Eigenmacht, und ihre Elasticität bekam keine besondere innere Bestimmung durch die Gegenwart der Kugel, auf die sie wirkte.
Wenn die gegenwärtigen Empfindungen und Vor- stellungen, das Gefallen, und was überhaupt zu den äußern Bestimmungsgründen der Aktion gerechnet werden kann, auch nichts mehr wirken, als nur, daß sie dem innern thätigen Princip den Gegenstand vor- schieben, auf den es sich anwendet; wenn sie keine solche Modifikationen sind, die zu Bestandtheilen des in- nern zureichenden Grundes der Aktion werden und dergleichen in uns auch nicht hervorbringen, so ist die Anwendung des innern Princips auf das Objekt eine ähnliche völlige Selbstthätigkeit. Da wir sogar bey Körpern Beyspiele von Handlungen finden, die aus voller Eigenmacht entstehen, so haben wir doch wohl noch weniger Ursache zu vermuthen, daß unser Selbst- gefühl uns betrüge, wenn wir dergleichen auch bey un- serer Seele gewahrnehmen.
Die Deterministen haben doch eingestanden, daß die Bewegungsgründe uns nicht ziehen, stoßen, zwingen, fortreißen, sondern nur geneigt machen, lenken, und daß wir uns selbst nach ihnen bestim- men. Sie haben den Unterschied richtig gefühlet, der wirklich da ist, aber sie haben ihn nicht deutlich erkläret.
Von dem Vermögen anders zu handeln, als wir es thun, von der Selbstmacht über uns, ist noch nicht die Rede, sondern nur von der Spontaneität der Eigenmacht. Jst es also zu bezweifeln, daß wir oftmals so selbstthätig und eigenmächtig handeln in der Art der Handlung, in ihrer Stärke, so gar in ihrer Richtung, und so unabhängig von den Objekten, auf die wir uns bestimmen, als die elastische Feder, oder als das herausspringende Wasser aus dem Gefäß, wel- ches auch die Richtung, in der es hervorströmet, in
seinem
XII. Verſuch. Ueber die Selbſtthaͤtigkeit
Eigenmacht, und ihre Elaſticitaͤt bekam keine beſondere innere Beſtimmung durch die Gegenwart der Kugel, auf die ſie wirkte.
Wenn die gegenwaͤrtigen Empfindungen und Vor- ſtellungen, das Gefallen, und was uͤberhaupt zu den aͤußern Beſtimmungsgruͤnden der Aktion gerechnet werden kann, auch nichts mehr wirken, als nur, daß ſie dem innern thaͤtigen Princip den Gegenſtand vor- ſchieben, auf den es ſich anwendet; wenn ſie keine ſolche Modifikationen ſind, die zu Beſtandtheilen des in- nern zureichenden Grundes der Aktion werden und dergleichen in uns auch nicht hervorbringen, ſo iſt die Anwendung des innern Princips auf das Objekt eine aͤhnliche voͤllige Selbſtthaͤtigkeit. Da wir ſogar bey Koͤrpern Beyſpiele von Handlungen finden, die aus voller Eigenmacht entſtehen, ſo haben wir doch wohl noch weniger Urſache zu vermuthen, daß unſer Selbſt- gefuͤhl uns betruͤge, wenn wir dergleichen auch bey un- ſerer Seele gewahrnehmen.
Die Determiniſten haben doch eingeſtanden, daß die Bewegungsgruͤnde uns nicht ziehen, ſtoßen, zwingen, fortreißen, ſondern nur geneigt machen, lenken, und daß wir uns ſelbſt nach ihnen beſtim- men. Sie haben den Unterſchied richtig gefuͤhlet, der wirklich da iſt, aber ſie haben ihn nicht deutlich erklaͤret.
Von dem Vermoͤgen anders zu handeln, als wir es thun, von der Selbſtmacht uͤber uns, iſt noch nicht die Rede, ſondern nur von der Spontaneitaͤt der Eigenmacht. Jſt es alſo zu bezweifeln, daß wir oftmals ſo ſelbſtthaͤtig und eigenmaͤchtig handeln in der Art der Handlung, in ihrer Staͤrke, ſo gar in ihrer Richtung, und ſo unabhaͤngig von den Objekten, auf die wir uns beſtimmen, als die elaſtiſche Feder, oder als das herausſpringende Waſſer aus dem Gefaͤß, wel- ches auch die Richtung, in der es hervorſtroͤmet, in
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XII. Verſuch. Ueber die Selbſtthaͤtigkeit
Eigenmacht, und ihre Elaſticitaͤt bekam keine beſondere
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auf die ſie wirkte.
Wenn die gegenwaͤrtigen Empfindungen und Vor-
ſtellungen, das Gefallen, und was uͤberhaupt zu den
aͤußern Beſtimmungsgruͤnden der Aktion gerechnet
werden kann, auch nichts mehr wirken, als nur, daß
ſie dem innern thaͤtigen Princip den Gegenſtand vor-
ſchieben, auf den es ſich anwendet; wenn ſie keine ſolche
Modifikationen ſind, die zu Beſtandtheilen des in-
nern zureichenden Grundes der Aktion werden und
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Anwendung des innern Princips auf das Objekt eine
aͤhnliche voͤllige Selbſtthaͤtigkeit. Da wir ſogar
bey Koͤrpern Beyſpiele von Handlungen finden, die aus
voller Eigenmacht entſtehen, ſo haben wir doch wohl
noch weniger Urſache zu vermuthen, daß unſer Selbſt-
gefuͤhl uns betruͤge, wenn wir dergleichen auch bey un-
ſerer Seele gewahrnehmen.
Die Determiniſten haben doch eingeſtanden, daß
die Bewegungsgruͤnde uns nicht ziehen, ſtoßen,
zwingen, fortreißen, ſondern nur geneigt machen,
lenken, und daß wir uns ſelbſt nach ihnen beſtim-
men. Sie haben den Unterſchied richtig gefuͤhlet, der
wirklich da iſt, aber ſie haben ihn nicht deutlich erklaͤret.
Von dem Vermoͤgen anders zu handeln, als wir
es thun, von der Selbſtmacht uͤber uns, iſt noch
nicht die Rede, ſondern nur von der Spontaneitaͤt
der Eigenmacht. Jſt es alſo zu bezweifeln, daß wir
oftmals ſo ſelbſtthaͤtig und eigenmaͤchtig handeln in der
Art der Handlung, in ihrer Staͤrke, ſo gar in ihrer
Richtung, und ſo unabhaͤngig von den Objekten, auf
die wir uns beſtimmen, als die elaſtiſche Feder, oder
als das herausſpringende Waſſer aus dem Gefaͤß, wel-
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/92>, abgerufen am 21.11.2024.
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