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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 4. Berlin, 1812.

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Aufzucht des Rindviehes.

Wenn man den Eintritt der Brunstzeit gleich von Anfange an beachtet,
so ist der günstigste Zeitpunkt zum Empfangen etwa 12 bis 24 Stunden nach-
her. Werden diese Stunden verspätet, so schlägt die Befruchtung leicht fehl.

§. 15.

Als Zeichen der Trächtigkeit kann man annehmen, wenn sich nach voll-Trächtigkeit.
führter Begattung der Trieb nach 3 Wochen nicht wieder einstellt. Doch ist
es kein gewisses Zeichen daß die Kuh nicht empfangen habe, wenn sie nach
3 Wochen noch einmal brünstig wird. Das Dickwerden des Bauchs ist sehr
trüglich. Nach 20 Wochen wird es aber merklich und man kann dann das
Kalb oft auf der rechten Seite der Kuh fühlen, was sich nachher wieder verliert.

Die Trächtigkeit dauert in der Regel 285 Tage oder 40 Wochen 5 Tage.
Starke und gesunde Kühe gehen aber oft 8 Tage länger, Erstlinge dagegen
um so viel kürzer.

Bei hochtragenden Kühen muß man, besonders wenn sie im Stall gehal-
ten und nur zur Tränke gelassen werden, Achtsamkeit darauf verwenden, daß
sie von andren nicht gestoßen, oder beim Aus- und Eintreiben in den Stall
nicht gedrängt werden.

Das Verwerfen oder zu frühzeitige Kalben schreibt man mancherlei Ur-
sachen zu. Jedes schlechte dumpfig gewordene Futter kann es ohne Zweifel
bewirken. Ob aber gewisse Fütterungsmittel, z. B. Buchweizenstroh, gefrorne
Kohlblätter, Sellerieblätter es verursachen können, scheint mir noch nicht erwie-
sen, sondern diese Meinungen nur auf einseitige Beobachtungen gegründet zu
seyn. Das Unrichtiggehen ist bei Thieren wie bei Menschen wohl zuweilen
epidemisch, und muß dann seine Ursache in einer besondern Beschaffenheit der
Atmosphäre haben, indem es zuweilen ungewöhnlich häufig in einer Gegend
vorkommt, wo man keine andere allgemein wirkende Ursach auffinden kann.

Es ist nichts falscher, als die Meinung derer, welche besonders bei Kühen,
die einmal schwer gekalbt haben, das Kalben dadurch erleichtern wollen,
daß sie die Kuh in den letzten Wochen hungern lassen, damit ihr Kalb min-
der stark werde. Nicht die weichen fleischigen Theile, sondern die Breite des
Knochengebäudes können die Geburt erschweren, und dieses ist schon früher
ausgebildet. Durch knappes Futter setzt man aber die Lebenskraft der Kuh

Aufzucht des Rindviehes.

Wenn man den Eintritt der Brunſtzeit gleich von Anfange an beachtet,
ſo iſt der guͤnſtigſte Zeitpunkt zum Empfangen etwa 12 bis 24 Stunden nach-
her. Werden dieſe Stunden verſpaͤtet, ſo ſchlaͤgt die Befruchtung leicht fehl.

§. 15.

Als Zeichen der Traͤchtigkeit kann man annehmen, wenn ſich nach voll-Traͤchtigkeit.
fuͤhrter Begattung der Trieb nach 3 Wochen nicht wieder einſtellt. Doch iſt
es kein gewiſſes Zeichen daß die Kuh nicht empfangen habe, wenn ſie nach
3 Wochen noch einmal bruͤnſtig wird. Das Dickwerden des Bauchs iſt ſehr
truͤglich. Nach 20 Wochen wird es aber merklich und man kann dann das
Kalb oft auf der rechten Seite der Kuh fuͤhlen, was ſich nachher wieder verliert.

Die Traͤchtigkeit dauert in der Regel 285 Tage oder 40 Wochen 5 Tage.
Starke und geſunde Kuͤhe gehen aber oft 8 Tage laͤnger, Erſtlinge dagegen
um ſo viel kuͤrzer.

Bei hochtragenden Kuͤhen muß man, beſonders wenn ſie im Stall gehal-
ten und nur zur Traͤnke gelaſſen werden, Achtſamkeit darauf verwenden, daß
ſie von andren nicht geſtoßen, oder beim Aus- und Eintreiben in den Stall
nicht gedraͤngt werden.

Das Verwerfen oder zu fruͤhzeitige Kalben ſchreibt man mancherlei Ur-
ſachen zu. Jedes ſchlechte dumpfig gewordene Futter kann es ohne Zweifel
bewirken. Ob aber gewiſſe Fuͤtterungsmittel, z. B. Buchweizenſtroh, gefrorne
Kohlblaͤtter, Sellerieblaͤtter es verurſachen koͤnnen, ſcheint mir noch nicht erwie-
ſen, ſondern dieſe Meinungen nur auf einſeitige Beobachtungen gegruͤndet zu
ſeyn. Das Unrichtiggehen iſt bei Thieren wie bei Menſchen wohl zuweilen
epidemiſch, und muß dann ſeine Urſache in einer beſondern Beſchaffenheit der
Atmoſphaͤre haben, indem es zuweilen ungewoͤhnlich haͤufig in einer Gegend
vorkommt, wo man keine andere allgemein wirkende Urſach auffinden kann.

Es iſt nichts falſcher, als die Meinung derer, welche beſonders bei Kuͤhen,
die einmal ſchwer gekalbt haben, das Kalben dadurch erleichtern wollen,
daß ſie die Kuh in den letzten Wochen hungern laſſen, damit ihr Kalb min-
der ſtark werde. Nicht die weichen fleiſchigen Theile, ſondern die Breite des
Knochengebaͤudes koͤnnen die Geburt erſchweren, und dieſes iſt ſchon fruͤher
ausgebildet. Durch knappes Futter ſetzt man aber die Lebenskraft der Kuh

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[309/0333] Aufzucht des Rindviehes. Wenn man den Eintritt der Brunſtzeit gleich von Anfange an beachtet, ſo iſt der guͤnſtigſte Zeitpunkt zum Empfangen etwa 12 bis 24 Stunden nach- her. Werden dieſe Stunden verſpaͤtet, ſo ſchlaͤgt die Befruchtung leicht fehl. §. 15. Als Zeichen der Traͤchtigkeit kann man annehmen, wenn ſich nach voll- fuͤhrter Begattung der Trieb nach 3 Wochen nicht wieder einſtellt. Doch iſt es kein gewiſſes Zeichen daß die Kuh nicht empfangen habe, wenn ſie nach 3 Wochen noch einmal bruͤnſtig wird. Das Dickwerden des Bauchs iſt ſehr truͤglich. Nach 20 Wochen wird es aber merklich und man kann dann das Kalb oft auf der rechten Seite der Kuh fuͤhlen, was ſich nachher wieder verliert. Traͤchtigkeit. Die Traͤchtigkeit dauert in der Regel 285 Tage oder 40 Wochen 5 Tage. Starke und geſunde Kuͤhe gehen aber oft 8 Tage laͤnger, Erſtlinge dagegen um ſo viel kuͤrzer. Bei hochtragenden Kuͤhen muß man, beſonders wenn ſie im Stall gehal- ten und nur zur Traͤnke gelaſſen werden, Achtſamkeit darauf verwenden, daß ſie von andren nicht geſtoßen, oder beim Aus- und Eintreiben in den Stall nicht gedraͤngt werden. Das Verwerfen oder zu fruͤhzeitige Kalben ſchreibt man mancherlei Ur- ſachen zu. Jedes ſchlechte dumpfig gewordene Futter kann es ohne Zweifel bewirken. Ob aber gewiſſe Fuͤtterungsmittel, z. B. Buchweizenſtroh, gefrorne Kohlblaͤtter, Sellerieblaͤtter es verurſachen koͤnnen, ſcheint mir noch nicht erwie- ſen, ſondern dieſe Meinungen nur auf einſeitige Beobachtungen gegruͤndet zu ſeyn. Das Unrichtiggehen iſt bei Thieren wie bei Menſchen wohl zuweilen epidemiſch, und muß dann ſeine Urſache in einer beſondern Beſchaffenheit der Atmoſphaͤre haben, indem es zuweilen ungewoͤhnlich haͤufig in einer Gegend vorkommt, wo man keine andere allgemein wirkende Urſach auffinden kann. Es iſt nichts falſcher, als die Meinung derer, welche beſonders bei Kuͤhen, die einmal ſchwer gekalbt haben, das Kalben dadurch erleichtern wollen, daß ſie die Kuh in den letzten Wochen hungern laſſen, damit ihr Kalb min- der ſtark werde. Nicht die weichen fleiſchigen Theile, ſondern die Breite des Knochengebaͤudes koͤnnen die Geburt erſchweren, und dieſes iſt ſchon fruͤher ausgebildet. Durch knappes Futter ſetzt man aber die Lebenskraft der Kuh

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Zitationshilfe: Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 4. Berlin, 1812, S. 309. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft04_1812/333>, abgerufen am 21.11.2024.