Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 1. Berlin, 1809.Begriff der rationellen Landwirthschaft. §. 12. Die wissenschaftliche Lehre der Landwirthschaft muß, ohne specielle Regeln zu §. 13. Wissenschaftlich ist die Landwirthschaft nur in einzelnen Theilen, nicht im ganzen Alle Wissenschaften dieser Art haben nur Fortschritte durch solche Köpfe gemacht, Begriff der rationellen Landwirthſchaft. §. 12. Die wiſſenſchaftliche Lehre der Landwirthſchaft muß, ohne ſpecielle Regeln zu §. 13. Wiſſenſchaftlich iſt die Landwirthſchaft nur in einzelnen Theilen, nicht im ganzen Alle Wiſſenſchaften dieſer Art haben nur Fortſchritte durch ſolche Koͤpfe gemacht, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0036" n="6"/> <fw place="top" type="header">Begriff der rationellen <choice><sic>Landwirhſchaft</sic><corr>Landwirthſchaft</corr></choice>.</fw><lb/> <div n="3"> <head>§. 12.</head><lb/> <p>Die wiſſenſchaftliche Lehre der Landwirthſchaft muß, ohne ſpecielle Regeln zu<lb/> geben, die Reſultate der bisher gemachten Erfahrungen und des Nachdenkens kennen<lb/> und wuͤrdigen lehren, ſie bis auf ihren erforſchbaren tiefſten Grund erklaͤren, Licht<lb/> uͤber alle Operationen verbreiten, den Grund und Ungrund angenommener Meinun-<lb/> gen aufdecken, und in jedem individuellen Falle zur Selbſterfindung der Regel fuͤhren,<lb/> die wir zu befolgen haben, und jeden Erfolg derſelben vorauszuſehen und zu berech-<lb/> nen lehren. Da der wiſſenſchaftliche Landwirth dieſe ſelbſt erfundene Regel immer<lb/> richtiger verſteht, wie die von einem andern mitgetheilte, und ſie ſich im Momente<lb/> der Anwendung ſeinem Verſtande klarer darſtellt, ſo wird er ſie vollkommener aus-<lb/> fuͤhren, und jede waͤhrend der Ausfuͤhrung noͤthige Modification treffen. Nur dieſe<lb/> wiſſenſchaftliche Lehre kann die Widerſpruͤche der von einzelnen Wahrnehmungen ab-<lb/> gezogenen Regeln vereinigen, und die Erfahrungen ſichten und laͤutern. Sie erweckt<lb/> das Talent uͤber alle bei der Ausfuͤhrung des Gewerbes vorkommenden Faͤlle, ſelbſt zu<lb/> urtheilen und auf eigenes Urtheil einen Entſchluß zu gruͤnden. Auch ſetzt ſie uns<lb/> allein in den Stand, uͤber das Verfahren anderer richtig zu urtheilen, und lehrt<lb/> uns, voreiligen Tadel zuruͤckzuhalten, zu welchem der bloß kunſtgerechte Landwirth ſo<lb/> geneigt iſt.</p> </div><lb/> <div n="3"> <head>§. 13.</head><lb/> <p>Wiſſenſchaftlich iſt die Landwirthſchaft nur in einzelnen Theilen, nicht im ganzen<lb/> Zuſammenhange und von allgemein guͤltigen Gruͤnden ausgehend, gelehrt worden.<lb/> Die Lehre war entweder bloß empiriſch, auf beſondere Lokalitaͤten und individuelle<lb/> Anſichten gegruͤndet, oder, wenn ſie ſyſtematiſch und allumfaſſend ſeyn ſollte, eine<lb/> Compilation von Fragmenten, ein Gemenge widerſprechender Reſultate heterogener<lb/> Erfahrungen.</p><lb/> <p>Alle Wiſſenſchaften dieſer Art haben nur Fortſchritte durch ſolche Koͤpfe gemacht,<lb/> welche Theorie und eigene Praxis — Wiſſenſchaft und Ausfuͤhrung — vereinigten.<lb/> Die Theorie des Ackerbaues hat bisher faſt nur ſolche Koͤpfe beſchaͤftigt, die wenig<lb/> Praxis und Gelegenheit zu Beobachtungen und Pruͤfungen hatten. Dagegen hatten<lb/> die Praktiker nur <hi rendition="#g">ihre</hi> Wirthſchaftsart vor Augen, und zu wenig Bekanntſchaft<lb/> mit den Erfahrungen anderer und den Entdeckungen der Naturforſcher. Und da es<lb/> ihnen uͤberdem an mathematiſchen, logiſchen und Sprachbegriffen fehlte, ſo verirr-<lb/> ten ſie ſich, ſobald ſie aus ihrer engern oder weitern Sphaͤre heraustraten.</p> </div> </div><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [6/0036]
Begriff der rationellen Landwirthſchaft.
§. 12.
Die wiſſenſchaftliche Lehre der Landwirthſchaft muß, ohne ſpecielle Regeln zu
geben, die Reſultate der bisher gemachten Erfahrungen und des Nachdenkens kennen
und wuͤrdigen lehren, ſie bis auf ihren erforſchbaren tiefſten Grund erklaͤren, Licht
uͤber alle Operationen verbreiten, den Grund und Ungrund angenommener Meinun-
gen aufdecken, und in jedem individuellen Falle zur Selbſterfindung der Regel fuͤhren,
die wir zu befolgen haben, und jeden Erfolg derſelben vorauszuſehen und zu berech-
nen lehren. Da der wiſſenſchaftliche Landwirth dieſe ſelbſt erfundene Regel immer
richtiger verſteht, wie die von einem andern mitgetheilte, und ſie ſich im Momente
der Anwendung ſeinem Verſtande klarer darſtellt, ſo wird er ſie vollkommener aus-
fuͤhren, und jede waͤhrend der Ausfuͤhrung noͤthige Modification treffen. Nur dieſe
wiſſenſchaftliche Lehre kann die Widerſpruͤche der von einzelnen Wahrnehmungen ab-
gezogenen Regeln vereinigen, und die Erfahrungen ſichten und laͤutern. Sie erweckt
das Talent uͤber alle bei der Ausfuͤhrung des Gewerbes vorkommenden Faͤlle, ſelbſt zu
urtheilen und auf eigenes Urtheil einen Entſchluß zu gruͤnden. Auch ſetzt ſie uns
allein in den Stand, uͤber das Verfahren anderer richtig zu urtheilen, und lehrt
uns, voreiligen Tadel zuruͤckzuhalten, zu welchem der bloß kunſtgerechte Landwirth ſo
geneigt iſt.
§. 13.
Wiſſenſchaftlich iſt die Landwirthſchaft nur in einzelnen Theilen, nicht im ganzen
Zuſammenhange und von allgemein guͤltigen Gruͤnden ausgehend, gelehrt worden.
Die Lehre war entweder bloß empiriſch, auf beſondere Lokalitaͤten und individuelle
Anſichten gegruͤndet, oder, wenn ſie ſyſtematiſch und allumfaſſend ſeyn ſollte, eine
Compilation von Fragmenten, ein Gemenge widerſprechender Reſultate heterogener
Erfahrungen.
Alle Wiſſenſchaften dieſer Art haben nur Fortſchritte durch ſolche Koͤpfe gemacht,
welche Theorie und eigene Praxis — Wiſſenſchaft und Ausfuͤhrung — vereinigten.
Die Theorie des Ackerbaues hat bisher faſt nur ſolche Koͤpfe beſchaͤftigt, die wenig
Praxis und Gelegenheit zu Beobachtungen und Pruͤfungen hatten. Dagegen hatten
die Praktiker nur ihre Wirthſchaftsart vor Augen, und zu wenig Bekanntſchaft
mit den Erfahrungen anderer und den Entdeckungen der Naturforſcher. Und da es
ihnen uͤberdem an mathematiſchen, logiſchen und Sprachbegriffen fehlte, ſo verirr-
ten ſie ſich, ſobald ſie aus ihrer engern oder weitern Sphaͤre heraustraten.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |