In den ersten acht Tagen giebt man die Milch gern in ihrer natürlichen Temperatur, und wenn sie erkaltet ist, stellt man diese durch etwas zugegebe- nes heißes Wasser wieder her. Nachher kann sie kühler und endlich kalt gege- ben werden.
Auf die Entstehung des Durchfalls muß bei Sauge- und Tränkkälbern genau geachtet werden, damit man ihn gleich im Anfange hebe. Das beste Mittel ist nach meiner Erfahrung ein Auszug von Rhabarber mit gutem Brannt- wein gemacht. Auf 2 Loth Rhabarber wird 1/2 Pfund Branntwein gegeben und 24 Stunden in eine gelinde Wärme gestellt, auch öfter umgeschüttelt. Dann wird die klare Tinktur abgegossen, und davon dem kranken Kalbe täglich zwei- mal ein Eßlöffel gegeben. Nach einigen Gaben hört das Uebel mehrentheils auf; thut es das nicht, so setze man dann noch jedem Löffell voll 5 Tropfen Opiumtinktur zu. Man sey dabei im Tränken vorsichtiger, und reize das Kalb wider seinen Willen nicht dazu an, bis es wieder Appetit bekömmt. Einige rühmen einen Trank von gelinde gerösteten (wie Kaffe gebrannten) Linsen oder Eicheln.
§. 21.
Haltung der Fersen.Wenn das Kalb im ersten Jahre reichlich genähret worden, sokan n man ihm im zweiten Jahre eine weit sparsamere Fütterung und kargere Weide geben; jedoch so, daß es bei Fleisch und Kräften bleibe.
Auch im dritten Jahre kann es im Winter mit gutem Strohhäcksel, dem etwas Heu zugemischt worden, erhalten werden. Nachdem die Ferse jedoch trächtig geworden ist, muß man ihr besseres Futter reichen, und damit steigen, so wie sie zunimmt.
§. 22.
Vortheil der Aufzucht.Manche haben das Aufziehen nicht für vortheilhaft gehalten, und die Ko- sten einer selbst aufgezogenen Kuh so hoch berechnet, daß man gutes Vieh viel wohlfeiler dafür kaufen könnte. Manche Wirthschaften sind so eingerichtet, daß die Aufzucht gar nicht dabei statt findet, wo z. B. die Küherei kopfweise ver- pachtet ist. Außerdem aber scheint mir die Sicherheit und die Gleichartigkeit des Viehschlages, den man durch eigne Aufzucht erhalten kann, so große Vor- züge zu haben, daß ich es auch dann empfehlen würde, wenn es bestimmt kost-
Aufzucht des Rindviehes.
In den erſten acht Tagen giebt man die Milch gern in ihrer natuͤrlichen Temperatur, und wenn ſie erkaltet iſt, ſtellt man dieſe durch etwas zugegebe- nes heißes Waſſer wieder her. Nachher kann ſie kuͤhler und endlich kalt gege- ben werden.
Auf die Entſtehung des Durchfalls muß bei Sauge- und Traͤnkkaͤlbern genau geachtet werden, damit man ihn gleich im Anfange hebe. Das beſte Mittel iſt nach meiner Erfahrung ein Auszug von Rhabarber mit gutem Brannt- wein gemacht. Auf 2 Loth Rhabarber wird ½ Pfund Branntwein gegeben und 24 Stunden in eine gelinde Waͤrme geſtellt, auch oͤfter umgeſchuͤttelt. Dann wird die klare Tinktur abgegoſſen, und davon dem kranken Kalbe taͤglich zwei- mal ein Eßloͤffel gegeben. Nach einigen Gaben hoͤrt das Uebel mehrentheils auf; thut es das nicht, ſo ſetze man dann noch jedem Loͤffell voll 5 Tropfen Opiumtinktur zu. Man ſey dabei im Traͤnken vorſichtiger, und reize das Kalb wider ſeinen Willen nicht dazu an, bis es wieder Appetit bekoͤmmt. Einige ruͤhmen einen Trank von gelinde geroͤſteten (wie Kaffe gebrannten) Linſen oder Eicheln.
§. 21.
Haltung der Ferſen.Wenn das Kalb im erſten Jahre reichlich genaͤhret worden, ſokan n man ihm im zweiten Jahre eine weit ſparſamere Fuͤtterung und kargere Weide geben; jedoch ſo, daß es bei Fleiſch und Kraͤften bleibe.
Auch im dritten Jahre kann es im Winter mit gutem Strohhaͤckſel, dem etwas Heu zugemiſcht worden, erhalten werden. Nachdem die Ferſe jedoch traͤchtig geworden iſt, muß man ihr beſſeres Futter reichen, und damit ſteigen, ſo wie ſie zunimmt.
§. 22.
Vortheil der Aufzucht.Manche haben das Aufziehen nicht fuͤr vortheilhaft gehalten, und die Ko- ſten einer ſelbſt aufgezogenen Kuh ſo hoch berechnet, daß man gutes Vieh viel wohlfeiler dafuͤr kaufen koͤnnte. Manche Wirthſchaften ſind ſo eingerichtet, daß die Aufzucht gar nicht dabei ſtatt findet, wo z. B. die Kuͤherei kopfweiſe ver- pachtet iſt. Außerdem aber ſcheint mir die Sicherheit und die Gleichartigkeit des Viehſchlages, den man durch eigne Aufzucht erhalten kann, ſo große Vor- zuͤge zu haben, daß ich es auch dann empfehlen wuͤrde, wenn es beſtimmt koſt-
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Aufzucht des Rindviehes.
In den erſten acht Tagen giebt man die Milch gern in ihrer natuͤrlichen
Temperatur, und wenn ſie erkaltet iſt, ſtellt man dieſe durch etwas zugegebe-
nes heißes Waſſer wieder her. Nachher kann ſie kuͤhler und endlich kalt gege-
ben werden.
Auf die Entſtehung des Durchfalls muß bei Sauge- und Traͤnkkaͤlbern
genau geachtet werden, damit man ihn gleich im Anfange hebe. Das beſte
Mittel iſt nach meiner Erfahrung ein Auszug von Rhabarber mit gutem Brannt-
wein gemacht. Auf 2 Loth Rhabarber wird ½ Pfund Branntwein gegeben und
24 Stunden in eine gelinde Waͤrme geſtellt, auch oͤfter umgeſchuͤttelt. Dann
wird die klare Tinktur abgegoſſen, und davon dem kranken Kalbe taͤglich zwei-
mal ein Eßloͤffel gegeben. Nach einigen Gaben hoͤrt das Uebel mehrentheils
auf; thut es das nicht, ſo ſetze man dann noch jedem Loͤffell voll 5 Tropfen
Opiumtinktur zu. Man ſey dabei im Traͤnken vorſichtiger, und reize das Kalb
wider ſeinen Willen nicht dazu an, bis es wieder Appetit bekoͤmmt. Einige
ruͤhmen einen Trank von gelinde geroͤſteten (wie Kaffe gebrannten) Linſen
oder Eicheln.
§. 21.
Wenn das Kalb im erſten Jahre reichlich genaͤhret worden, ſokan n man
ihm im zweiten Jahre eine weit ſparſamere Fuͤtterung und kargere Weide geben;
jedoch ſo, daß es bei Fleiſch und Kraͤften bleibe.
Haltung der
Ferſen.
Auch im dritten Jahre kann es im Winter mit gutem Strohhaͤckſel, dem
etwas Heu zugemiſcht worden, erhalten werden. Nachdem die Ferſe jedoch
traͤchtig geworden iſt, muß man ihr beſſeres Futter reichen, und damit ſteigen,
ſo wie ſie zunimmt.
§. 22.
Manche haben das Aufziehen nicht fuͤr vortheilhaft gehalten, und die Ko-
ſten einer ſelbſt aufgezogenen Kuh ſo hoch berechnet, daß man gutes Vieh viel
wohlfeiler dafuͤr kaufen koͤnnte. Manche Wirthſchaften ſind ſo eingerichtet, daß
die Aufzucht gar nicht dabei ſtatt findet, wo z. B. die Kuͤherei kopfweiſe ver-
pachtet iſt. Außerdem aber ſcheint mir die Sicherheit und die Gleichartigkeit
des Viehſchlages, den man durch eigne Aufzucht erhalten kann, ſo große Vor-
zuͤge zu haben, daß ich es auch dann empfehlen wuͤrde, wenn es beſtimmt koſt-
Vortheil der
Aufzucht.
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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 4. Berlin, 1812, S. 316. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft04_1812/340>, abgerufen am 21.11.2024.
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