Futter, sollte es auch nur gutes Stroh seyn, geben kann, so wird es sehr da- bei gewinnen.
Auf andren Weideabtriften kann das nächtliche Außenbleiben des Viehes nur selten rathsam seyn, auch weil hier der Dünger verloren geht, der bei den Kop- pelweiden dem Acker doch einigermaaßen zu Theil wird; zumal wenn auf dem zunächst umzubrechenden Schlage das Vieh des Nachts näher zusammen gehal- ten wird, und diesen Platz also gewissermaaßen bepfercht.
Bei dem Vieh, was vor den Hirten geht, ist die Art, wie er es behandelt, keinesweges gleichgültig. Er muß es so viel möglich, sich selbst überlassen, oder es doch nur sanft leiten und treiben, durchaus nicht mit dem Hunde hetzen. Wenn es weidend fortgeht, so muß er es so einrichten, daß es immer mit dem Winde gehe, und nicht ihm entgegen. Am wenigsten muß es gestört wirden, wenn es sich zum Wiederkäuen lagert, wobei ihm die vollkommenste Ruhe nöthig ist.
Die Frage, ob eine Kuh gleicher Art mehr Milch bei der Weide oder bei der Stallfüterung gebe, mag wohl zum Vortheil der erstern entschieden werden, wenn man voraussetzt, daß sie bei beiden gleiche und vollkommene Sättigung er- halte, und auch übrigens gleich gut behandelt werde. Denn ich weiß kein Beispiel, daß der Milchertrag eines ganzen Viehstapels im Durchschnitt bei der vollkommen- sten Stallfütterung so hoch betrieben worden, wie bei der vollkommensten Weide. Aber letztere ist nur höchst selten in der Wirklichkeit vorhanden.
§. 36.
Das Tüdern.Ein Mittelweg zwischen der Weide und Stallfütterung ist das sogenannte Tüdern oder Töddern; wo man nämlich das Vieh an den Hörnern mit einem Stricke befestigt, der am Halse einen zweckmäßig eingerichteten hölzernen Wirbel hat, und am andern Ende an einen in die Erde geschlagenen Pflock geknüpft wird, wo sich manchmal noch ein andrer Wirbel befindet. Bei einzelnen Stük- ken ist diese Methode ziemlich allgemein bekannt; aber daß sie im Großen mit Viehheerden von mehr als 100 Stücken betrieben werde, findet man bis jetzt, so viel ich weiß, nur in Dännemark; weswegen ich die mir davon gemachte Be- schreibung hier mittheile.
Es ist bei der Anwendung im Großen nothwendig, daß die Heerde so kon- zentrirt wie möglich zusammen gehalten werde, damit kein Theil der Fläche unbe-
Ernaͤhrung des Rindviehes.
Futter, ſollte es auch nur gutes Stroh ſeyn, geben kann, ſo wird es ſehr da- bei gewinnen.
Auf andren Weideabtriften kann das naͤchtliche Außenbleiben des Viehes nur ſelten rathſam ſeyn, auch weil hier der Duͤnger verloren geht, der bei den Kop- pelweiden dem Acker doch einigermaaßen zu Theil wird; zumal wenn auf dem zunaͤchſt umzubrechenden Schlage das Vieh des Nachts naͤher zuſammen gehal- ten wird, und dieſen Platz alſo gewiſſermaaßen bepfercht.
Bei dem Vieh, was vor den Hirten geht, iſt die Art, wie er es behandelt, keinesweges gleichguͤltig. Er muß es ſo viel moͤglich, ſich ſelbſt uͤberlaſſen, oder es doch nur ſanft leiten und treiben, durchaus nicht mit dem Hunde hetzen. Wenn es weidend fortgeht, ſo muß er es ſo einrichten, daß es immer mit dem Winde gehe, und nicht ihm entgegen. Am wenigſten muß es geſtoͤrt wirden, wenn es ſich zum Wiederkaͤuen lagert, wobei ihm die vollkommenſte Ruhe noͤthig iſt.
Die Frage, ob eine Kuh gleicher Art mehr Milch bei der Weide oder bei der Stallfuͤterung gebe, mag wohl zum Vortheil der erſtern entſchieden werden, wenn man vorausſetzt, daß ſie bei beiden gleiche und vollkommene Saͤttigung er- halte, und auch uͤbrigens gleich gut behandelt werde. Denn ich weiß kein Beiſpiel, daß der Milchertrag eines ganzen Viehſtapels im Durchſchnitt bei der vollkommen- ſten Stallfuͤtterung ſo hoch betrieben worden, wie bei der vollkommenſten Weide. Aber letztere iſt nur hoͤchſt ſelten in der Wirklichkeit vorhanden.
§. 36.
Das Tuͤdern.Ein Mittelweg zwiſchen der Weide und Stallfuͤtterung iſt das ſogenannte Tuͤdern oder Toͤddern; wo man naͤmlich das Vieh an den Hoͤrnern mit einem Stricke befeſtigt, der am Halſe einen zweckmaͤßig eingerichteten hoͤlzernen Wirbel hat, und am andern Ende an einen in die Erde geſchlagenen Pflock geknuͤpft wird, wo ſich manchmal noch ein andrer Wirbel befindet. Bei einzelnen Stuͤk- ken iſt dieſe Methode ziemlich allgemein bekannt; aber daß ſie im Großen mit Viehheerden von mehr als 100 Stuͤcken betrieben werde, findet man bis jetzt, ſo viel ich weiß, nur in Daͤnnemark; weswegen ich die mir davon gemachte Be- ſchreibung hier mittheile.
Es iſt bei der Anwendung im Großen nothwendig, daß die Heerde ſo kon- zentrirt wie moͤglich zuſammen gehalten werde, damit kein Theil der Flaͤche unbe-
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Ernaͤhrung des Rindviehes.
Futter, ſollte es auch nur gutes Stroh ſeyn, geben kann, ſo wird es ſehr da-
bei gewinnen.
Auf andren Weideabtriften kann das naͤchtliche Außenbleiben des Viehes nur
ſelten rathſam ſeyn, auch weil hier der Duͤnger verloren geht, der bei den Kop-
pelweiden dem Acker doch einigermaaßen zu Theil wird; zumal wenn auf dem
zunaͤchſt umzubrechenden Schlage das Vieh des Nachts naͤher zuſammen gehal-
ten wird, und dieſen Platz alſo gewiſſermaaßen bepfercht.
Bei dem Vieh, was vor den Hirten geht, iſt die Art, wie er es behandelt,
keinesweges gleichguͤltig. Er muß es ſo viel moͤglich, ſich ſelbſt uͤberlaſſen, oder
es doch nur ſanft leiten und treiben, durchaus nicht mit dem Hunde hetzen. Wenn
es weidend fortgeht, ſo muß er es ſo einrichten, daß es immer mit dem Winde
gehe, und nicht ihm entgegen. Am wenigſten muß es geſtoͤrt wirden, wenn es
ſich zum Wiederkaͤuen lagert, wobei ihm die vollkommenſte Ruhe noͤthig iſt.
Die Frage, ob eine Kuh gleicher Art mehr Milch bei der Weide oder bei
der Stallfuͤterung gebe, mag wohl zum Vortheil der erſtern entſchieden werden,
wenn man vorausſetzt, daß ſie bei beiden gleiche und vollkommene Saͤttigung er-
halte, und auch uͤbrigens gleich gut behandelt werde. Denn ich weiß kein Beiſpiel,
daß der Milchertrag eines ganzen Viehſtapels im Durchſchnitt bei der vollkommen-
ſten Stallfuͤtterung ſo hoch betrieben worden, wie bei der vollkommenſten Weide.
Aber letztere iſt nur hoͤchſt ſelten in der Wirklichkeit vorhanden.
§. 36.
Ein Mittelweg zwiſchen der Weide und Stallfuͤtterung iſt das ſogenannte
Tuͤdern oder Toͤddern; wo man naͤmlich das Vieh an den Hoͤrnern mit einem
Stricke befeſtigt, der am Halſe einen zweckmaͤßig eingerichteten hoͤlzernen Wirbel
hat, und am andern Ende an einen in die Erde geſchlagenen Pflock geknuͤpft
wird, wo ſich manchmal noch ein andrer Wirbel befindet. Bei einzelnen Stuͤk-
ken iſt dieſe Methode ziemlich allgemein bekannt; aber daß ſie im Großen mit
Viehheerden von mehr als 100 Stuͤcken betrieben werde, findet man bis jetzt, ſo
viel ich weiß, nur in Daͤnnemark; weswegen ich die mir davon gemachte Be-
ſchreibung hier mittheile.
Das Tuͤdern.
Es iſt bei der Anwendung im Großen nothwendig, daß die Heerde ſo kon-
zentrirt wie moͤglich zuſammen gehalten werde, damit kein Theil der Flaͤche unbe-
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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 4. Berlin, 1812, S. 332. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft04_1812/356>, abgerufen am 21.11.2024.
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