Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.Das 4. H. wie vielerley die Gem. N. demselben zu entgehen/ so haben auch die Philo-sophen zweyerley Arten des Verlangens ge- macht/ eine gegen das gute/ welches sie eine Begierde nennen (cupiditatem, concupiscentiam,) und eine gegen das böse/ welches sie eine Flucht oder Grauen nennen (fugam, aversionem.) Es ist aber sehr schwer diese beyden Arten zu unterschei- den. Denn wir haben oben i) das gute und bö- se eingetheilet/ daß es entweder positive oder privative genommen werde/ und daß das gute nicht allein in Erlangung einer angenehmen Sache/ sondern auch in Beraubung einer bösen/ und das böse nicht nur in Erhaltung ei- ner unangenehmen/ sondern auch in Beraubung einer angenehmen Sache bestehe. Derowegen wird es uns sehr schwer werden zu entscheiden/ ob das Verlangen das gute zu erhalten/ und das böse zu verlieren/ zu der Begierde oder zu dem Grauen gerechnet werden solle. Zu geschwei- gen/ daß man sehr subtil würde untersuchen müs- sen/ was z. e. unter der Begierde das gute zu erhalten/ und unter dem Grauen dasselbe zu verlieren für Unterscheid sey. 6. Dieweil dann diese zwey Arten so subtil tet/ i) part. 1. c. 1. n. 122.
Das 4. H. wie vielerley die Gem. N. demſelben zu entgehen/ ſo haben auch die Philo-ſophen zweyerley Arten des Verlangens ge- macht/ eine gegen das gute/ welches ſie eine Begierde nennen (cupiditatem, concupiſcentiam,) und eine gegen das boͤſe/ welches ſie eine Flucht oder Grauen nennen (fugam, averſionem.) Es iſt aber ſehr ſchwer dieſe beyden Arten zu unterſchei- den. Denn wir haben oben i) das gute und boͤ- ſe eingetheilet/ daß es entweder poſitivè oder privativè genommen werde/ und daß das gute nicht allein in Erlangung einer angenehmen Sache/ ſondern auch in Beraubung einer boͤſen/ und das boͤſe nicht nur in Erhaltung ei- ner unangenehmen/ ſondern auch in Beraubung einer angenehmen Sache beſtehe. Derowegen wird es uns ſehr ſchwer werden zu entſcheiden/ ob das Verlangen das gute zu erhalten/ und das boͤſe zu verlieren/ zu der Begierde oder zu dem Grauen gerechnet werden ſolle. Zu geſchwei- gen/ daß man ſehr ſubtil wuͤrde unterſuchen muͤſ- ſen/ was z. e. unter der Begierde das gute zu erhalten/ und unter dem Grauen daſſelbe zu verlieren fuͤr Unterſcheid ſey. 6. Dieweil dann dieſe zwey Arten ſo ſubtil tet/ i) part. 1. c. 1. n. 122.
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Das 4. H. wie vielerley die Gem. N.
demſelben zu entgehen/ ſo haben auch die Philo-
ſophen zweyerley Arten des Verlangens ge-
macht/ eine gegen das gute/ welches ſie eine
Begierde nennen (cupiditatem, concupiſcentiam,)
und eine gegen das boͤſe/ welches ſie eine Flucht
oder Grauen nennen (fugam, averſionem.) Es iſt
aber ſehr ſchwer dieſe beyden Arten zu unterſchei-
den. Denn wir haben oben i) das gute und boͤ-
ſe eingetheilet/ daß es entweder poſitivè oder
privativè genommen werde/ und daß das gute
nicht allein in Erlangung einer angenehmen
Sache/ ſondern auch in Beraubung einer
boͤſen/ und das boͤſe nicht nur in Erhaltung ei-
ner unangenehmen/ ſondern auch in Beraubung
einer angenehmen Sache beſtehe. Derowegen
wird es uns ſehr ſchwer werden zu entſcheiden/
ob das Verlangen das gute zu erhalten/ und das
boͤſe zu verlieren/ zu der Begierde oder zu dem
Grauen gerechnet werden ſolle. Zu geſchwei-
gen/ daß man ſehr ſubtil wuͤrde unterſuchen muͤſ-
ſen/ was z. e. unter der Begierde das gute zu
erhalten/ und unter dem Grauen daſſelbe zu
verlieren fuͤr Unterſcheid ſey.
6. Dieweil dann dieſe zwey Arten ſo ſubtil
zu begreiffen ſeyn/ und ſonſten keinen groſſen Nu-
tzen haben/ auch die Flucht (Fuga) die der Begier-
de entgegen geſetzt wird/ bey uns Teutſchen gantz
was anders als eine Gemuͤths-Neigung bedeu-
tet/
i) part. 1. c. 1. n. 122.
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