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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 3. Berlin, 1812.

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Der Wiesenbau.
neue Austrieb der Gräser, der sich bei manchen am stärksten um diese Jahreszeit äußert,
vortrefflich, und die Kühe fangen danach aufs neue mehrere Milch zu geben an. In
dieser Periode hat man selbst von dem Eintreten des Viehes nichts zu besorgen, in-
dem sich die Fußtapfen im Frühjahre, selbst auf schwammigen und weichen Wiesen,
wieder werden gehoben und ausgeglichen haben. Der Weidedünger ist den Wiesen
abermals von großem Nutzen, besonders wenn man die so leichte und von dem Hir-
ten zu fordernde Arbeit des Auseinanderschlagens und Verbreitens der Fladen an-
wendet. Das Rindvieh findet dann oft bis zu Ende Novembers eine gedeihliche
Nahrung auf dieser Nachweide.

Die Engländer halten bekanntlich auf die Beweidung privativer Wiesen so viel,
daß sie in der Regel nur einen Schnitt davon nehmen, die Frühjahrsbehütung mit
den Schaafen länger ausdehnen, und dann bald nach der ersten Heuernte das Rind-
vieh auftreiben. Auch findet man dasselbe Verfahren in verschiedenen reichen Niede-
rungen, wo die Viehzucht den Haupttheil der Wirthschaft ausmacht. Man rechnet
da häufig auf einen Kopf Rindvieh eine gewisse Fläche Graslandes, welche ihnen die
nöthige Weide und zugleich das für den Winter erforderliche Heu geben muß. Man
theilt das einem Viehstapel bestimmte Grasland nämlich in zwei Theile, verschont
vom Frühjahre an den ersten Theil, bis er gemähet werden kann, nimmt alsdann
das Vieh von demjenigen Theile, der bisher beweidet ward, weg, bringt es auf den
gemäheten, und läßt jenen nun zum Heuschnitt aufwachsen.

Daß hierdurch die Kraft der Wiesen mehr erhalten und verstärkt werde, als
beim zweimaligen Schnitte, darin stimmen alle Erfahrungen überein. Es wird da-
durch ein feinerer und dichterer Graswuchs bewirkt, härtere Stengel und Unkraut
vermieden, und die Wiese immer in zureichendem Dünger erhalten, so daß dieses
Verfahren bei manchen Wirthschaftsverhältnissen allerdings räthlich seyn kann, wenn
gleich bei andern eine zweimalige Schur den Vorzug verdient.

Daß das Mähen das Grasland mehr wie die Weide entkräfte, ein zweimaliger
Schnitt durchaus eine Rückgabe von Dünger erfordere, die Beweidung hingegen
solches in Kraft erhalte, läßt sich nach Gründen und Erfahrung wohl nicht bestreiten,
und wenn gleich eine entgegengesetzte Meinung in den Annalen der Niedersächsischen
Landwirthschaft bei Gelegenheit einer Rechtssache behauptet wurde, so ist sie doch
von andern daselbst genugsam widerlegt.


Dritter Theil. K k

Der Wieſenbau.
neue Austrieb der Graͤſer, der ſich bei manchen am ſtaͤrkſten um dieſe Jahreszeit aͤußert,
vortrefflich, und die Kuͤhe fangen danach aufs neue mehrere Milch zu geben an. In
dieſer Periode hat man ſelbſt von dem Eintreten des Viehes nichts zu beſorgen, in-
dem ſich die Fußtapfen im Fruͤhjahre, ſelbſt auf ſchwammigen und weichen Wieſen,
wieder werden gehoben und ausgeglichen haben. Der Weideduͤnger iſt den Wieſen
abermals von großem Nutzen, beſonders wenn man die ſo leichte und von dem Hir-
ten zu fordernde Arbeit des Auseinanderſchlagens und Verbreitens der Fladen an-
wendet. Das Rindvieh findet dann oft bis zu Ende Novembers eine gedeihliche
Nahrung auf dieſer Nachweide.

Die Englaͤnder halten bekanntlich auf die Beweidung privativer Wieſen ſo viel,
daß ſie in der Regel nur einen Schnitt davon nehmen, die Fruͤhjahrsbehuͤtung mit
den Schaafen laͤnger ausdehnen, und dann bald nach der erſten Heuernte das Rind-
vieh auftreiben. Auch findet man daſſelbe Verfahren in verſchiedenen reichen Niede-
rungen, wo die Viehzucht den Haupttheil der Wirthſchaft ausmacht. Man rechnet
da haͤufig auf einen Kopf Rindvieh eine gewiſſe Flaͤche Graslandes, welche ihnen die
noͤthige Weide und zugleich das fuͤr den Winter erforderliche Heu geben muß. Man
theilt das einem Viehſtapel beſtimmte Grasland naͤmlich in zwei Theile, verſchont
vom Fruͤhjahre an den erſten Theil, bis er gemaͤhet werden kann, nimmt alsdann
das Vieh von demjenigen Theile, der bisher beweidet ward, weg, bringt es auf den
gemaͤheten, und laͤßt jenen nun zum Heuſchnitt aufwachſen.

Daß hierdurch die Kraft der Wieſen mehr erhalten und verſtaͤrkt werde, als
beim zweimaligen Schnitte, darin ſtimmen alle Erfahrungen uͤberein. Es wird da-
durch ein feinerer und dichterer Graswuchs bewirkt, haͤrtere Stengel und Unkraut
vermieden, und die Wieſe immer in zureichendem Duͤnger erhalten, ſo daß dieſes
Verfahren bei manchen Wirthſchaftsverhaͤltniſſen allerdings raͤthlich ſeyn kann, wenn
gleich bei andern eine zweimalige Schur den Vorzug verdient.

Daß das Maͤhen das Grasland mehr wie die Weide entkraͤfte, ein zweimaliger
Schnitt durchaus eine Ruͤckgabe von Duͤnger erfordere, die Beweidung hingegen
ſolches in Kraft erhalte, laͤßt ſich nach Gruͤnden und Erfahrung wohl nicht beſtreiten,
und wenn gleich eine entgegengeſetzte Meinung in den Annalen der Niederſaͤchſiſchen
Landwirthſchaft bei Gelegenheit einer Rechtsſache behauptet wurde, ſo iſt ſie doch
von andern daſelbſt genugſam widerlegt.


Dritter Theil. K k
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[257/0279] Der Wieſenbau. neue Austrieb der Graͤſer, der ſich bei manchen am ſtaͤrkſten um dieſe Jahreszeit aͤußert, vortrefflich, und die Kuͤhe fangen danach aufs neue mehrere Milch zu geben an. In dieſer Periode hat man ſelbſt von dem Eintreten des Viehes nichts zu beſorgen, in- dem ſich die Fußtapfen im Fruͤhjahre, ſelbſt auf ſchwammigen und weichen Wieſen, wieder werden gehoben und ausgeglichen haben. Der Weideduͤnger iſt den Wieſen abermals von großem Nutzen, beſonders wenn man die ſo leichte und von dem Hir- ten zu fordernde Arbeit des Auseinanderſchlagens und Verbreitens der Fladen an- wendet. Das Rindvieh findet dann oft bis zu Ende Novembers eine gedeihliche Nahrung auf dieſer Nachweide. Die Englaͤnder halten bekanntlich auf die Beweidung privativer Wieſen ſo viel, daß ſie in der Regel nur einen Schnitt davon nehmen, die Fruͤhjahrsbehuͤtung mit den Schaafen laͤnger ausdehnen, und dann bald nach der erſten Heuernte das Rind- vieh auftreiben. Auch findet man daſſelbe Verfahren in verſchiedenen reichen Niede- rungen, wo die Viehzucht den Haupttheil der Wirthſchaft ausmacht. Man rechnet da haͤufig auf einen Kopf Rindvieh eine gewiſſe Flaͤche Graslandes, welche ihnen die noͤthige Weide und zugleich das fuͤr den Winter erforderliche Heu geben muß. Man theilt das einem Viehſtapel beſtimmte Grasland naͤmlich in zwei Theile, verſchont vom Fruͤhjahre an den erſten Theil, bis er gemaͤhet werden kann, nimmt alsdann das Vieh von demjenigen Theile, der bisher beweidet ward, weg, bringt es auf den gemaͤheten, und laͤßt jenen nun zum Heuſchnitt aufwachſen. Daß hierdurch die Kraft der Wieſen mehr erhalten und verſtaͤrkt werde, als beim zweimaligen Schnitte, darin ſtimmen alle Erfahrungen uͤberein. Es wird da- durch ein feinerer und dichterer Graswuchs bewirkt, haͤrtere Stengel und Unkraut vermieden, und die Wieſe immer in zureichendem Duͤnger erhalten, ſo daß dieſes Verfahren bei manchen Wirthſchaftsverhaͤltniſſen allerdings raͤthlich ſeyn kann, wenn gleich bei andern eine zweimalige Schur den Vorzug verdient. Daß das Maͤhen das Grasland mehr wie die Weide entkraͤfte, ein zweimaliger Schnitt durchaus eine Ruͤckgabe von Duͤnger erfordere, die Beweidung hingegen ſolches in Kraft erhalte, laͤßt ſich nach Gruͤnden und Erfahrung wohl nicht beſtreiten, und wenn gleich eine entgegengeſetzte Meinung in den Annalen der Niederſaͤchſiſchen Landwirthſchaft bei Gelegenheit einer Rechtsſache behauptet wurde, ſo iſt ſie doch von andern daſelbſt genugſam widerlegt. Dritter Theil. K k

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Zitationshilfe: Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 3. Berlin, 1812, S. 257. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft03_1810/279>, abgerufen am 22.11.2024.