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Thieß, Johann Otto: Unser Herr! in den lezten Tagen seines ersten und in den ersten Tagen seines andern Menschenlebens. Neue Aufl. Hannover, 1794.

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Unser Herr
mehr frei unter den Juden, sondern ging von dan-
nen in eine Gegend, nahe bei der Wüsten, in eine
Stadt, genannt Ephrem, und hatte sein Wesen
daselbst mit seinen Jüngern. Zu Jerusalem war
nun also seinetwegen schon alles in Bewegung;
ieder war begierig, zu erfahren, ob er auch wohl
diesmal nach Jerusalem auf das bevorstehende
Osterfest kommen, und in welchem Aufzug er dann
wohl erscheinen werde.

Einige Tage vor dem Feste begab sich nun
Jesus aus seiner Einsamkeit wieder nach Betha-
nien. Schon war es, nach ienem Befehl des
hohen Raths, in welchem er für vogelfrei erklärt
war, mislich, ihn aufzunehmen, zumal da Betha-
nien so nah bei Jerusalem lag. Würklich war
nun auch die Aufnahme sehr bedeutend, die er da
fand oder die er vielmehr selbst suchte. Er kehrte
nämlich izt nicht bei seinem Freunde ein, um den
er selbst eine Thräne so schön verweint, und den
er vom gewissesten Tod errettet hatte: sondern er
ging in das Haus eines gewissen Simons, mit
dem Beinamen: der Aussäzzige. War dieser
Simon eben der, dessen Lukas erwähnt, war die
Geschichte der Salbung Jesu, die in dem Hause
dieses Pharisäers vorfiel, folglich eben die, deren
die andern Evangelisten erst hier gedenken? Es
scheint nicht so, wiewohl es freilich etwas auffal-
lend ist, daß in beiden Erzählungen ein Simon
vorkommt, daß Jesus, nach beiden, in dem Hause
Simons zu Tische sizt, und daß gerade da eine
Frau eine sehr kostbare Salbe zu seinem Gebrauch

ver-

Unſer Herr
mehr frei unter den Juden, ſondern ging von dan-
nen in eine Gegend, nahe bei der Wüſten, in eine
Stadt, genannt Ephrem, und hatte ſein Weſen
daſelbſt mit ſeinen Jüngern. Zu Jeruſalem war
nun alſo ſeinetwegen ſchon alles in Bewegung;
ieder war begierig, zu erfahren, ob er auch wohl
diesmal nach Jeruſalem auf das bevorſtehende
Oſterfeſt kommen, und in welchem Aufzug er dann
wohl erſcheinen werde.

Einige Tage vor dem Feſte begab ſich nun
Jeſus aus ſeiner Einſamkeit wieder nach Betha-
nien. Schon war es, nach ienem Befehl des
hohen Raths, in welchem er für vogelfrei erklärt
war, mislich, ihn aufzunehmen, zumal da Betha-
nien ſo nah bei Jeruſalem lag. Würklich war
nun auch die Aufnahme ſehr bedeutend, die er da
fand oder die er vielmehr ſelbſt ſuchte. Er kehrte
nämlich izt nicht bei ſeinem Freunde ein, um den
er ſelbſt eine Thräne ſo ſchön verweint, und den
er vom gewiſſeſten Tod errettet hatte: ſondern er
ging in das Haus eines gewiſſen Simons, mit
dem Beinamen: der Auſſäzzige. War dieſer
Simon eben der, deſſen Lukas erwähnt, war die
Geſchichte der Salbung Jeſu, die in dem Hauſe
dieſes Phariſäers vorfiel, folglich eben die, deren
die andern Evangeliſten erſt hier gedenken? Es
ſcheint nicht ſo, wiewohl es freilich etwas auffal-
lend iſt, daß in beiden Erzählungen ein Simon
vorkommt, daß Jeſus, nach beiden, in dem Hauſe
Simons zu Tiſche ſizt, und daß gerade da eine
Frau eine ſehr koſtbare Salbe zu ſeinem Gebrauch

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[10/0024] Unſer Herr mehr frei unter den Juden, ſondern ging von dan- nen in eine Gegend, nahe bei der Wüſten, in eine Stadt, genannt Ephrem, und hatte ſein Weſen daſelbſt mit ſeinen Jüngern. Zu Jeruſalem war nun alſo ſeinetwegen ſchon alles in Bewegung; ieder war begierig, zu erfahren, ob er auch wohl diesmal nach Jeruſalem auf das bevorſtehende Oſterfeſt kommen, und in welchem Aufzug er dann wohl erſcheinen werde. Einige Tage vor dem Feſte begab ſich nun Jeſus aus ſeiner Einſamkeit wieder nach Betha- nien. Schon war es, nach ienem Befehl des hohen Raths, in welchem er für vogelfrei erklärt war, mislich, ihn aufzunehmen, zumal da Betha- nien ſo nah bei Jeruſalem lag. Würklich war nun auch die Aufnahme ſehr bedeutend, die er da fand oder die er vielmehr ſelbſt ſuchte. Er kehrte nämlich izt nicht bei ſeinem Freunde ein, um den er ſelbſt eine Thräne ſo ſchön verweint, und den er vom gewiſſeſten Tod errettet hatte: ſondern er ging in das Haus eines gewiſſen Simons, mit dem Beinamen: der Auſſäzzige. War dieſer Simon eben der, deſſen Lukas erwähnt, war die Geſchichte der Salbung Jeſu, die in dem Hauſe dieſes Phariſäers vorfiel, folglich eben die, deren die andern Evangeliſten erſt hier gedenken? Es ſcheint nicht ſo, wiewohl es freilich etwas auffal- lend iſt, daß in beiden Erzählungen ein Simon vorkommt, daß Jeſus, nach beiden, in dem Hauſe Simons zu Tiſche ſizt, und daß gerade da eine Frau eine ſehr koſtbare Salbe zu ſeinem Gebrauch ver-

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Zitationshilfe: Thieß, Johann Otto: Unser Herr! in den lezten Tagen seines ersten und in den ersten Tagen seines andern Menschenlebens. Neue Aufl. Hannover, 1794, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thiess_andachtsbuch_1794/24>, abgerufen am 21.11.2024.