Thieß, Johann Otto: Unser Herr! in den lezten Tagen seines ersten und in den ersten Tagen seines andern Menschenlebens. Neue Aufl. Hannover, 1794.verrathen von seinem Jünger. rusalem übernachtete, einem Meierhof, der amOelberg lag, dahin kam er mit der, ihm nach- folgenden, Tempelwache, die nun Jesum greifen sollte, in einem schreklichen Aufzuge von Priestern, Soldaten, und Pöbel, mit Schwertern und Prü- geln, mit Lampen und Fakkeln, mitten in der, izt also wohl stokfinstern, Nacht. Dies war seine und seiner feindlichen Freunde, seiner bübischen Verbündeten unglükselige Stunde, dies war die Macht der Finsternis. Am Oelberg fand er nun, ganz nach dem satanischen Wunsche, der izt seiner und seiner Rotte sich bemächtigt haben mußte, Jesum und seine Jünger zerstreut. Der größte Theil der Jünger hielt sich, wachend oder schla- fend, auf dem Meierhofe verborgen, einige lagen am Abhang des Oelbergs in tiefem Schlafe, aus dem Jesus mit Mühe sie wekte, wie Judas mit seinem Gefolge schon ganz in ihrer Näh war, und Jesus war also, auch in ihrer Gesellschaft, so gut wie allein, so gut wie verlassen; er kehrte viel- leicht eben izt von den Jüngern, die er gewekt hatte, zurük; er stand vielleicht izt ganz einzig auf der Höhe des Bergs, iedem Laternträger, auch in der finstersten Wolke, die auf dem Berge sich gelagert haben mogte, sichtbar, so, als erwart er den Angrif, der izt auf ihn gemacht werden sollte. Und nun schleicht Judas, indem die Wache, so, als befürchte sie einen Ueberfall, sich schimpflich verborgen hält, zu ihm hinan; nun geht er schnel- len Schritts auf ihn zu, so, als hab er ihn ungern einige Stunden oder Minuten vermißt, so, als hab er sich von ungefähr aus seinem Gefolge ver- loh- D 5
verrathen von ſeinem Jünger. ruſalem übernachtete, einem Meierhof, der amOelberg lag, dahin kam er mit der, ihm nach- folgenden, Tempelwache, die nun Jeſum greifen ſollte, in einem ſchreklichen Aufzuge von Prieſtern, Soldaten, und Pöbel, mit Schwertern und Prü- geln, mit Lampen und Fakkeln, mitten in der, izt alſo wohl ſtokfinſtern, Nacht. Dies war ſeine und ſeiner feindlichen Freunde, ſeiner bübiſchen Verbündeten unglükſelige Stunde, dies war die Macht der Finſternis. Am Oelberg fand er nun, ganz nach dem ſataniſchen Wunſche, der izt ſeiner und ſeiner Rotte ſich bemächtigt haben mußte, Jeſum und ſeine Jünger zerſtreut. Der größte Theil der Jünger hielt ſich, wachend oder ſchla- fend, auf dem Meierhofe verborgen, einige lagen am Abhang des Oelbergs in tiefem Schlafe, aus dem Jeſus mit Mühe ſie wekte, wie Judas mit ſeinem Gefolge ſchon ganz in ihrer Näh war, und Jeſus war alſo, auch in ihrer Geſellſchaft, ſo gut wie allein, ſo gut wie verlaſſen; er kehrte viel- leicht eben izt von den Jüngern, die er gewekt hatte, zurük; er ſtand vielleicht izt ganz einzig auf der Höhe des Bergs, iedem Laternträger, auch in der finſterſten Wolke, die auf dem Berge ſich gelagert haben mogte, ſichtbar, ſo, als erwart er den Angrif, der izt auf ihn gemacht werden ſollte. Und nun ſchleicht Judas, indem die Wache, ſo, als befürchte ſie einen Ueberfall, ſich ſchimpflich verborgen hält, zu ihm hinan; nun geht er ſchnel- len Schritts auf ihn zu, ſo, als hab er ihn ungern einige Stunden oder Minuten vermißt, ſo, als hab er ſich von ungefähr aus ſeinem Gefolge ver- loh- D 5
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verrathen von ſeinem Jünger.
ruſalem übernachtete, einem Meierhof, der am
Oelberg lag, dahin kam er mit der, ihm nach-
folgenden, Tempelwache, die nun Jeſum greifen
ſollte, in einem ſchreklichen Aufzuge von Prieſtern,
Soldaten, und Pöbel, mit Schwertern und Prü-
geln, mit Lampen und Fakkeln, mitten in der, izt
alſo wohl ſtokfinſtern, Nacht. Dies war ſeine
und ſeiner feindlichen Freunde, ſeiner bübiſchen
Verbündeten unglükſelige Stunde, dies war die
Macht der Finſternis. Am Oelberg fand er nun,
ganz nach dem ſataniſchen Wunſche, der izt ſeiner
und ſeiner Rotte ſich bemächtigt haben mußte,
Jeſum und ſeine Jünger zerſtreut. Der größte
Theil der Jünger hielt ſich, wachend oder ſchla-
fend, auf dem Meierhofe verborgen, einige lagen
am Abhang des Oelbergs in tiefem Schlafe, aus
dem Jeſus mit Mühe ſie wekte, wie Judas mit
ſeinem Gefolge ſchon ganz in ihrer Näh war, und
Jeſus war alſo, auch in ihrer Geſellſchaft, ſo gut
wie allein, ſo gut wie verlaſſen; er kehrte viel-
leicht eben izt von den Jüngern, die er gewekt
hatte, zurük; er ſtand vielleicht izt ganz einzig
auf der Höhe des Bergs, iedem Laternträger, auch
in der finſterſten Wolke, die auf dem Berge ſich
gelagert haben mogte, ſichtbar, ſo, als erwart er
den Angrif, der izt auf ihn gemacht werden ſollte.
Und nun ſchleicht Judas, indem die Wache, ſo,
als befürchte ſie einen Ueberfall, ſich ſchimpflich
verborgen hält, zu ihm hinan; nun geht er ſchnel-
len Schritts auf ihn zu, ſo, als hab er ihn ungern
einige Stunden oder Minuten vermißt, ſo, als
hab er ſich von ungefähr aus ſeinem Gefolge ver-
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