Tewes, Hermann: Menschenrassen und Völkertypen. Bd. 2. 2. Aufl. Leipzig, 1913.den Nachbarn, die entstehenden Klagen und Streitigkeiten ver- Der Beduine lebt von Viehzucht und Raub; sein Reichtum den Nachbarn, die entstehenden Klagen und Streitigkeiten ver- Der Beduine lebt von Viehzucht und Raub; sein Reichtum <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0036" n="— 32 —" corresp="http://gei-digital.gei.de/viewer/image/PPN733267742/00000036"/> den Nachbarn, die entstehenden Klagen und Streitigkeiten ver-<lb/> handelt und Fremde verpflegt werden. Das Lager wird während<lb/> der Nacht von gut abgerichteten Hunden sorgfältig bewacht, die<lb/> jede Annäherung eines Fremden verhindern.</p><lb/> <p>Der Beduine lebt von Viehzucht und Raub; sein Reichtum<lb/> besteht in seinen Herden. Mit besonderer Sorgfalt widmet er sich<lb/> der Zucht des Pferdes, und die Liebe zu diesem Tiere ist mit der<lb/> Natur des Arabers, zumal des Beduinen, unzertrennlich. Das<lb/> arabische Pferd ist ausgezeichnet durch schönen Körperbau und<lb/> berühmt durch Ausdauer und Schnelligkeit. Es ist der Liebling<lb/> der Familie, und der Araber beobachtet es mit ängstlichem Fleiße,<lb/> erlernt seine Sitten, seine Bedürfnisse, besingt es in seinen Liedern<lb/> und findet in ihm den Stoff seiner angenehmsten Unterhaltung.<lb/> Das Fohlen wird mit besonderer Sorgfalt erzogen und wie ein Glied<lb/> der Familie gehalten; man behandelt es mit Liebe und Zärtlichkeit,<lb/> schlägt es nie, mutet ihm vor allen Dingen keine Arbeit zu, die<lb/> es nicht leisten kann. Der Araber verwendet das Pferd nicht zum<lb/> Ziehen und strengt es nur im Notfalle an; die Leistungen eines<lb/> gut gezogenen Tieres edler Rasse sind dann aber auch ganz außer-<lb/> ordentliche. (Der Araber und sein Pferd von <persName>Helmuth von Moltke</persName>.)<lb/> Man führt gewissenhaft Buch über die Abstammung jedes einzelnen<lb/> Tieres, und die Geschlechtsregister mancher Pferdefamilien reichen<lb/> Jahrhunderte zurück. Die Tiere werden einige Male des Tages<lb/> getränkt, nur abends mit reiner Gerste gefüttert und stehen stets<lb/> gesattelt und gezäumt vor dem Zelte. Sie sind an die Lanzen<lb/> gebunden, die man in die Erde gesteckt hat. Bei schlechtem<lb/> Wetter nimmt der Beduine sein Pferd mit unter das Zelt. Das<lb/> edle Tier ist des Nomaden Lust und Freude; aber er könnte es<lb/> entbehren, während er ohne das Kamel nicht zu existieren vermag,<lb/> denn an das Leben dieses Tieres ist sein eigenes geknüpft. Das<lb/> Kamel gibt ihm Milch, die er täglich genießt und aus der er Butter<lb/> und Käse bereitet, Wolle, aus der Kleidungsstücke und Zelttücher<lb/> gewebt werden, und liefert ihm in seinem Fleisch die Festtags-<lb/> speise und in der Haut das Material zu Wasserschläuchen und<lb/> Sandalen. Alles von diesem Tiere wird benutzt, selbst sein Mist,<lb/> der nicht nur als Dünger Verwendung findet, sondern getrocknet<lb/> auch als Brennstoff verbraucht wird, was in der dürren Wüste<lb/> von großer Wichtigkeit ist. Das Kamel ist das Lasttier, das<lb/> allein im Sande der Wüste fortkommt, und vertritt die Stelle des<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [— 32 —/0036]
den Nachbarn, die entstehenden Klagen und Streitigkeiten ver-
handelt und Fremde verpflegt werden. Das Lager wird während
der Nacht von gut abgerichteten Hunden sorgfältig bewacht, die
jede Annäherung eines Fremden verhindern.
Der Beduine lebt von Viehzucht und Raub; sein Reichtum
besteht in seinen Herden. Mit besonderer Sorgfalt widmet er sich
der Zucht des Pferdes, und die Liebe zu diesem Tiere ist mit der
Natur des Arabers, zumal des Beduinen, unzertrennlich. Das
arabische Pferd ist ausgezeichnet durch schönen Körperbau und
berühmt durch Ausdauer und Schnelligkeit. Es ist der Liebling
der Familie, und der Araber beobachtet es mit ängstlichem Fleiße,
erlernt seine Sitten, seine Bedürfnisse, besingt es in seinen Liedern
und findet in ihm den Stoff seiner angenehmsten Unterhaltung.
Das Fohlen wird mit besonderer Sorgfalt erzogen und wie ein Glied
der Familie gehalten; man behandelt es mit Liebe und Zärtlichkeit,
schlägt es nie, mutet ihm vor allen Dingen keine Arbeit zu, die
es nicht leisten kann. Der Araber verwendet das Pferd nicht zum
Ziehen und strengt es nur im Notfalle an; die Leistungen eines
gut gezogenen Tieres edler Rasse sind dann aber auch ganz außer-
ordentliche. (Der Araber und sein Pferd von Helmuth von Moltke.)
Man führt gewissenhaft Buch über die Abstammung jedes einzelnen
Tieres, und die Geschlechtsregister mancher Pferdefamilien reichen
Jahrhunderte zurück. Die Tiere werden einige Male des Tages
getränkt, nur abends mit reiner Gerste gefüttert und stehen stets
gesattelt und gezäumt vor dem Zelte. Sie sind an die Lanzen
gebunden, die man in die Erde gesteckt hat. Bei schlechtem
Wetter nimmt der Beduine sein Pferd mit unter das Zelt. Das
edle Tier ist des Nomaden Lust und Freude; aber er könnte es
entbehren, während er ohne das Kamel nicht zu existieren vermag,
denn an das Leben dieses Tieres ist sein eigenes geknüpft. Das
Kamel gibt ihm Milch, die er täglich genießt und aus der er Butter
und Käse bereitet, Wolle, aus der Kleidungsstücke und Zelttücher
gewebt werden, und liefert ihm in seinem Fleisch die Festtags-
speise und in der Haut das Material zu Wasserschläuchen und
Sandalen. Alles von diesem Tiere wird benutzt, selbst sein Mist,
der nicht nur als Dünger Verwendung findet, sondern getrocknet
auch als Brennstoff verbraucht wird, was in der dürren Wüste
von großer Wichtigkeit ist. Das Kamel ist das Lasttier, das
allein im Sande der Wüste fortkommt, und vertritt die Stelle des
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