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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 4. Berlin, 1812.

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Aufzucht des Rindviehes.
der Gedärme erweckt, und den mit zur Welt gebrachten zähen Unrath aus den
Gedärmen abführt, der durch sein längeres Verweilen nachtheilig werden kann.

Nun giebt es wieder zwei Wege: entweder das Kalb bei der Mutter liegen
zu lassen, oder es ihr jedesmal, wenn seine Saugezeit da ist, zuzuführen. Das
erstere ist am bequemsten, hat aber das Ueble, daß das Kalb fast beständig am
Euter spielt, die Mutter entweder zu viel reizt und angreift, sich selbst dabei
übernimmt, oder aber nicht genug aussauget, und Milchstockungen entstehen
läßt, und daneben die Gefahr, daß es sehr leicht von der Mutter oder auch von
einer neben stehenden Kuh erdrückt wird. Die andere Methode: das Kalb zu
bestimmten Zeiten, zuerst täglich 4 bis 5 Mal, hernach 3 Mal, zur Mutter zu
bringen, um es saugen zu lassen, dabei jedesmal darauf zu achten, ob es auch
rein aussauge, oder wenn dieses nicht geschiehet, die Mutter nachzumelken, ist
beschwerlicher, erfordert große Aufmerksamkeit, daß kein Kalb, wenn viele da
sind, vergessen werde, ist aber sicherer und der Gesundheit des Kalbes, so wie
der nachmaligen Milchergiebigkeit der Mutter, angemessener.

Nach 3 Wochen reicht oft die Milch nicht zu, das Kalb vollkommen zu
ernähren. Man giebt ihm also einen Trank von Oelkuchen, grobem Mehl,
Kleyen oder Schroot, zerriebene Kartoffelu mit laulichem Wasser, oder einen
Absud von Heu mit etwas Milch, wovon man das Kalb in der Zwischen-
zeit, zwischen dem Saugen, so viel saufen läßt, als es will, und das Uebrige
der Mutter reicht. Auf diese Weise gewöhnt man das Kalb allmählig zu sol-
chem Trank, läßt es dann nur 2 Mal saugen, und melkt die Kuh einmal, um
sie daran zu gewöhnen. Auch fängt man an, dem Kalbe etwas recht gutes,
seines Heu vorzulegen, welches es bald wird fressen lernen. Man läßt auf
die Weise Kälber, die man recht gut aufziehen will, 5 bis 6 Wochen saugen.

Wenn man das Kalb nun ganz absetzen (spähnen) will, so entfernt man
es so weit als möglich von der Mutter, damit beide durch ihr gegenseitiges
Schreien, womit sie ihre Sehnsucht nach einander zu erkennen geben, nicht
beunruhigt werden, und sich einander baldmöglichst vergessen mögen. Man
muß durch nahrhafte Fütterung verhüten, daß das Kalb an Fleisch und Kräf-
ten, die Mutter an Milch nicht zu sehr abnehmen, welches immer aus Gram
etwas erfolgt. Indem man bei der Kuh die Milchabsonderung dadurch beför-

dert,

Aufzucht des Rindviehes.
der Gedaͤrme erweckt, und den mit zur Welt gebrachten zaͤhen Unrath aus den
Gedaͤrmen abfuͤhrt, der durch ſein laͤngeres Verweilen nachtheilig werden kann.

Nun giebt es wieder zwei Wege: entweder das Kalb bei der Mutter liegen
zu laſſen, oder es ihr jedesmal, wenn ſeine Saugezeit da iſt, zuzufuͤhren. Das
erſtere iſt am bequemſten, hat aber das Ueble, daß das Kalb faſt beſtaͤndig am
Euter ſpielt, die Mutter entweder zu viel reizt und angreift, ſich ſelbſt dabei
uͤbernimmt, oder aber nicht genug ausſauget, und Milchſtockungen entſtehen
laͤßt, und daneben die Gefahr, daß es ſehr leicht von der Mutter oder auch von
einer neben ſtehenden Kuh erdruͤckt wird. Die andere Methode: das Kalb zu
beſtimmten Zeiten, zuerſt taͤglich 4 bis 5 Mal, hernach 3 Mal, zur Mutter zu
bringen, um es ſaugen zu laſſen, dabei jedesmal darauf zu achten, ob es auch
rein ausſauge, oder wenn dieſes nicht geſchiehet, die Mutter nachzumelken, iſt
beſchwerlicher, erfordert große Aufmerkſamkeit, daß kein Kalb, wenn viele da
ſind, vergeſſen werde, iſt aber ſicherer und der Geſundheit des Kalbes, ſo wie
der nachmaligen Milchergiebigkeit der Mutter, angemeſſener.

Nach 3 Wochen reicht oft die Milch nicht zu, das Kalb vollkommen zu
ernaͤhren. Man giebt ihm alſo einen Trank von Oelkuchen, grobem Mehl,
Kleyen oder Schroot, zerriebene Kartoffelu mit laulichem Waſſer, oder einen
Abſud von Heu mit etwas Milch, wovon man das Kalb in der Zwiſchen-
zeit, zwiſchen dem Saugen, ſo viel ſaufen laͤßt, als es will, und das Uebrige
der Mutter reicht. Auf dieſe Weiſe gewoͤhnt man das Kalb allmaͤhlig zu ſol-
chem Trank, laͤßt es dann nur 2 Mal ſaugen, und melkt die Kuh einmal, um
ſie daran zu gewoͤhnen. Auch faͤngt man an, dem Kalbe etwas recht gutes,
ſeines Heu vorzulegen, welches es bald wird freſſen lernen. Man laͤßt auf
die Weiſe Kaͤlber, die man recht gut aufziehen will, 5 bis 6 Wochen ſaugen.

Wenn man das Kalb nun ganz abſetzen (ſpaͤhnen) will, ſo entfernt man
es ſo weit als moͤglich von der Mutter, damit beide durch ihr gegenſeitiges
Schreien, womit ſie ihre Sehnſucht nach einander zu erkennen geben, nicht
beunruhigt werden, und ſich einander baldmoͤglichſt vergeſſen moͤgen. Man
muß durch nahrhafte Fuͤtterung verhuͤten, daß das Kalb an Fleiſch und Kraͤf-
ten, die Mutter an Milch nicht zu ſehr abnehmen, welches immer aus Gram
etwas erfolgt. Indem man bei der Kuh die Milchabſonderung dadurch befoͤr-

dert,
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[312/0336] Aufzucht des Rindviehes. der Gedaͤrme erweckt, und den mit zur Welt gebrachten zaͤhen Unrath aus den Gedaͤrmen abfuͤhrt, der durch ſein laͤngeres Verweilen nachtheilig werden kann. Nun giebt es wieder zwei Wege: entweder das Kalb bei der Mutter liegen zu laſſen, oder es ihr jedesmal, wenn ſeine Saugezeit da iſt, zuzufuͤhren. Das erſtere iſt am bequemſten, hat aber das Ueble, daß das Kalb faſt beſtaͤndig am Euter ſpielt, die Mutter entweder zu viel reizt und angreift, ſich ſelbſt dabei uͤbernimmt, oder aber nicht genug ausſauget, und Milchſtockungen entſtehen laͤßt, und daneben die Gefahr, daß es ſehr leicht von der Mutter oder auch von einer neben ſtehenden Kuh erdruͤckt wird. Die andere Methode: das Kalb zu beſtimmten Zeiten, zuerſt taͤglich 4 bis 5 Mal, hernach 3 Mal, zur Mutter zu bringen, um es ſaugen zu laſſen, dabei jedesmal darauf zu achten, ob es auch rein ausſauge, oder wenn dieſes nicht geſchiehet, die Mutter nachzumelken, iſt beſchwerlicher, erfordert große Aufmerkſamkeit, daß kein Kalb, wenn viele da ſind, vergeſſen werde, iſt aber ſicherer und der Geſundheit des Kalbes, ſo wie der nachmaligen Milchergiebigkeit der Mutter, angemeſſener. Nach 3 Wochen reicht oft die Milch nicht zu, das Kalb vollkommen zu ernaͤhren. Man giebt ihm alſo einen Trank von Oelkuchen, grobem Mehl, Kleyen oder Schroot, zerriebene Kartoffelu mit laulichem Waſſer, oder einen Abſud von Heu mit etwas Milch, wovon man das Kalb in der Zwiſchen- zeit, zwiſchen dem Saugen, ſo viel ſaufen laͤßt, als es will, und das Uebrige der Mutter reicht. Auf dieſe Weiſe gewoͤhnt man das Kalb allmaͤhlig zu ſol- chem Trank, laͤßt es dann nur 2 Mal ſaugen, und melkt die Kuh einmal, um ſie daran zu gewoͤhnen. Auch faͤngt man an, dem Kalbe etwas recht gutes, ſeines Heu vorzulegen, welches es bald wird freſſen lernen. Man laͤßt auf die Weiſe Kaͤlber, die man recht gut aufziehen will, 5 bis 6 Wochen ſaugen. Wenn man das Kalb nun ganz abſetzen (ſpaͤhnen) will, ſo entfernt man es ſo weit als moͤglich von der Mutter, damit beide durch ihr gegenſeitiges Schreien, womit ſie ihre Sehnſucht nach einander zu erkennen geben, nicht beunruhigt werden, und ſich einander baldmoͤglichſt vergeſſen moͤgen. Man muß durch nahrhafte Fuͤtterung verhuͤten, daß das Kalb an Fleiſch und Kraͤf- ten, die Mutter an Milch nicht zu ſehr abnehmen, welches immer aus Gram etwas erfolgt. Indem man bei der Kuh die Milchabſonderung dadurch befoͤr- dert,

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Zitationshilfe: Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 4. Berlin, 1812, S. 312. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft04_1812/336>, abgerufen am 22.11.2024.