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Thieß, Johann Otto: Unser Herr! in den lezten Tagen seines ersten und in den ersten Tagen seines andern Menschenlebens. Neue Aufl. Hannover, 1794.

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mit seinen Jüngern.
ein böser Verdacht, sei er auch noch so entfernt,
so bald irgend eine Warnung, sei sie auch noch
so allgemein, an mein Herz dringt! Daß ich
doch fragte, mich und dich selbst fragte, so oft du
mit mir redest in deinem Wort, von einem Sün-
der, den du strafen, oder von einem Frommen, den
du belohnen wirst, daß ich dann, mit dem ganzen
Ernst des Petrus, mit der ganzen Innigkeit
des Johannes, frage: "Herr! bin ichs?"

Der Unheilige, dem es Jesus auf seine
eigne kleinlaute Frage, die er, um sich durch sein
Stillschweigen nicht gleich als den Verräther zu
verrathen, wie schwer ihm dies auch ward, doch
aufbringen mußte, still zu verstehn gegeben hatte,
was, auf einen Wink von Johannes, vielleicht in
eben dem Augenblik, auch Petrus erfuhr, die übri-
gen Jünger aber nicht merkten, er, Judas sei es,
von dem Jesus rede, dieser Unheilige, sag ich,
scheint sich schon entfernt zu haben, sich erst haben
entfernen zu sollen, wie und eh Jesus das Heilige
vornahm, was dieses Abendmahl, was diese
Nacht so wigtig, so einzig, so gesegnet macht.
Blik hin, mein Geist, als wärst du des heiligen
Geistes voll, in das Ende dieser Abendgesellschaft
Jesu, als sähst du dem Morgen entgegen, der
dich ganz persönlich mit ihm vereinigen wird, mit
dem du in wiederholter Feier dieses Mahls dich
persönlich vereinigst. Noch ist der Herr im
Kreise seiner Jünger: aber der runde, volle Zir-
kel der Zwölfer ist zerrissen, Judas ist gewichen,
und so wie er -- ich mags nicht sehn, mit welcher

Ge-

mit ſeinen Jüngern.
ein böſer Verdacht, ſei er auch noch ſo entfernt,
ſo bald irgend eine Warnung, ſei ſie auch noch
ſo allgemein, an mein Herz dringt! Daß ich
doch fragte, mich und dich ſelbſt fragte, ſo oft du
mit mir redeſt in deinem Wort, von einem Sün-
der, den du ſtrafen, oder von einem Frommen, den
du belohnen wirſt, daß ich dann, mit dem ganzen
Ernſt des Petrus, mit der ganzen Innigkeit
des Johannes, frage: “Herr! bin ichs?”

Der Unheilige, dem es Jeſus auf ſeine
eigne kleinlaute Frage, die er, um ſich durch ſein
Stillſchweigen nicht gleich als den Verräther zu
verrathen, wie ſchwer ihm dies auch ward, doch
aufbringen mußte, ſtill zu verſtehn gegeben hatte,
was, auf einen Wink von Johannes, vielleicht in
eben dem Augenblik, auch Petrus erfuhr, die übri-
gen Jünger aber nicht merkten, er, Judas ſei es,
von dem Jeſus rede, dieſer Unheilige, ſag ich,
ſcheint ſich ſchon entfernt zu haben, ſich erſt haben
entfernen zu ſollen, wie und eh Jeſus das Heilige
vornahm, was dieſes Abendmahl, was dieſe
Nacht ſo wigtig, ſo einzig, ſo geſegnet macht.
Blik hin, mein Geiſt, als wärſt du des heiligen
Geiſtes voll, in das Ende dieſer Abendgeſellſchaft
Jeſu, als ſähſt du dem Morgen entgegen, der
dich ganz perſönlich mit ihm vereinigen wird, mit
dem du in wiederholter Feier dieſes Mahls dich
perſönlich vereinigſt. Noch iſt der Herr im
Kreiſe ſeiner Jünger: aber der runde, volle Zir-
kel der Zwölfer iſt zerriſſen, Judas iſt gewichen,
und ſo wie er — ich mags nicht ſehn, mit welcher

Ge-
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[29/0043] mit ſeinen Jüngern. ein böſer Verdacht, ſei er auch noch ſo entfernt, ſo bald irgend eine Warnung, ſei ſie auch noch ſo allgemein, an mein Herz dringt! Daß ich doch fragte, mich und dich ſelbſt fragte, ſo oft du mit mir redeſt in deinem Wort, von einem Sün- der, den du ſtrafen, oder von einem Frommen, den du belohnen wirſt, daß ich dann, mit dem ganzen Ernſt des Petrus, mit der ganzen Innigkeit des Johannes, frage: “Herr! bin ichs?” Der Unheilige, dem es Jeſus auf ſeine eigne kleinlaute Frage, die er, um ſich durch ſein Stillſchweigen nicht gleich als den Verräther zu verrathen, wie ſchwer ihm dies auch ward, doch aufbringen mußte, ſtill zu verſtehn gegeben hatte, was, auf einen Wink von Johannes, vielleicht in eben dem Augenblik, auch Petrus erfuhr, die übri- gen Jünger aber nicht merkten, er, Judas ſei es, von dem Jeſus rede, dieſer Unheilige, ſag ich, ſcheint ſich ſchon entfernt zu haben, ſich erſt haben entfernen zu ſollen, wie und eh Jeſus das Heilige vornahm, was dieſes Abendmahl, was dieſe Nacht ſo wigtig, ſo einzig, ſo geſegnet macht. Blik hin, mein Geiſt, als wärſt du des heiligen Geiſtes voll, in das Ende dieſer Abendgeſellſchaft Jeſu, als ſähſt du dem Morgen entgegen, der dich ganz perſönlich mit ihm vereinigen wird, mit dem du in wiederholter Feier dieſes Mahls dich perſönlich vereinigſt. Noch iſt der Herr im Kreiſe ſeiner Jünger: aber der runde, volle Zir- kel der Zwölfer iſt zerriſſen, Judas iſt gewichen, und ſo wie er — ich mags nicht ſehn, mit welcher Ge-

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Zitationshilfe: Thieß, Johann Otto: Unser Herr! in den lezten Tagen seines ersten und in den ersten Tagen seines andern Menschenlebens. Neue Aufl. Hannover, 1794, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thiess_andachtsbuch_1794/43>, abgerufen am 23.11.2024.