Auch schlechter Leinsaamen, gequetscht und mit Wasser abgekocht, giebt ein höchst nahrhaftes Getränk für die Milchkühe. Eben so wird der Spergel- saamen gebraucht, jedoch nur mit heißem Wasser angebrühet, ohne ihn zu kochen, und als eins der nahrhaftesten und milchergiebigsten Fütterungen gerühmt.
§. 30.
Brachfrüchte.Die vortheilhafteste Fütterung des Rindviehes und besonders der Kühe, und einen vollständigen Ersatz eines Theils des Heues geben im Winter die Wurzelgewächse ab: nämlich Kartoffeln, Runkeln, Kohl- und Steckrüben, Ro- tabaga, Wasserrüben, Möhren und Pastinaken. Man muß aber nicht nach ihren oft zufällig hohen Marktpreis, sondern nach ihren vollständigen Produk- tionskosten rechnen. Denn man kann sie selten in großer Menge zu Markt bringen, und wenn einmal ein hoher Preis dies rathsam machen sollte, und man sie gegen das Frühjahr zum Theil entbehren könnte, so muß man dies als einen zufälligen Gewinn betrachten.
Ich habe im ersten Bande §. 275. über die Nahrhaftigkeit dieser Ge- wächse und das Verhältniß derselben zum Heu gesprochen, und im 276sten §. von ihrem Durchschnittsertrage auf gut kultivirtem Boden; und ausführlicher habe ich darüber in diesem Bande bei der Lehre vom Anbau eines jeden ge- handelt. Daß das Verhältniß ihrer Nahrhaftigkeit dort so genau als es uns bis jetzt möglich ist, getroffen worden, davon haben mich auch noch spätere Beobachtungen überzeugt. Es bleibt mir nur übrig von ihrer Anwendung hier zu reden.
Diese Gewächse werden roh oder gekocht gegeben.
Das Kochen, vorzüglich der Kartoffeln, geschiehet wo es angewandt wird, im Großen jetzt allgemein in Dämpfen, weil dadurch nicht allein Feuerung er- spart, sondern auch der gehörige Grad der Garheit besser erreicht wird. Der bessere Apparat dazu ist jetzt allgemein bekannt, nachdem er durch die Brannt- weinbrennerei aus Kartoffeln fast an allen Orten eingerichtet worden. Er be- steht aus einer gewöhnlichen Branntweinsblase, die aber, wie überhaupt die neueren Blasen keinen Helm, sondern einen weiten retortenförmigen Hals hat, aus welchem die Dämpfe durch ein Rohr in das Kartoffelgefäß übergehen. Dieses ist ein Faß, welches aufrecht stehet, und worin unten ein zweiter durch-
Ernaͤhrung des Rindviehes.
Auch ſchlechter Leinſaamen, gequetſcht und mit Waſſer abgekocht, giebt ein hoͤchſt nahrhaftes Getraͤnk fuͤr die Milchkuͤhe. Eben ſo wird der Spergel- ſaamen gebraucht, jedoch nur mit heißem Waſſer angebruͤhet, ohne ihn zu kochen, und als eins der nahrhafteſten und milchergiebigſten Fuͤtterungen geruͤhmt.
§. 30.
Brachfruͤchte.Die vortheilhafteſte Fuͤtterung des Rindviehes und beſonders der Kuͤhe, und einen vollſtaͤndigen Erſatz eines Theils des Heues geben im Winter die Wurzelgewaͤchſe ab: naͤmlich Kartoffeln, Runkeln, Kohl- und Steckruͤben, Ro- tabaga, Waſſerruͤben, Moͤhren und Paſtinaken. Man muß aber nicht nach ihren oft zufaͤllig hohen Marktpreis, ſondern nach ihren vollſtaͤndigen Produk- tionskoſten rechnen. Denn man kann ſie ſelten in großer Menge zu Markt bringen, und wenn einmal ein hoher Preis dies rathſam machen ſollte, und man ſie gegen das Fruͤhjahr zum Theil entbehren koͤnnte, ſo muß man dies als einen zufaͤlligen Gewinn betrachten.
Ich habe im erſten Bande §. 275. uͤber die Nahrhaftigkeit dieſer Ge- waͤchſe und das Verhaͤltniß derſelben zum Heu geſprochen, und im 276ſten §. von ihrem Durchſchnittsertrage auf gut kultivirtem Boden; und ausfuͤhrlicher habe ich daruͤber in dieſem Bande bei der Lehre vom Anbau eines jeden ge- handelt. Daß das Verhaͤltniß ihrer Nahrhaftigkeit dort ſo genau als es uns bis jetzt moͤglich iſt, getroffen worden, davon haben mich auch noch ſpaͤtere Beobachtungen uͤberzeugt. Es bleibt mir nur uͤbrig von ihrer Anwendung hier zu reden.
Dieſe Gewaͤchſe werden roh oder gekocht gegeben.
Das Kochen, vorzuͤglich der Kartoffeln, geſchiehet wo es angewandt wird, im Großen jetzt allgemein in Daͤmpfen, weil dadurch nicht allein Feuerung er- ſpart, ſondern auch der gehoͤrige Grad der Garheit beſſer erreicht wird. Der beſſere Apparat dazu iſt jetzt allgemein bekannt, nachdem er durch die Brannt- weinbrennerei aus Kartoffeln faſt an allen Orten eingerichtet worden. Er be- ſteht aus einer gewoͤhnlichen Branntweinsblaſe, die aber, wie uͤberhaupt die neueren Blaſen keinen Helm, ſondern einen weiten retortenfoͤrmigen Hals hat, aus welchem die Daͤmpfe durch ein Rohr in das Kartoffelgefaͤß uͤbergehen. Dieſes iſt ein Faß, welches aufrecht ſtehet, und worin unten ein zweiter durch-
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Ernaͤhrung des Rindviehes.
Auch ſchlechter Leinſaamen, gequetſcht und mit Waſſer abgekocht, giebt
ein hoͤchſt nahrhaftes Getraͤnk fuͤr die Milchkuͤhe. Eben ſo wird der Spergel-
ſaamen gebraucht, jedoch nur mit heißem Waſſer angebruͤhet, ohne ihn zu kochen,
und als eins der nahrhafteſten und milchergiebigſten Fuͤtterungen geruͤhmt.
§. 30.
Die vortheilhafteſte Fuͤtterung des Rindviehes und beſonders der Kuͤhe,
und einen vollſtaͤndigen Erſatz eines Theils des Heues geben im Winter die
Wurzelgewaͤchſe ab: naͤmlich Kartoffeln, Runkeln, Kohl- und Steckruͤben, Ro-
tabaga, Waſſerruͤben, Moͤhren und Paſtinaken. Man muß aber nicht nach
ihren oft zufaͤllig hohen Marktpreis, ſondern nach ihren vollſtaͤndigen Produk-
tionskoſten rechnen. Denn man kann ſie ſelten in großer Menge zu Markt
bringen, und wenn einmal ein hoher Preis dies rathſam machen ſollte, und
man ſie gegen das Fruͤhjahr zum Theil entbehren koͤnnte, ſo muß man dies
als einen zufaͤlligen Gewinn betrachten.
Brachfruͤchte.
Ich habe im erſten Bande §. 275. uͤber die Nahrhaftigkeit dieſer Ge-
waͤchſe und das Verhaͤltniß derſelben zum Heu geſprochen, und im 276ſten §.
von ihrem Durchſchnittsertrage auf gut kultivirtem Boden; und ausfuͤhrlicher
habe ich daruͤber in dieſem Bande bei der Lehre vom Anbau eines jeden ge-
handelt. Daß das Verhaͤltniß ihrer Nahrhaftigkeit dort ſo genau als es uns
bis jetzt moͤglich iſt, getroffen worden, davon haben mich auch noch ſpaͤtere
Beobachtungen uͤberzeugt. Es bleibt mir nur uͤbrig von ihrer Anwendung
hier zu reden.
Dieſe Gewaͤchſe werden roh oder gekocht gegeben.
Das Kochen, vorzuͤglich der Kartoffeln, geſchiehet wo es angewandt wird,
im Großen jetzt allgemein in Daͤmpfen, weil dadurch nicht allein Feuerung er-
ſpart, ſondern auch der gehoͤrige Grad der Garheit beſſer erreicht wird. Der
beſſere Apparat dazu iſt jetzt allgemein bekannt, nachdem er durch die Brannt-
weinbrennerei aus Kartoffeln faſt an allen Orten eingerichtet worden. Er be-
ſteht aus einer gewoͤhnlichen Branntweinsblaſe, die aber, wie uͤberhaupt die
neueren Blaſen keinen Helm, ſondern einen weiten retortenfoͤrmigen Hals hat,
aus welchem die Daͤmpfe durch ein Rohr in das Kartoffelgefaͤß uͤbergehen.
Dieſes iſt ein Faß, welches aufrecht ſtehet, und worin unten ein zweiter durch-
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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 4. Berlin, 1812, S. 324. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft04_1812/348>, abgerufen am 22.11.2024.
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