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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 1. Berlin, 1809.

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Direktion der Wirthschaft.
überdem in den Ruf eines Kornwucherers kommt. Deshalb wird mit wenigen Aus-
nahmen und Bedingungen die allgemeine Regel wohl die bleiben: daß die beste Zeit
zum Verfahren der Produkte diejenige sey, wo die andern Geschäfte am wenigsten
darunter leiden.

Allerdings kommt auch bei dem längern Aufbewahren des Getreides der Verlust
in Betracht, den das Eintrocknen mit sich bringt, und derjenige, welcher unvermeid-
lich von Mäusen und Insekten oft entsteht; nicht weniger das Risiko, welchem lange
aufbewahrtes Getreide immer ausgesetzt ist.

§. 219.

Die muthmaßliche Vorausberechnung der Preise ist allemal trüglich; und wennPreise. Wahr-
scheinlichkeit
ihres Stei-
gens oder
Fallens.

sich gleich unter besondern Lokalitäten im Allgemeinen und im großen
Durchschnitte darüber mit Zuverlässigkeit etwas annehmen läßt, so treten doch sehr
häufig Anomalien ein, weil die Konjunkturen, die auf das Steigen und Fallen der
Marktpreise Einfluß haben, zu mannigfaltig sind, und durch unzuberechnende Zu-
fälligkeiten herbeigeführt werden.

Der Marktpreis hängt bekanntlich von dem Verhältnisse der Nachfrage zum
Anbieten ab. Kann jene durch das zum Verkauf angebotene Produkt nicht befriedigt
werden, so überbieten sich die Käufer, und der Preis steigt, und zwar oft über alles
Verhältniß des Bedarfs zum Vorrath. Es brauchen nur einige Markttage etliche
Scheffel Getreide weniger da zu seyn, als verlangt werden, so können diese wenigen
fehlenden Scheffel die Preise beträchtlich in die Höhe bringen. Umgekehrt aber fällt
der Preis, sobald mehr Waare vorhanden ist, als gesucht wird, indem nun die Ver-
käufer gezwungen sind, durch herabgesetzten Preis Käufer zum Kaufe zu vermögen,
die sonst nicht gekauft haben würden.

Wenn man das Bedürfniß der Märkte und das Quantum der Produkte, wo-
durch jenes befriedigt werden kann, wissen könnte, so würde es sich vielleicht auf das
ganze Jahr berechnen lassen, wie hoch der Preis im Durchschnitt zu stehen kommen
würde. Ueberwiegt letzteres das erste nicht beträchtlich, so kann man gewiß anneh-
men, daß hohe Preise eintreten werden, und zwar oft um so höhere in der Folge,
je geringer sie anfangs waren.

In einzelnen Perioden ist es aber häufig nicht sowohl der größere oder
geringere Getreidevorrath, als die Meinung, welche sich darüber im Publikum ver-

Direktion der Wirthſchaft.
uͤberdem in den Ruf eines Kornwucherers kommt. Deshalb wird mit wenigen Aus-
nahmen und Bedingungen die allgemeine Regel wohl die bleiben: daß die beſte Zeit
zum Verfahren der Produkte diejenige ſey, wo die andern Geſchaͤfte am wenigſten
darunter leiden.

Allerdings kommt auch bei dem laͤngern Aufbewahren des Getreides der Verluſt
in Betracht, den das Eintrocknen mit ſich bringt, und derjenige, welcher unvermeid-
lich von Maͤuſen und Inſekten oft entſteht; nicht weniger das Riſiko, welchem lange
aufbewahrtes Getreide immer ausgeſetzt iſt.

§. 219.

Die muthmaßliche Vorausberechnung der Preiſe iſt allemal truͤglich; und wennPreiſe. Wahr-
ſcheinlichkeit
ihres Stei-
gens oder
Fallens.

ſich gleich unter beſondern Lokalitaͤten im Allgemeinen und im großen
Durchſchnitte daruͤber mit Zuverlaͤſſigkeit etwas annehmen laͤßt, ſo treten doch ſehr
haͤufig Anomalien ein, weil die Konjunkturen, die auf das Steigen und Fallen der
Marktpreiſe Einfluß haben, zu mannigfaltig ſind, und durch unzuberechnende Zu-
faͤlligkeiten herbeigefuͤhrt werden.

Der Marktpreis haͤngt bekanntlich von dem Verhaͤltniſſe der Nachfrage zum
Anbieten ab. Kann jene durch das zum Verkauf angebotene Produkt nicht befriedigt
werden, ſo uͤberbieten ſich die Kaͤufer, und der Preis ſteigt, und zwar oft uͤber alles
Verhaͤltniß des Bedarfs zum Vorrath. Es brauchen nur einige Markttage etliche
Scheffel Getreide weniger da zu ſeyn, als verlangt werden, ſo koͤnnen dieſe wenigen
fehlenden Scheffel die Preiſe betraͤchtlich in die Hoͤhe bringen. Umgekehrt aber faͤllt
der Preis, ſobald mehr Waare vorhanden iſt, als geſucht wird, indem nun die Ver-
kaͤufer gezwungen ſind, durch herabgeſetzten Preis Kaͤufer zum Kaufe zu vermoͤgen,
die ſonſt nicht gekauft haben wuͤrden.

Wenn man das Beduͤrfniß der Maͤrkte und das Quantum der Produkte, wo-
durch jenes befriedigt werden kann, wiſſen koͤnnte, ſo wuͤrde es ſich vielleicht auf das
ganze Jahr berechnen laſſen, wie hoch der Preis im Durchſchnitt zu ſtehen kommen
wuͤrde. Ueberwiegt letzteres das erſte nicht betraͤchtlich, ſo kann man gewiß anneh-
men, daß hohe Preiſe eintreten werden, und zwar oft um ſo hoͤhere in der Folge,
je geringer ſie anfangs waren.

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geringere Getreidevorrath, als die Meinung, welche ſich daruͤber im Publikum ver-

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[199/0229] Direktion der Wirthſchaft. uͤberdem in den Ruf eines Kornwucherers kommt. Deshalb wird mit wenigen Aus- nahmen und Bedingungen die allgemeine Regel wohl die bleiben: daß die beſte Zeit zum Verfahren der Produkte diejenige ſey, wo die andern Geſchaͤfte am wenigſten darunter leiden. Allerdings kommt auch bei dem laͤngern Aufbewahren des Getreides der Verluſt in Betracht, den das Eintrocknen mit ſich bringt, und derjenige, welcher unvermeid- lich von Maͤuſen und Inſekten oft entſteht; nicht weniger das Riſiko, welchem lange aufbewahrtes Getreide immer ausgeſetzt iſt. §. 219. Die muthmaßliche Vorausberechnung der Preiſe iſt allemal truͤglich; und wenn ſich gleich unter beſondern Lokalitaͤten im Allgemeinen und im großen Durchſchnitte daruͤber mit Zuverlaͤſſigkeit etwas annehmen laͤßt, ſo treten doch ſehr haͤufig Anomalien ein, weil die Konjunkturen, die auf das Steigen und Fallen der Marktpreiſe Einfluß haben, zu mannigfaltig ſind, und durch unzuberechnende Zu- faͤlligkeiten herbeigefuͤhrt werden. Preiſe. Wahr- ſcheinlichkeit ihres Stei- gens oder Fallens. Der Marktpreis haͤngt bekanntlich von dem Verhaͤltniſſe der Nachfrage zum Anbieten ab. Kann jene durch das zum Verkauf angebotene Produkt nicht befriedigt werden, ſo uͤberbieten ſich die Kaͤufer, und der Preis ſteigt, und zwar oft uͤber alles Verhaͤltniß des Bedarfs zum Vorrath. Es brauchen nur einige Markttage etliche Scheffel Getreide weniger da zu ſeyn, als verlangt werden, ſo koͤnnen dieſe wenigen fehlenden Scheffel die Preiſe betraͤchtlich in die Hoͤhe bringen. Umgekehrt aber faͤllt der Preis, ſobald mehr Waare vorhanden iſt, als geſucht wird, indem nun die Ver- kaͤufer gezwungen ſind, durch herabgeſetzten Preis Kaͤufer zum Kaufe zu vermoͤgen, die ſonſt nicht gekauft haben wuͤrden. Wenn man das Beduͤrfniß der Maͤrkte und das Quantum der Produkte, wo- durch jenes befriedigt werden kann, wiſſen koͤnnte, ſo wuͤrde es ſich vielleicht auf das ganze Jahr berechnen laſſen, wie hoch der Preis im Durchſchnitt zu ſtehen kommen wuͤrde. Ueberwiegt letzteres das erſte nicht betraͤchtlich, ſo kann man gewiß anneh- men, daß hohe Preiſe eintreten werden, und zwar oft um ſo hoͤhere in der Folge, je geringer ſie anfangs waren. In einzelnen Perioden iſt es aber haͤufig nicht ſowohl der groͤßere oder geringere Getreidevorrath, als die Meinung, welche ſich daruͤber im Publikum ver-

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Zitationshilfe: Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft01_1809/229>, abgerufen am 27.11.2024.