Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 1. Berlin, 1809.

Bild:
<< vorherige Seite
Der Fruchtwechsel.

Wenn dieses System, sagten ferner die Gegner, für eine so vieles Fleisch
konsumirende Nation, wie die Engländer, passend sey, so sey es doch für uns
nicht also, weil die Mehrheit der Deutschen größtentheils von vegetabilischen
Nahrungsmitteln lebe. Denn dieses System verlange die Hälfte des Ackers zur
Viehfutterung. Koppelwirthe konnten diese Einwendung nicht machen, weil auch
diese mindestens die Hälfte der Viehnahrung widmen. Aber die Dreifelderwirthe
beriefen sich auf ihre stärkere Aussaat. Es läßt sich ihnen aber leicht erweisen,
daß sie, selbst abgesehen von den großen Weideräumen und Wiesen, die sie ge-
brauchen, wenn ihre Wirthschaft in einiger Kraft bleiben soll, doch selbst von
ihrem pflugbaren Acker nicht die Hälfte zur Nahrung der Menschen verwenden,
denn sie müssen ihr Zugvieh fast allein mit Körnern ernähren, und ihrem Nutz-
viehe damit häufig aufhelfen. Dagegen kann bei diesem Wirthschaftssysteme al-
les erbaute Getreide zur menschlichen Nahrung verwandt werden, da die Futter-
ernte zur Ernährung des stärksten Viehstapels zureicht. Es gehören ferner zu den
Wechselfrüchten, welche die Hälfte des Ackers einnehmen, auch alle Hülsenfrüchte,
besonders die behackten Bohnen, Wicken und Erbsen. Endlich vertreten so viele
Handelsgewächse, die während ihrer Vegetation Bearbeitung leiden, wie schon
öfter gesagt worden, die Stelle der Vorfrüchte für das Getreide, sobald sich näm-
lich eine Wirthschaft in den Düngerstand gesetzt hat, daß sie diese ohne Er-
schöpfung ihres Ackers bauen, und sich mit geringer Futtererzeugung be-
helfen kann.

§. 368.

Zwei vortreffliche Schriftsteller, der Amtsrath Karbe in seiner Ein-
führung der englischen Wechselwirthschaft
und der durchlauchtige
Herzog Friedrich zu Schleswig Hollstein Beck über die Wech-
selwirthschaft und deren Verbindung mit der Stallfutterung
,
haben dies System gründlich vorgetragen, und auf unsere Verhältnisse modifizirt,
den großen Nutzen, welche dessen allgemeine Einführung haben würde, gezeigt.
Es sind gegenwärtig in Dännemark, Schlesien, der Mark Brandenburg, Sach-
sen
, Franken, Westphalen, ja selbst bis nach Kur- und Esthland hinauf unzählige
Beispiele davon aufgestellt. Der Erfolg bestätiget allgemein den Werth des

Systemes,
Der Fruchtwechſel.

Wenn dieſes Syſtem, ſagten ferner die Gegner, fuͤr eine ſo vieles Fleiſch
konſumirende Nation, wie die Englaͤnder, paſſend ſey, ſo ſey es doch fuͤr uns
nicht alſo, weil die Mehrheit der Deutſchen groͤßtentheils von vegetabiliſchen
Nahrungsmitteln lebe. Denn dieſes Syſtem verlange die Haͤlfte des Ackers zur
Viehfutterung. Koppelwirthe konnten dieſe Einwendung nicht machen, weil auch
dieſe mindeſtens die Haͤlfte der Viehnahrung widmen. Aber die Dreifelderwirthe
beriefen ſich auf ihre ſtaͤrkere Ausſaat. Es laͤßt ſich ihnen aber leicht erweiſen,
daß ſie, ſelbſt abgeſehen von den großen Weideraͤumen und Wieſen, die ſie ge-
brauchen, wenn ihre Wirthſchaft in einiger Kraft bleiben ſoll, doch ſelbſt von
ihrem pflugbaren Acker nicht die Haͤlfte zur Nahrung der Menſchen verwenden,
denn ſie muͤſſen ihr Zugvieh faſt allein mit Koͤrnern ernaͤhren, und ihrem Nutz-
viehe damit haͤufig aufhelfen. Dagegen kann bei dieſem Wirthſchaftsſyſteme al-
les erbaute Getreide zur menſchlichen Nahrung verwandt werden, da die Futter-
ernte zur Ernaͤhrung des ſtaͤrkſten Viehſtapels zureicht. Es gehoͤren ferner zu den
Wechſelfruͤchten, welche die Haͤlfte des Ackers einnehmen, auch alle Huͤlſenfruͤchte,
beſonders die behackten Bohnen, Wicken und Erbſen. Endlich vertreten ſo viele
Handelsgewaͤchſe, die waͤhrend ihrer Vegetation Bearbeitung leiden, wie ſchon
oͤfter geſagt worden, die Stelle der Vorfruͤchte fuͤr das Getreide, ſobald ſich naͤm-
lich eine Wirthſchaft in den Duͤngerſtand geſetzt hat, daß ſie dieſe ohne Er-
ſchoͤpfung ihres Ackers bauen, und ſich mit geringer Futtererzeugung be-
helfen kann.

§. 368.

Zwei vortreffliche Schriftſteller, der Amtsrath Karbe in ſeiner Ein-
fuͤhrung der engliſchen Wechſelwirthſchaft
und der durchlauchtige
Herzog Friedrich zu Schleswig Hollſtein Beck uͤber die Wech-
ſelwirthſchaft und deren Verbindung mit der Stallfutterung
,
haben dies Syſtem gruͤndlich vorgetragen, und auf unſere Verhaͤltniſſe modifizirt,
den großen Nutzen, welche deſſen allgemeine Einfuͤhrung haben wuͤrde, gezeigt.
Es ſind gegenwaͤrtig in Daͤnnemark, Schleſien, der Mark Brandenburg, Sach-
ſen
, Franken, Weſtphalen, ja ſelbſt bis nach Kur- und Eſthland hinauf unzaͤhlige
Beiſpiele davon aufgeſtellt. Der Erfolg beſtaͤtiget allgemein den Werth des

Syſtemes,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <pb facs="#f0398" n="352"/>
              <fw place="top" type="header">Der Fruchtwech&#x017F;el.</fw><lb/>
              <p>Wenn die&#x017F;es Sy&#x017F;tem, &#x017F;agten ferner die Gegner, fu&#x0364;r eine &#x017F;o vieles Flei&#x017F;ch<lb/>
kon&#x017F;umirende Nation, wie die Engla&#x0364;nder, pa&#x017F;&#x017F;end &#x017F;ey, &#x017F;o &#x017F;ey es doch fu&#x0364;r uns<lb/>
nicht al&#x017F;o, weil die Mehrheit der Deut&#x017F;chen gro&#x0364;ßtentheils von vegetabili&#x017F;chen<lb/>
Nahrungsmitteln lebe. Denn die&#x017F;es Sy&#x017F;tem verlange die Ha&#x0364;lfte des Ackers zur<lb/>
Viehfutterung. Koppelwirthe konnten die&#x017F;e Einwendung nicht machen, weil auch<lb/>
die&#x017F;e minde&#x017F;tens die Ha&#x0364;lfte der Viehnahrung widmen. Aber die Dreifelderwirthe<lb/>
beriefen &#x017F;ich auf ihre &#x017F;ta&#x0364;rkere Aus&#x017F;aat. Es la&#x0364;ßt &#x017F;ich ihnen aber leicht erwei&#x017F;en,<lb/>
daß &#x017F;ie, &#x017F;elb&#x017F;t abge&#x017F;ehen von den großen Weidera&#x0364;umen und Wie&#x017F;en, die &#x017F;ie ge-<lb/>
brauchen, wenn ihre Wirth&#x017F;chaft in einiger Kraft bleiben &#x017F;oll, doch &#x017F;elb&#x017F;t von<lb/>
ihrem pflugbaren Acker nicht die Ha&#x0364;lfte zur Nahrung der Men&#x017F;chen verwenden,<lb/>
denn &#x017F;ie mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en ihr Zugvieh fa&#x017F;t allein mit Ko&#x0364;rnern erna&#x0364;hren, und ihrem Nutz-<lb/>
viehe damit ha&#x0364;ufig aufhelfen. Dagegen kann bei die&#x017F;em Wirth&#x017F;chafts&#x017F;y&#x017F;teme al-<lb/>
les erbaute Getreide zur men&#x017F;chlichen Nahrung verwandt werden, da die Futter-<lb/>
ernte zur Erna&#x0364;hrung des &#x017F;ta&#x0364;rk&#x017F;ten Vieh&#x017F;tapels zureicht. Es geho&#x0364;ren ferner zu den<lb/>
Wech&#x017F;elfru&#x0364;chten, welche die Ha&#x0364;lfte des Ackers einnehmen, auch alle Hu&#x0364;l&#x017F;enfru&#x0364;chte,<lb/>
be&#x017F;onders die behackten Bohnen, Wicken und Erb&#x017F;en. Endlich vertreten &#x017F;o viele<lb/>
Handelsgewa&#x0364;ch&#x017F;e, die wa&#x0364;hrend ihrer Vegetation Bearbeitung leiden, wie &#x017F;chon<lb/>
o&#x0364;fter ge&#x017F;agt worden, die Stelle der Vorfru&#x0364;chte fu&#x0364;r das Getreide, &#x017F;obald &#x017F;ich na&#x0364;m-<lb/>
lich eine Wirth&#x017F;chaft in den Du&#x0364;nger&#x017F;tand ge&#x017F;etzt hat, daß &#x017F;ie die&#x017F;e ohne Er-<lb/>
&#x017F;cho&#x0364;pfung ihres Ackers bauen, und &#x017F;ich mit geringer Futtererzeugung be-<lb/>
helfen kann.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>§. 368.</head><lb/>
              <p>Zwei vortreffliche Schrift&#x017F;teller, der <hi rendition="#g">Amtsrath <persName>Karbe</persName></hi> in &#x017F;einer <hi rendition="#g">Ein-<lb/>
fu&#x0364;hrung der engli&#x017F;chen Wech&#x017F;elwirth&#x017F;chaft</hi> und der durchlauchtige<lb/><hi rendition="#g">Herzog <persName>Friedrich zu Schleswig Holl&#x017F;tein Beck</persName> u&#x0364;ber die Wech-<lb/>
&#x017F;elwirth&#x017F;chaft und deren Verbindung mit der Stallfutterung</hi>,<lb/>
haben dies Sy&#x017F;tem gru&#x0364;ndlich vorgetragen, und auf un&#x017F;ere Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e modifizirt,<lb/>
den großen Nutzen, welche de&#x017F;&#x017F;en allgemeine Einfu&#x0364;hrung haben wu&#x0364;rde, gezeigt.<lb/>
Es &#x017F;ind gegenwa&#x0364;rtig in <placeName>Da&#x0364;nnemark</placeName>, <placeName>Schle&#x017F;ien</placeName>, der Mark <placeName>Brandenburg</placeName>, <placeName>Sach-<lb/>
&#x017F;en</placeName>, <placeName>Franken</placeName>, <placeName>We&#x017F;tphalen</placeName>, ja &#x017F;elb&#x017F;t bis nach <placeName full="abb">Kur-</placeName> und <placeName>E&#x017F;thland</placeName> hinauf unza&#x0364;hlige<lb/>
Bei&#x017F;piele davon aufge&#x017F;tellt. Der Erfolg be&#x017F;ta&#x0364;tiget allgemein den Werth des<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Sy&#x017F;temes,</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[352/0398] Der Fruchtwechſel. Wenn dieſes Syſtem, ſagten ferner die Gegner, fuͤr eine ſo vieles Fleiſch konſumirende Nation, wie die Englaͤnder, paſſend ſey, ſo ſey es doch fuͤr uns nicht alſo, weil die Mehrheit der Deutſchen groͤßtentheils von vegetabiliſchen Nahrungsmitteln lebe. Denn dieſes Syſtem verlange die Haͤlfte des Ackers zur Viehfutterung. Koppelwirthe konnten dieſe Einwendung nicht machen, weil auch dieſe mindeſtens die Haͤlfte der Viehnahrung widmen. Aber die Dreifelderwirthe beriefen ſich auf ihre ſtaͤrkere Ausſaat. Es laͤßt ſich ihnen aber leicht erweiſen, daß ſie, ſelbſt abgeſehen von den großen Weideraͤumen und Wieſen, die ſie ge- brauchen, wenn ihre Wirthſchaft in einiger Kraft bleiben ſoll, doch ſelbſt von ihrem pflugbaren Acker nicht die Haͤlfte zur Nahrung der Menſchen verwenden, denn ſie muͤſſen ihr Zugvieh faſt allein mit Koͤrnern ernaͤhren, und ihrem Nutz- viehe damit haͤufig aufhelfen. Dagegen kann bei dieſem Wirthſchaftsſyſteme al- les erbaute Getreide zur menſchlichen Nahrung verwandt werden, da die Futter- ernte zur Ernaͤhrung des ſtaͤrkſten Viehſtapels zureicht. Es gehoͤren ferner zu den Wechſelfruͤchten, welche die Haͤlfte des Ackers einnehmen, auch alle Huͤlſenfruͤchte, beſonders die behackten Bohnen, Wicken und Erbſen. Endlich vertreten ſo viele Handelsgewaͤchſe, die waͤhrend ihrer Vegetation Bearbeitung leiden, wie ſchon oͤfter geſagt worden, die Stelle der Vorfruͤchte fuͤr das Getreide, ſobald ſich naͤm- lich eine Wirthſchaft in den Duͤngerſtand geſetzt hat, daß ſie dieſe ohne Er- ſchoͤpfung ihres Ackers bauen, und ſich mit geringer Futtererzeugung be- helfen kann. §. 368. Zwei vortreffliche Schriftſteller, der Amtsrath Karbe in ſeiner Ein- fuͤhrung der engliſchen Wechſelwirthſchaft und der durchlauchtige Herzog Friedrich zu Schleswig Hollſtein Beck uͤber die Wech- ſelwirthſchaft und deren Verbindung mit der Stallfutterung, haben dies Syſtem gruͤndlich vorgetragen, und auf unſere Verhaͤltniſſe modifizirt, den großen Nutzen, welche deſſen allgemeine Einfuͤhrung haben wuͤrde, gezeigt. Es ſind gegenwaͤrtig in Daͤnnemark, Schleſien, der Mark Brandenburg, Sach- ſen, Franken, Weſtphalen, ja ſelbſt bis nach Kur- und Eſthland hinauf unzaͤhlige Beiſpiele davon aufgeſtellt. Der Erfolg beſtaͤtiget allgemein den Werth des Syſtemes,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft01_1809
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft01_1809/398
Zitationshilfe: Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 352. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft01_1809/398>, abgerufen am 27.11.2024.