tauſend Jahren groͤßer ge-
weſen ſey, als jetzo; und die Reſultate derer, die mit
vieler Gelehrſamkeit hieruͤber Berechnungen gemacht,
ſind verſchiedentlich ausgefallen. Aber wenn wir noch
weiter zuruͤckgehen, ſo treffen wir doch nach Ausſage der
glaubwuͤrdigſten Geſchichte auf Zeiten, worinn die Erde
weit leerer an Menſchen hat geweſen ſeyn muͤſſen, als
ſie nun iſt. Zwiſchen den beſſern aͤltern Zeiten und den
jetzigen hat es eine mittlere Zeit der Finſterniß und der
Barbarey gegeben, die faſt die ganze alte Welt bedecket
und, das Vortheilhafte, was ſie hatte, nicht uͤberſehen,
doch als ein Beyſpiel von Verſchlimmerung der Menſch-
heit im Ganzen angefuͤhret werden kann. Es ſcheinet
doch wenigſtens, als wenn die Geſchichte den erſtern
Begriff von einer wachſenden Vervollkommnung der
Menſchheit, die aber langſam zunimmt, auch wohl ihre
Epochen hat, in denen ſie abnimmt und dennoch im Gan-
zen groͤßer wird, mehr beſtaͤtige, als den zweeten von
einer beſtaͤndigen Gleichheit des Ganzen. Sollten auch
die kuͤnftigen Revolutionen ſo groß ſeyn, daß auf die
Periode des Wachſens eine gleich große im Zuruͤckgehen
folgen und einmal die erſte Kindheit der Welt wieder
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 770. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/800>, abgerufen am 24.11.2024.
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