Obwohl uns die Natur verschiedene anorganische Materien darbietet, wo-Die Nahrung der Pflanzen. durch die Vegetation entweder mittelst eines Reizes, den sie der Lebensthätigkeit geben, oder mittelst ihrer zersetzenden Wirkung auf dem Moder belebt und ver- stärkt werden kann; so ist es doch eigentlich nur der thierisch-vegetabilische Dün- ger oder jener im gerechten Zustande der Zersetzbarkeit befindliche Moder (Humus), welcher den Pflanzen den wesentlichsten und nothwendigen Theil ihrer Nahrung giebt. Ich sage den wesentlichsten; denn es ist unbezweifelt, daß sie auch durch die Zersetzung des Wassers und der gasförmig in der Atmosphäre enthalte- nen Stoffe und deren Verbindung einen andern Theil ihrer Nahrung erhalten, und daß durch das Hinzutreten dieser Stoffe die Masse der vegetabilischen Materie auf der Oberfläche des Erdbodens und auf jeder Ackerfläche sich vermehren würde, wenn man die darauf hervorgewachsenen Pflanzen nicht entfernte, sondern wieder auf ihrem Platze in Moder übergehen ließe, wie die oft unerschöpflich schei- nende Fruchtbarkeit des unkultivirten Bodens oder der alten Wälder bezeugt.
Daß aber aus der eigentlichen unzersetzbaren und feuerbeständigen Erde nichts bedeutendes in die Vegetation übergehe, diese also nur instrumentell zur Schützung und Haltung der Pflanzenwurzeln und zur Aufbewahrung der Nah- rungsstoffe, nicht materiell als Nahrungsstoff selbst, wirke, haben neuerlichst die Saussureschen und Schraderschen Analysen noch mehr bestätiget.
§. 251.
Da also die Pflanzen die nährende Materie aus dem Humus oder dem Rück-Sie wird durch den Wachsthum der Pflanzen erschöpft. stande der thierischen und vegetabilischen Verwesung ziehen, so muß diese durch den Wachsthum der Pflanzen im Boden vermindert und endlich erschöpft werden, und zwar in dem Verhältnisse, worin diese Pflanzen solche ausziehn, oder was einerlei ist, in sich enthalten; vorausgesetzt nämlich, daß sie von dem Acker ab- geerntet und weggeführt werden.
§. 252.
Nach dem Verhältnisse, worin sich die nahrungsfähige Materie (worunter wir denjenigen Theil des Moders, der sich in einem Zustande befindet, worin er zu einem Uebergange in die Pflanzen geschickt ist, hinfort verstehen werden) im Boden befindet, richtet sich die Stärke der Vegetation und die Masse jedes ein-
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der Futterung und des Viehſtandes.
§. 250.
Obwohl uns die Natur verſchiedene anorganiſche Materien darbietet, wo-Die Nahrung der Pflanzen. durch die Vegetation entweder mittelſt eines Reizes, den ſie der Lebensthaͤtigkeit geben, oder mittelſt ihrer zerſetzenden Wirkung auf dem Moder belebt und ver- ſtaͤrkt werden kann; ſo iſt es doch eigentlich nur der thieriſch-vegetabiliſche Duͤn- ger oder jener im gerechten Zuſtande der Zerſetzbarkeit befindliche Moder (Humus), welcher den Pflanzen den weſentlichſten und nothwendigen Theil ihrer Nahrung giebt. Ich ſage den weſentlichſten; denn es iſt unbezweifelt, daß ſie auch durch die Zerſetzung des Waſſers und der gasfoͤrmig in der Atmoſphaͤre enthalte- nen Stoffe und deren Verbindung einen andern Theil ihrer Nahrung erhalten, und daß durch das Hinzutreten dieſer Stoffe die Maſſe der vegetabiliſchen Materie auf der Oberflaͤche des Erdbodens und auf jeder Ackerflaͤche ſich vermehren wuͤrde, wenn man die darauf hervorgewachſenen Pflanzen nicht entfernte, ſondern wieder auf ihrem Platze in Moder uͤbergehen ließe, wie die oft unerſchoͤpflich ſchei- nende Fruchtbarkeit des unkultivirten Bodens oder der alten Waͤlder bezeugt.
Daß aber aus der eigentlichen unzerſetzbaren und feuerbeſtaͤndigen Erde nichts bedeutendes in die Vegetation uͤbergehe, dieſe alſo nur inſtrumentell zur Schuͤtzung und Haltung der Pflanzenwurzeln und zur Aufbewahrung der Nah- rungsſtoffe, nicht materiell als Nahrungsſtoff ſelbſt, wirke, haben neuerlichſt die Sauſſureſchen und Schraderſchen Analyſen noch mehr beſtaͤtiget.
§. 251.
Da alſo die Pflanzen die naͤhrende Materie aus dem Humus oder dem Ruͤck-Sie wird durch den Wachsthum der Pflanzen erſchoͤpft. ſtande der thieriſchen und vegetabiliſchen Verweſung ziehen, ſo muß dieſe durch den Wachsthum der Pflanzen im Boden vermindert und endlich erſchoͤpft werden, und zwar in dem Verhaͤltniſſe, worin dieſe Pflanzen ſolche ausziehn, oder was einerlei iſt, in ſich enthalten; vorausgeſetzt naͤmlich, daß ſie von dem Acker ab- geerntet und weggefuͤhrt werden.
§. 252.
Nach dem Verhaͤltniſſe, worin ſich die nahrungsfaͤhige Materie (worunter wir denjenigen Theil des Moders, der ſich in einem Zuſtande befindet, worin er zu einem Uebergange in die Pflanzen geſchickt iſt, hinfort verſtehen werden) im Boden befindet, richtet ſich die Staͤrke der Vegetation und die Maſſe jedes ein-
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der Futterung und des Viehſtandes.
§. 250.
Obwohl uns die Natur verſchiedene anorganiſche Materien darbietet, wo-
durch die Vegetation entweder mittelſt eines Reizes, den ſie der Lebensthaͤtigkeit
geben, oder mittelſt ihrer zerſetzenden Wirkung auf dem Moder belebt und ver-
ſtaͤrkt werden kann; ſo iſt es doch eigentlich nur der thieriſch-vegetabiliſche Duͤn-
ger oder jener im gerechten Zuſtande der Zerſetzbarkeit befindliche Moder (Humus),
welcher den Pflanzen den weſentlichſten und nothwendigen Theil ihrer Nahrung
giebt. Ich ſage den weſentlichſten; denn es iſt unbezweifelt, daß ſie auch
durch die Zerſetzung des Waſſers und der gasfoͤrmig in der Atmoſphaͤre enthalte-
nen Stoffe und deren Verbindung einen andern Theil ihrer Nahrung erhalten,
und daß durch das Hinzutreten dieſer Stoffe die Maſſe der vegetabiliſchen Materie
auf der Oberflaͤche des Erdbodens und auf jeder Ackerflaͤche ſich vermehren wuͤrde,
wenn man die darauf hervorgewachſenen Pflanzen nicht entfernte, ſondern wieder
auf ihrem Platze in Moder uͤbergehen ließe, wie die oft unerſchoͤpflich ſchei-
nende Fruchtbarkeit des unkultivirten Bodens oder der alten Waͤlder bezeugt.
Die Nahrung
der Pflanzen.
Daß aber aus der eigentlichen unzerſetzbaren und feuerbeſtaͤndigen Erde
nichts bedeutendes in die Vegetation uͤbergehe, dieſe alſo nur inſtrumentell zur
Schuͤtzung und Haltung der Pflanzenwurzeln und zur Aufbewahrung der Nah-
rungsſtoffe, nicht materiell als Nahrungsſtoff ſelbſt, wirke, haben neuerlichſt die
Sauſſureſchen und Schraderſchen Analyſen noch mehr beſtaͤtiget.
§. 251.
Da alſo die Pflanzen die naͤhrende Materie aus dem Humus oder dem Ruͤck-
ſtande der thieriſchen und vegetabiliſchen Verweſung ziehen, ſo muß dieſe durch
den Wachsthum der Pflanzen im Boden vermindert und endlich erſchoͤpft werden,
und zwar in dem Verhaͤltniſſe, worin dieſe Pflanzen ſolche ausziehn, oder was
einerlei iſt, in ſich enthalten; vorausgeſetzt naͤmlich, daß ſie von dem Acker ab-
geerntet und weggefuͤhrt werden.
Sie wird
durch den
Wachsthum
der Pflanzen
erſchoͤpft.
§. 252.
Nach dem Verhaͤltniſſe, worin ſich die nahrungsfaͤhige Materie (worunter
wir denjenigen Theil des Moders, der ſich in einem Zuſtande befindet, worin er
zu einem Uebergange in die Pflanzen geſchickt iſt, hinfort verſtehen werden) im
Boden befindet, richtet ſich die Staͤrke der Vegetation und die Maſſe jedes ein-
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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft01_1809/279>, abgerufen am 16.07.2024.
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