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Thomé de Gamond, Louis-Joseph-Aimé: Leben Davids, ersten Malers Napoleons. Übers. v. E. S. Leipzig u. a., 1827.

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Leben
ihn aber, dem Unterrichte selbst vorzustehen.
Vielleicht war dies ein großes Glück für David,
die Kunst, ja selbst für Frankreich. Denn Bou-
cher stand an der Spitze einer Schule, welche
den Geschmack verderbt hatte, und war sogar
der Stifter derselben. An die Stelle der Na-
tur und der reinen Formen der Griechen und
Römer hatte er seltsame Gebilde und Farben
gesetzt, deren Urbild nur in seiner Phantasie lag.
Die Kunst war unter ihm, mehr als je, auf
unbegreifliche Jrrwege gerathen.

Boucher trug daher einen Unterricht, des-
sen er sich selbst nicht mehr unterziehen konnte,
Vien, einem Freunde von ihm, auf. Dieser
Künstler hatte sich die Ehre erworben, nach
Rom gesandt zu werden. Hier, in der Betrach-
tung einer herrlichen Natur und in dem Studio
der vollkommensten Muster, schöpfte er diese
gründliche Kenntniß des Schönen, wovon er er-
füllt war, und die er in Frankreich von neuem
ins Leben rufen sollte. Damals war Vien Ma-
ler des Königs, Mitglied der königlichen Maler-
akademie, und seit 1750 Professor. Durch Bei-
spiel und Unterricht strebte er, die Kunst auf den
rechten Weg zurückzubringen, und er ward der

Leben
ihn aber, dem Unterrichte ſelbſt vorzuſtehen.
Vielleicht war dies ein großes Gluͤck fuͤr David,
die Kunſt, ja ſelbſt fuͤr Frankreich. Denn Bou-
cher ſtand an der Spitze einer Schule, welche
den Geſchmack verderbt hatte, und war ſogar
der Stifter derſelben. An die Stelle der Na-
tur und der reinen Formen der Griechen und
Roͤmer hatte er ſeltſame Gebilde und Farben
geſetzt, deren Urbild nur in ſeiner Phantaſie lag.
Die Kunſt war unter ihm, mehr als je, auf
unbegreifliche Jrrwege gerathen.

Boucher trug daher einen Unterricht, deſ-
ſen er ſich ſelbſt nicht mehr unterziehen konnte,
Vien, einem Freunde von ihm, auf. Dieſer
Kuͤnſtler hatte ſich die Ehre erworben, nach
Rom geſandt zu werden. Hier, in der Betrach-
tung einer herrlichen Natur und in dem Studio
der vollkommenſten Muſter, ſchoͤpfte er dieſe
gruͤndliche Kenntniß des Schoͤnen, wovon er er-
fuͤllt war, und die er in Frankreich von neuem
ins Leben rufen ſollte. Damals war Vien Ma-
ler des Koͤnigs, Mitglied der koͤniglichen Maler-
akademie, und ſeit 1750 Profeſſor. Durch Bei-
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[6/0020] Leben ihn aber, dem Unterrichte ſelbſt vorzuſtehen. Vielleicht war dies ein großes Gluͤck fuͤr David, die Kunſt, ja ſelbſt fuͤr Frankreich. Denn Bou- cher ſtand an der Spitze einer Schule, welche den Geſchmack verderbt hatte, und war ſogar der Stifter derſelben. An die Stelle der Na- tur und der reinen Formen der Griechen und Roͤmer hatte er ſeltſame Gebilde und Farben geſetzt, deren Urbild nur in ſeiner Phantaſie lag. Die Kunſt war unter ihm, mehr als je, auf unbegreifliche Jrrwege gerathen. Boucher trug daher einen Unterricht, deſ- ſen er ſich ſelbſt nicht mehr unterziehen konnte, Vien, einem Freunde von ihm, auf. Dieſer Kuͤnſtler hatte ſich die Ehre erworben, nach Rom geſandt zu werden. Hier, in der Betrach- tung einer herrlichen Natur und in dem Studio der vollkommenſten Muſter, ſchoͤpfte er dieſe gruͤndliche Kenntniß des Schoͤnen, wovon er er- fuͤllt war, und die er in Frankreich von neuem ins Leben rufen ſollte. Damals war Vien Ma- ler des Koͤnigs, Mitglied der koͤniglichen Maler- akademie, und ſeit 1750 Profeſſor. Durch Bei- ſpiel und Unterricht ſtrebte er, die Kunſt auf den rechten Weg zuruͤckzubringen, und er ward der

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Zitationshilfe: Thomé de Gamond, Louis-Joseph-Aimé: Leben Davids, ersten Malers Napoleons. Übers. v. E. S. Leipzig u. a., 1827, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thiers_david_1827/20>, abgerufen am 21.11.2024.