tiefer sie eingedrungen war, wenn gleich der Kalkfelsen nur mit sehr flacher und unfruchtbarer Krume bedeckt war.
Der gebrannte von seiner Kohlensäure befreite Kalk hat eine stärkere düngende Kraft, wie der ungebrannte. Er ist in diesem Zustande freilich weit mehr zersetzend und wirksam auf die organische Materie. Allein wir müssen annehmen, daß seine größere Wirksamkeit auch noch einen andern Grund habe. Er ziehet seine ver- lorne Kohlensäure, zumal wenn er in feinem Pulver mit der Ackererde vermengt ist, ohne Zweifel in sehr kurzer Zeit wieder an; aber diese frisch angezogene Koh- lensäure hängt ihm wahrscheinlich nicht so fest an, daß er sie den Pflanzen nicht leichter wieder abgeben sollte. Er nimmt solche dann sogleich wieder auf, und so entsteht eine fortdauernde Wechselung dieser Kohlensäure zwischen dem Kalke, den Wurzeln und der Atmosphäre. Daraus läßt es sich erklären, wie selbst sehr kalk- haltiger Boden von einer Düngung mit gebranntem Kalke merkliche Fruchtbar- keit erhalte, und wie man einige Wirkung von einer neuen Kalkung verspüre, wenn gleich von einer vorhergehenden älteren offenbar noch Kalk genug in der Ackerkrume ist.
Auf diese verschiedenen Wirkungen des Kalkes -- die gegebene Erklärung derselben sey richtig oder nicht -- müssen wir nothwendig Rücksicht nehmen, wenn wir die verschiedenen Wirkungen des Kalkes als Düngungsmittel erklären wollen. Sie ist am stärksten und auffallendsten auf Boden, der vielen sauren Humus ent- hält, welcher vorher der Vegetation nicht zu Nutze kam. Nächstdem auf Boden, welcher bisher stärkere oder schwächere Mistdüngungen, aber noch nie eine Kalk- oder ähnliche Düngung erhalten hatte. In diesem Falle thut er oft mehr, als eine neue Mistdüngung, erschöpft aber für die Folge diesen Boden, und macht es wenigstens nöthig, daß eine kräftige Düngung anderer Art nach einigen Jahren auf ihm folge. Da in jedem beackerten Boden, gesetzt auch, daß er sehr mager scheine, noch immer einiger, wahrscheinlich schwer auflöslicher Humus zurückge- blieben ist, so wird eine erste Kalkdüngung auch auf magerm Boden wohl immer eine auffallende Wirkung leisten. Die schwächste Wirkung, aber doch immer noch einige, thut eine in kurzer Frist wiederholte Kalkdüngung, und sie wird im- mer schwächer, je öfterer sie ohne dazwischen gebrachte humose Düngung wie- derkommt.
Mineraliſche Duͤngungsmittel.
tiefer ſie eingedrungen war, wenn gleich der Kalkfelſen nur mit ſehr flacher und unfruchtbarer Krume bedeckt war.
Der gebrannte von ſeiner Kohlenſaͤure befreite Kalk hat eine ſtaͤrkere duͤngende Kraft, wie der ungebrannte. Er iſt in dieſem Zuſtande freilich weit mehr zerſetzend und wirkſam auf die organiſche Materie. Allein wir muͤſſen annehmen, daß ſeine groͤßere Wirkſamkeit auch noch einen andern Grund habe. Er ziehet ſeine ver- lorne Kohlenſaͤure, zumal wenn er in feinem Pulver mit der Ackererde vermengt iſt, ohne Zweifel in ſehr kurzer Zeit wieder an; aber dieſe friſch angezogene Koh- lenſaͤure haͤngt ihm wahrſcheinlich nicht ſo feſt an, daß er ſie den Pflanzen nicht leichter wieder abgeben ſollte. Er nimmt ſolche dann ſogleich wieder auf, und ſo entſteht eine fortdauernde Wechſelung dieſer Kohlenſaͤure zwiſchen dem Kalke, den Wurzeln und der Atmoſphaͤre. Daraus laͤßt es ſich erklaͤren, wie ſelbſt ſehr kalk- haltiger Boden von einer Duͤngung mit gebranntem Kalke merkliche Fruchtbar- keit erhalte, und wie man einige Wirkung von einer neuen Kalkung verſpuͤre, wenn gleich von einer vorhergehenden aͤlteren offenbar noch Kalk genug in der Ackerkrume iſt.
Auf dieſe verſchiedenen Wirkungen des Kalkes — die gegebene Erklaͤrung derſelben ſey richtig oder nicht — muͤſſen wir nothwendig Ruͤckſicht nehmen, wenn wir die verſchiedenen Wirkungen des Kalkes als Duͤngungsmittel erklaͤren wollen. Sie iſt am ſtaͤrkſten und auffallendſten auf Boden, der vielen ſauren Humus ent- haͤlt, welcher vorher der Vegetation nicht zu Nutze kam. Naͤchſtdem auf Boden, welcher bisher ſtaͤrkere oder ſchwaͤchere Miſtduͤngungen, aber noch nie eine Kalk- oder aͤhnliche Duͤngung erhalten hatte. In dieſem Falle thut er oft mehr, als eine neue Miſtduͤngung, erſchoͤpft aber fuͤr die Folge dieſen Boden, und macht es wenigſtens noͤthig, daß eine kraͤftige Duͤngung anderer Art nach einigen Jahren auf ihm folge. Da in jedem beackerten Boden, geſetzt auch, daß er ſehr mager ſcheine, noch immer einiger, wahrſcheinlich ſchwer aufloͤslicher Humus zuruͤckge- blieben iſt, ſo wird eine erſte Kalkduͤngung auch auf magerm Boden wohl immer eine auffallende Wirkung leiſten. Die ſchwaͤchſte Wirkung, aber doch immer noch einige, thut eine in kurzer Friſt wiederholte Kalkduͤngung, und ſie wird im- mer ſchwaͤcher, je oͤfterer ſie ohne dazwiſchen gebrachte humoſe Duͤngung wie- derkommt.
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Mineraliſche Duͤngungsmittel.
tiefer ſie eingedrungen war, wenn gleich der Kalkfelſen nur mit ſehr flacher und
unfruchtbarer Krume bedeckt war.
Der gebrannte von ſeiner Kohlenſaͤure befreite Kalk hat eine ſtaͤrkere duͤngende
Kraft, wie der ungebrannte. Er iſt in dieſem Zuſtande freilich weit mehr zerſetzend
und wirkſam auf die organiſche Materie. Allein wir muͤſſen annehmen, daß ſeine
groͤßere Wirkſamkeit auch noch einen andern Grund habe. Er ziehet ſeine ver-
lorne Kohlenſaͤure, zumal wenn er in feinem Pulver mit der Ackererde vermengt
iſt, ohne Zweifel in ſehr kurzer Zeit wieder an; aber dieſe friſch angezogene Koh-
lenſaͤure haͤngt ihm wahrſcheinlich nicht ſo feſt an, daß er ſie den Pflanzen nicht
leichter wieder abgeben ſollte. Er nimmt ſolche dann ſogleich wieder auf, und ſo
entſteht eine fortdauernde Wechſelung dieſer Kohlenſaͤure zwiſchen dem Kalke, den
Wurzeln und der Atmoſphaͤre. Daraus laͤßt es ſich erklaͤren, wie ſelbſt ſehr kalk-
haltiger Boden von einer Duͤngung mit gebranntem Kalke merkliche Fruchtbar-
keit erhalte, und wie man einige Wirkung von einer neuen Kalkung verſpuͤre,
wenn gleich von einer vorhergehenden aͤlteren offenbar noch Kalk genug in der
Ackerkrume iſt.
Auf dieſe verſchiedenen Wirkungen des Kalkes — die gegebene Erklaͤrung
derſelben ſey richtig oder nicht — muͤſſen wir nothwendig Ruͤckſicht nehmen, wenn
wir die verſchiedenen Wirkungen des Kalkes als Duͤngungsmittel erklaͤren wollen.
Sie iſt am ſtaͤrkſten und auffallendſten auf Boden, der vielen ſauren Humus ent-
haͤlt, welcher vorher der Vegetation nicht zu Nutze kam. Naͤchſtdem auf Boden,
welcher bisher ſtaͤrkere oder ſchwaͤchere Miſtduͤngungen, aber noch nie eine Kalk-
oder aͤhnliche Duͤngung erhalten hatte. In dieſem Falle thut er oft mehr, als
eine neue Miſtduͤngung, erſchoͤpft aber fuͤr die Folge dieſen Boden, und macht es
wenigſtens noͤthig, daß eine kraͤftige Duͤngung anderer Art nach einigen Jahren
auf ihm folge. Da in jedem beackerten Boden, geſetzt auch, daß er ſehr mager
ſcheine, noch immer einiger, wahrſcheinlich ſchwer aufloͤslicher Humus zuruͤckge-
blieben iſt, ſo wird eine erſte Kalkduͤngung auch auf magerm Boden wohl immer
eine auffallende Wirkung leiſten. Die ſchwaͤchſte Wirkung, aber doch immer
noch einige, thut eine in kurzer Friſt wiederholte Kalkduͤngung, und ſie wird im-
mer ſchwaͤcher, je oͤfterer ſie ohne dazwiſchen gebrachte humoſe Duͤngung wie-
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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 2. Berlin, 1810, S. 239. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft02_1810/287>, abgerufen am 16.06.2024.
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