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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 2. Berlin, 1810.

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Chemie der Erden.

Kiesel- und Thon-Erde sind die häufigsten und ich möchte sagen eigentlichsten
Erden. Nächst diesen aber kommt der Kalk am meisten vor, und ist am merkwür-
digsten, steht aber den Kalien ohne Zweifel näher, als jene Erden. Von diesen hat
man in der Folge die damit lange verwechselte Bitter- oder Talk-Erde unter-
schieden, durch deren Zwischenkunft sich jedoch ein Uebergang von jenen unauf-
löslichen
Erden zu diesen kalischen finden und das Zusammenstellen in einer
Klasse roher Naturkörper rechtfertigen läßt. In der Folge sind durch die Zerlegung
besonderer mineralischer Producte oder steinigter Körper noch unzerlegbare Stoffe
entdeckt worden, welche man ebenfalls in die Categorie von Erden gesetzt hat.
Einige nähern sich jenen unschmackhaften, andere diesen kalischen Körpern. Es ward
Mode in der Chemie, dieser Stoffe immer mehrere zu entdecken, und es ward man-
ches Product der Scheidekunst dafür ausgegeben, welches aber in der Folge sich nicht
als ein solches bewährte. Die meisten Chemiker nehmen jetzt nur neun besondere
sogenannte Erdarten an, wovon uns aber die fünf übrigen nicht interessiren, da sie
sich nur sehr selten und fast gar nicht auf der Oberfläche unsers Erdbodens in erdiger
Gestalt finden.

Weil es bisher noch keiner Bemühung gelungen ist, die reinen Erden zu zer-
legen, so zählt man sie zu den einfachen Körpern oder Urstoffen. Indessen ma-
chen mehrere genau beobachtete Erscheinungen es fast unzweifelhaft, daß es zusam-
mengesetzte Körper sind. Sie werden nämlich in den organischen Körpern gebildet.
Denn der verdienstvolle Schrader in Berlin hat überzeugend dargethan, daß Getreide-
Pflanzen, welche durchaus vor aller Berührung insbesondere mit Kalkerde gesichert
waren, mehr Kalk, auch Kieselerde enthielten, als die Körner, aus welchen sie her-
vorgingen. Auch Saussüre fand in der Asche verschiedener Holzarten, die auf Bo-
den, der gar keine Kalkerde enthielt, gewachsen waren, beträchtlich vielen Kalk, und
Einhof dasselbe (Herinbstädt's Archiv der Agrikultur-Chemie, 2ten Bds. 1s St.
S. 217.). Vauquelin zeigte, daß die Excremente und Eyer der Hühner weit mehr
Kalkerde enthielten, als die Nahrung, welche ihnen gegeben war. Da nun alle
Wirkungen der Natur wenigstens nach atomistischen Begriffen nur in Bewegung und
Wechselwirkung schon vorhandener Stoffe bestehen, so muß zu allem, was sich durch
die Natur erzeugt, das Material schon da gewesen seyn. Mithin läßt sich ein Stoff,
der erst gebildet wird, nicht für einfach annehmen, sondern muß nothwendig zusammen-

Zweiter Theil. G
Chemie der Erden.

Kieſel- und Thon-Erde ſind die haͤufigſten und ich moͤchte ſagen eigentlichſten
Erden. Naͤchſt dieſen aber kommt der Kalk am meiſten vor, und iſt am merkwuͤr-
digſten, ſteht aber den Kalien ohne Zweifel naͤher, als jene Erden. Von dieſen hat
man in der Folge die damit lange verwechſelte Bitter- oder Talk-Erde unter-
ſchieden, durch deren Zwiſchenkunft ſich jedoch ein Uebergang von jenen unauf-
loͤslichen
Erden zu dieſen kaliſchen finden und das Zuſammenſtellen in einer
Klaſſe roher Naturkoͤrper rechtfertigen laͤßt. In der Folge ſind durch die Zerlegung
beſonderer mineraliſcher Producte oder ſteinigter Koͤrper noch unzerlegbare Stoffe
entdeckt worden, welche man ebenfalls in die Categorie von Erden geſetzt hat.
Einige naͤhern ſich jenen unſchmackhaften, andere dieſen kaliſchen Koͤrpern. Es ward
Mode in der Chemie, dieſer Stoffe immer mehrere zu entdecken, und es ward man-
ches Product der Scheidekunſt dafuͤr ausgegeben, welches aber in der Folge ſich nicht
als ein ſolches bewaͤhrte. Die meiſten Chemiker nehmen jetzt nur neun beſondere
ſogenannte Erdarten an, wovon uns aber die fuͤnf uͤbrigen nicht intereſſiren, da ſie
ſich nur ſehr ſelten und faſt gar nicht auf der Oberflaͤche unſers Erdbodens in erdiger
Geſtalt finden.

Weil es bisher noch keiner Bemuͤhung gelungen iſt, die reinen Erden zu zer-
legen, ſo zaͤhlt man ſie zu den einfachen Koͤrpern oder Urſtoffen. Indeſſen ma-
chen mehrere genau beobachtete Erſcheinungen es faſt unzweifelhaft, daß es zuſam-
mengeſetzte Koͤrper ſind. Sie werden naͤmlich in den organiſchen Koͤrpern gebildet.
Denn der verdienſtvolle Schrader in Berlin hat uͤberzeugend dargethan, daß Getreide-
Pflanzen, welche durchaus vor aller Beruͤhrung insbeſondere mit Kalkerde geſichert
waren, mehr Kalk, auch Kieſelerde enthielten, als die Koͤrner, aus welchen ſie her-
vorgingen. Auch Sauſſuͤre fand in der Aſche verſchiedener Holzarten, die auf Bo-
den, der gar keine Kalkerde enthielt, gewachſen waren, betraͤchtlich vielen Kalk, und
Einhof daſſelbe (Herinbſtaͤdt’s Archiv der Agrikultur-Chemie, 2ten Bds. 1s St.
S. 217.). Vauquelin zeigte, daß die Excremente und Eyer der Huͤhner weit mehr
Kalkerde enthielten, als die Nahrung, welche ihnen gegeben war. Da nun alle
Wirkungen der Natur wenigſtens nach atomiſtiſchen Begriffen nur in Bewegung und
Wechſelwirkung ſchon vorhandener Stoffe beſtehen, ſo muß zu allem, was ſich durch
die Natur erzeugt, das Material ſchon da geweſen ſeyn. Mithin laͤßt ſich ein Stoff,
der erſt gebildet wird, nicht fuͤr einfach annehmen, ſondern muß nothwendig zuſammen-

Zweiter Theil. G
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[49/0093] Chemie der Erden. Kieſel- und Thon-Erde ſind die haͤufigſten und ich moͤchte ſagen eigentlichſten Erden. Naͤchſt dieſen aber kommt der Kalk am meiſten vor, und iſt am merkwuͤr- digſten, ſteht aber den Kalien ohne Zweifel naͤher, als jene Erden. Von dieſen hat man in der Folge die damit lange verwechſelte Bitter- oder Talk-Erde unter- ſchieden, durch deren Zwiſchenkunft ſich jedoch ein Uebergang von jenen unauf- loͤslichen Erden zu dieſen kaliſchen finden und das Zuſammenſtellen in einer Klaſſe roher Naturkoͤrper rechtfertigen laͤßt. In der Folge ſind durch die Zerlegung beſonderer mineraliſcher Producte oder ſteinigter Koͤrper noch unzerlegbare Stoffe entdeckt worden, welche man ebenfalls in die Categorie von Erden geſetzt hat. Einige naͤhern ſich jenen unſchmackhaften, andere dieſen kaliſchen Koͤrpern. Es ward Mode in der Chemie, dieſer Stoffe immer mehrere zu entdecken, und es ward man- ches Product der Scheidekunſt dafuͤr ausgegeben, welches aber in der Folge ſich nicht als ein ſolches bewaͤhrte. Die meiſten Chemiker nehmen jetzt nur neun beſondere ſogenannte Erdarten an, wovon uns aber die fuͤnf uͤbrigen nicht intereſſiren, da ſie ſich nur ſehr ſelten und faſt gar nicht auf der Oberflaͤche unſers Erdbodens in erdiger Geſtalt finden. Weil es bisher noch keiner Bemuͤhung gelungen iſt, die reinen Erden zu zer- legen, ſo zaͤhlt man ſie zu den einfachen Koͤrpern oder Urſtoffen. Indeſſen ma- chen mehrere genau beobachtete Erſcheinungen es faſt unzweifelhaft, daß es zuſam- mengeſetzte Koͤrper ſind. Sie werden naͤmlich in den organiſchen Koͤrpern gebildet. Denn der verdienſtvolle Schrader in Berlin hat uͤberzeugend dargethan, daß Getreide- Pflanzen, welche durchaus vor aller Beruͤhrung insbeſondere mit Kalkerde geſichert waren, mehr Kalk, auch Kieſelerde enthielten, als die Koͤrner, aus welchen ſie her- vorgingen. Auch Sauſſuͤre fand in der Aſche verſchiedener Holzarten, die auf Bo- den, der gar keine Kalkerde enthielt, gewachſen waren, betraͤchtlich vielen Kalk, und Einhof daſſelbe (Herinbſtaͤdt’s Archiv der Agrikultur-Chemie, 2ten Bds. 1s St. S. 217.). Vauquelin zeigte, daß die Excremente und Eyer der Huͤhner weit mehr Kalkerde enthielten, als die Nahrung, welche ihnen gegeben war. Da nun alle Wirkungen der Natur wenigſtens nach atomiſtiſchen Begriffen nur in Bewegung und Wechſelwirkung ſchon vorhandener Stoffe beſtehen, ſo muß zu allem, was ſich durch die Natur erzeugt, das Material ſchon da geweſen ſeyn. Mithin laͤßt ſich ein Stoff, der erſt gebildet wird, nicht fuͤr einfach annehmen, ſondern muß nothwendig zuſammen- Zweiter Theil. G

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Zitationshilfe: Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 2. Berlin, 1810, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft02_1810/93>, abgerufen am 21.11.2024.