Es treten allerdings zuweilen Fälle von schweren Geburten ein, die von einer fehlerhaften Lage des Kalbes herrühren, und wobei man durch wohl- überlegte, geschickte Hülfe vieles ausrichten kann. Es kömmt aber alles dar- auf an, daß man sich von der natürlichen Lage des Kalbes, und von der Art der Abweichung einen klaren Begriff mache, da man sie dann durch die Hand, womit man in die Mutter sanft hineinfährt, leicht entdecken und mehrentheils heben kann. Der Widerstand entsteht am häufigsten aus einer widernatürli- chen Lage eines Vorderbeins, oder aus einer schiefen Lage des Kopfes, indem nicht die Schnauze, sondern das Ohr oder die Stirn vorliegt. Mit Gewalt ist aber hierbei so wenig, als beim Durchgange der Brust etwas auszurichten, und alles gewaltsame Ziehen kann tödtlich werden, in Fällen, wo die Natur geholfen haben würde, wenn man ihr Zeit gelassen hätte. Es darf nur eine verständige Hülfe geleistet werden; jede unverständige ist höchst nachtheilig, und ist nur zu oft, wie ich selbst erfahren habe, tödtlich geworden. Da aber der Unterricht in der Entbindungskunst hier nicht seinen Platz finden kann, so übergehe ich denselben mit dem Rathe, daß ein jeder, auf sein Vieh etwas haltende Landwirth, jede Gelegenheit wahrnehmen möge, um sich darüber un- terrichten zu lassen, da die Hülfe von geschickten Thierärzten auf dem platten Lande selten zu erlangen ist; daß man aber bis dahin lieber alles der Natur und dem Zufall überlasse, weil man sonst die Kuh und das Kalb häufiger umbringen als retten wird.
§. 17.
Es giebt nun zwei Methoden das Kalb in der frühesten Periode seines Le-Auferziehung der Kälber. bens zu nähren und aufzuziehen.
a) Das Saugenlassen.
b) Das Tränken.
Beim Saugenlassen gewöhnt man gleich nach der Geburt Mutter und KalbDas Saugen. zusammen, indem man jene dieses ablecken läßt. Man bringt es dann, so bald es stehen kann, an den Euter der Mutter, und es fängt sogleich an zu saugen. Die erste Milch hat eine purgirende Eigenschaft; aber weit entfernt daß dieses schaden sollte, ist es vielmehr wohlthätig; indem es die Reizbarkeit
Aufzucht des Rindviehes.
Es treten allerdings zuweilen Faͤlle von ſchweren Geburten ein, die von einer fehlerhaften Lage des Kalbes herruͤhren, und wobei man durch wohl- uͤberlegte, geſchickte Huͤlfe vieles ausrichten kann. Es koͤmmt aber alles dar- auf an, daß man ſich von der natuͤrlichen Lage des Kalbes, und von der Art der Abweichung einen klaren Begriff mache, da man ſie dann durch die Hand, womit man in die Mutter ſanft hineinfaͤhrt, leicht entdecken und mehrentheils heben kann. Der Widerſtand entſteht am haͤufigſten aus einer widernatuͤrli- chen Lage eines Vorderbeins, oder aus einer ſchiefen Lage des Kopfes, indem nicht die Schnauze, ſondern das Ohr oder die Stirn vorliegt. Mit Gewalt iſt aber hierbei ſo wenig, als beim Durchgange der Bruſt etwas auszurichten, und alles gewaltſame Ziehen kann toͤdtlich werden, in Faͤllen, wo die Natur geholfen haben wuͤrde, wenn man ihr Zeit gelaſſen haͤtte. Es darf nur eine verſtaͤndige Huͤlfe geleiſtet werden; jede unverſtaͤndige iſt hoͤchſt nachtheilig, und iſt nur zu oft, wie ich ſelbſt erfahren habe, toͤdtlich geworden. Da aber der Unterricht in der Entbindungskunſt hier nicht ſeinen Platz finden kann, ſo uͤbergehe ich denſelben mit dem Rathe, daß ein jeder, auf ſein Vieh etwas haltende Landwirth, jede Gelegenheit wahrnehmen moͤge, um ſich daruͤber un- terrichten zu laſſen, da die Huͤlfe von geſchickten Thieraͤrzten auf dem platten Lande ſelten zu erlangen iſt; daß man aber bis dahin lieber alles der Natur und dem Zufall uͤberlaſſe, weil man ſonſt die Kuh und das Kalb haͤufiger umbringen als retten wird.
§. 17.
Es giebt nun zwei Methoden das Kalb in der fruͤheſten Periode ſeines Le-Auferziehung der Kaͤlber. bens zu naͤhren und aufzuziehen.
a) Das Saugenlaſſen.
b) Das Traͤnken.
Beim Saugenlaſſen gewoͤhnt man gleich nach der Geburt Mutter und KalbDas Saugen. zuſammen, indem man jene dieſes ablecken laͤßt. Man bringt es dann, ſo bald es ſtehen kann, an den Euter der Mutter, und es faͤngt ſogleich an zu ſaugen. Die erſte Milch hat eine purgirende Eigenſchaft; aber weit entfernt daß dieſes ſchaden ſollte, iſt es vielmehr wohlthaͤtig; indem es die Reizbarkeit
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Aufzucht des Rindviehes.
Es treten allerdings zuweilen Faͤlle von ſchweren Geburten ein, die von
einer fehlerhaften Lage des Kalbes herruͤhren, und wobei man durch wohl-
uͤberlegte, geſchickte Huͤlfe vieles ausrichten kann. Es koͤmmt aber alles dar-
auf an, daß man ſich von der natuͤrlichen Lage des Kalbes, und von der Art
der Abweichung einen klaren Begriff mache, da man ſie dann durch die Hand,
womit man in die Mutter ſanft hineinfaͤhrt, leicht entdecken und mehrentheils
heben kann. Der Widerſtand entſteht am haͤufigſten aus einer widernatuͤrli-
chen Lage eines Vorderbeins, oder aus einer ſchiefen Lage des Kopfes, indem
nicht die Schnauze, ſondern das Ohr oder die Stirn vorliegt. Mit Gewalt
iſt aber hierbei ſo wenig, als beim Durchgange der Bruſt etwas auszurichten,
und alles gewaltſame Ziehen kann toͤdtlich werden, in Faͤllen, wo die Natur
geholfen haben wuͤrde, wenn man ihr Zeit gelaſſen haͤtte. Es darf nur eine
verſtaͤndige Huͤlfe geleiſtet werden; jede unverſtaͤndige iſt hoͤchſt nachtheilig,
und iſt nur zu oft, wie ich ſelbſt erfahren habe, toͤdtlich geworden. Da aber
der Unterricht in der Entbindungskunſt hier nicht ſeinen Platz finden kann, ſo
uͤbergehe ich denſelben mit dem Rathe, daß ein jeder, auf ſein Vieh etwas
haltende Landwirth, jede Gelegenheit wahrnehmen moͤge, um ſich daruͤber un-
terrichten zu laſſen, da die Huͤlfe von geſchickten Thieraͤrzten auf dem platten
Lande ſelten zu erlangen iſt; daß man aber bis dahin lieber alles der Natur
und dem Zufall uͤberlaſſe, weil man ſonſt die Kuh und das Kalb haͤufiger
umbringen als retten wird.
§. 17.
Es giebt nun zwei Methoden das Kalb in der fruͤheſten Periode ſeines Le-
bens zu naͤhren und aufzuziehen.
Auferziehung
der Kaͤlber.
a) Das Saugenlaſſen.
b) Das Traͤnken.
Beim Saugenlaſſen gewoͤhnt man gleich nach der Geburt Mutter und Kalb
zuſammen, indem man jene dieſes ablecken laͤßt. Man bringt es dann, ſo
bald es ſtehen kann, an den Euter der Mutter, und es faͤngt ſogleich an zu
ſaugen. Die erſte Milch hat eine purgirende Eigenſchaft; aber weit entfernt
daß dieſes ſchaden ſollte, iſt es vielmehr wohlthaͤtig; indem es die Reizbarkeit
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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 4. Berlin, 1812, S. 311. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft04_1812/335>, abgerufen am 22.11.2024.
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