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Tewes, Hermann: Menschenrassen und Völkertypen. Bd. 2. 2. Aufl. Leipzig, 1913.

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aus Blei, Eisen oder Erz, mitunter auch aus hartem Lehm oder
runden Kieseln, die jede für sich in Tierhaut eingenäht sind. Sie
werden an derbe Riemen von 1 m Länge befestigt und mit-
einander verbunden, indem man die Enden der Riemen zusammen-
knüpft. Die eine Kugel, die meist eiförmig, kleiner und aus
leichterem Stein ist, nimmt der Patagonier in die Hand und
schwingt die beiden andern horizontal um den Kopf herum. Wenn
er den Kugeln die nötige Kraft gegeben und das verfolgte Tier
bis auf ungefähr 20 Schritt erreicht hat, läßt er sie los; sie fliegen
so, daß beim Anprall des Riemens auf das flüchtige Wild die Schlag-
kugeln sich um Hals oder Beine herumschwingen und das Tier
erwürgen oder zu Boden reißen und unfähig machen, die Flucht
fortzusetzen. Die alten Bolas, die bei manchen heute noch in
Gebrauch sind, waren zwei Steinkugeln mit Rinne zur Befestigung
des Riemens oder der aus Guanako- oder Straußensehnen gefloch-
tenen Schnur, die neueren sind Metallkugeln ohne Rinne und in
Leder genäht. Die dreikugelige Bola wird bei der Jagd auf
Guanakos, die zweikugelige bei der Straußenjagd angewendet.
Die Handhabung der Bolas erfordert große Geschicklichkeit und
lange Übung, und ein Neuling verwundet sich oder sein Tier nicht
selten lebensgefährlich. Eine Kugel aus demselben Stoff ist eine
gefährliche Schußwaffe in der Hand des Patagoniers und wird an
kurzem Riemen im Handgemenge auch zum Schlagen, also ähnlich
wie ein Streithammer, gebraucht. Größere Tiere, wie Pferde und
Rinder, werden mit dem Lasso gejagt. Diese auch bei den nord-
amerikanischen Indianerstämmen und vor allem bei den Gauchos
bekannte Waffe ist eine lange Schnur aus zusammengeflochtenen,
dünnen Lederriemen mit einem Ring am Ende, mit dessen Hilfe
eine Schlinge gebildet werden kann. Der Lasso ist 10 m lang
und am Sattel befestigt, wird mit sicherem Blick geworfen und
reißt, indem die Schlinge sich zuzieht, das verfolgte Wild oder den
Feind zu Boden, weil das gut dressierte Pferd sofort stehen bleibt
oder sich wendet, wenn der Wurf geschehen ist. Die hölzernen
mit Eisenspitzen versehenen Lanzen der Patagonier sind bedeutend
länger und schwerer als die leichten Bambusrohrlanzen der benach-
barten Indianerstämme.

Guanako und Strauß sind im Haushalte der Patagonier die
wichtigsten Tiere, denn ihr Fleisch bildet das Hauptnahrungsmittel
dieser Nomaden. Auf unserm Bilde sehen wir im Vordergründe

aus Blei, Eisen oder Erz, mitunter auch aus hartem Lehm oder
runden Kieseln, die jede für sich in Tierhaut eingenäht sind. Sie
werden an derbe Riemen von 1 m Länge befestigt und mit-
einander verbunden, indem man die Enden der Riemen zusammen-
knüpft. Die eine Kugel, die meist eiförmig, kleiner und aus
leichterem Stein ist, nimmt der Patagonier in die Hand und
schwingt die beiden andern horizontal um den Kopf herum. Wenn
er den Kugeln die nötige Kraft gegeben und das verfolgte Tier
bis auf ungefähr 20 Schritt erreicht hat, läßt er sie los; sie fliegen
so, daß beim Anprall des Riemens auf das flüchtige Wild die Schlag-
kugeln sich um Hals oder Beine herumschwingen und das Tier
erwürgen oder zu Boden reißen und unfähig machen, die Flucht
fortzusetzen. Die alten Bolas, die bei manchen heute noch in
Gebrauch sind, waren zwei Steinkugeln mit Rinne zur Befestigung
des Riemens oder der aus Guanako- oder Straußensehnen gefloch-
tenen Schnur, die neueren sind Metallkugeln ohne Rinne und in
Leder genäht. Die dreikugelige Bola wird bei der Jagd auf
Guanakos, die zweikugelige bei der Straußenjagd angewendet.
Die Handhabung der Bolas erfordert große Geschicklichkeit und
lange Übung, und ein Neuling verwundet sich oder sein Tier nicht
selten lebensgefährlich. Eine Kugel aus demselben Stoff ist eine
gefährliche Schußwaffe in der Hand des Patagoniers und wird an
kurzem Riemen im Handgemenge auch zum Schlagen, also ähnlich
wie ein Streithammer, gebraucht. Größere Tiere, wie Pferde und
Rinder, werden mit dem Lasso gejagt. Diese auch bei den nord-
amerikanischen Indianerstämmen und vor allem bei den Gauchos
bekannte Waffe ist eine lange Schnur aus zusammengeflochtenen,
dünnen Lederriemen mit einem Ring am Ende, mit dessen Hilfe
eine Schlinge gebildet werden kann. Der Lasso ist 10 m lang
und am Sattel befestigt, wird mit sicherem Blick geworfen und
reißt, indem die Schlinge sich zuzieht, das verfolgte Wild oder den
Feind zu Boden, weil das gut dressierte Pferd sofort stehen bleibt
oder sich wendet, wenn der Wurf geschehen ist. Die hölzernen
mit Eisenspitzen versehenen Lanzen der Patagonier sind bedeutend
länger und schwerer als die leichten Bambusrohrlanzen der benach-
barten Indianerstämme.

Guanako und Strauß sind im Haushalte der Patagonier die
wichtigsten Tiere, denn ihr Fleisch bildet das Hauptnahrungsmittel
dieser Nomaden. Auf unserm Bilde sehen wir im Vordergründe

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Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: ignoriert; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




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Zitationshilfe: Tewes, Hermann: Menschenrassen und Völkertypen. Bd. 2. 2. Aufl. Leipzig, 1913, S. — 43 —. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tewes_menschenrassen_1913/47>, abgerufen am 21.11.2024.