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Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.

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seyn/ u. welche die Vornehm. drunter.

46. Aber was ist wohl die Ursache/ warum
die Menschen/ die doch so unterschiedene Begier-
den haben/ in dieser närrischen Begierde einig
sind/ daß sie von Natur die Verwunderung
mehr lieben als die Wissenschafft.
Keine an-
dere/ als daß die Menschen von Natur zu denen
Lastern geneigt sind/ die Unwissenheit aber ja
so genau mit allen Lastern verknüpfft ist/

als die wahre Weißheit mit der Tugend.

47. Ein Wollüstiger liebet die Verwun-
derung und Unwissenheit deßhalben/ weil es so
ein hüpsches/ artiges und belustigendes Ding
ist/ wenn man was seltzames siehet/ und weil die
Dinge wormit man täglich umbgehet/ von Natur
einen Eckel machen.

48. Ein Ehrgeitziger ist ein Patron der
Unwissenheit. Denn wenn er sich selbst kenne-
te
und die eitele Ehre/ würde er entweder diesel-
be nicht begehren/ oder andere nicht so thöricht
achten/ daß sie ihn ohne gnugsame Ursach andern
vorziehn solten. Ja es müssen andere nicht klug
seyn/
die einen ehrgeitzigen Narren veneriren.
Also ist einem Ehrgeitzigen sehr viel daran ge-
legen/
daß diese Leute nicht aus ihrer Unwissen-
heit gebracht werden.

49. Ein Geldgeitziger ist ein Patron der
Unwissenheit/ weil man wahre Weißheit mit
nichts/ aber verwunderns-würdige Dinge
mit vielen Gelde
bezahlet. Wenn man also

denen
ſeyn/ u. welche die Vornehm. drunter.

46. Aber was iſt wohl die Urſache/ warum
die Menſchen/ die doch ſo unterſchiedene Begier-
den haben/ in dieſer naͤrriſchen Begierde einig
ſind/ daß ſie von Natur die Verwunderung
mehr lieben als die Wiſſenſchafft.
Keine an-
dere/ als daß die Menſchen von Natur zu denen
Laſtern geneigt ſind/ die Unwiſſenheit aber ja
ſo genau mit allen Laſtern verknuͤpfft iſt/

als die wahre Weißheit mit der Tugend.

47. Ein Wolluͤſtiger liebet die Verwun-
derung und Unwiſſenheit deßhalben/ weil es ſo
ein huͤpſches/ artiges und beluſtigendes Ding
iſt/ wenn man was ſeltzames ſiehet/ und weil die
Dinge wormit man taͤglich umbgehet/ von Natur
einen Eckel machen.

48. Ein Ehrgeitziger iſt ein Patron der
Unwiſſenheit. Denn wenn er ſich ſelbſt kenne-
te
und die eitele Ehre/ wuͤrde er entweder dieſel-
be nicht begehren/ oder andere nicht ſo thoͤricht
achten/ daß ſie ihn ohne gnugſame Urſach andern
vorziehn ſolten. Ja es muͤſſen andere nicht klug
ſeyn/
die einen ehrgeitzigen Narren veneriren.
Alſo iſt einem Ehrgeitzigen ſehr viel daran ge-
legen/
daß dieſe Leute nicht aus ihrer Unwiſſen-
heit gebracht werden.

49. Ein Geldgeitziger iſt ein Patron der
Unwiſſenheit/ weil man wahre Weißheit mit
nichts/ aber verwunderns-wuͤrdige Dinge
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[125/0137] ſeyn/ u. welche die Vornehm. drunter. 46. Aber was iſt wohl die Urſache/ warum die Menſchen/ die doch ſo unterſchiedene Begier- den haben/ in dieſer naͤrriſchen Begierde einig ſind/ daß ſie von Natur die Verwunderung mehr lieben als die Wiſſenſchafft. Keine an- dere/ als daß die Menſchen von Natur zu denen Laſtern geneigt ſind/ die Unwiſſenheit aber ja ſo genau mit allen Laſtern verknuͤpfft iſt/ als die wahre Weißheit mit der Tugend. 47. Ein Wolluͤſtiger liebet die Verwun- derung und Unwiſſenheit deßhalben/ weil es ſo ein huͤpſches/ artiges und beluſtigendes Ding iſt/ wenn man was ſeltzames ſiehet/ und weil die Dinge wormit man taͤglich umbgehet/ von Natur einen Eckel machen. 48. Ein Ehrgeitziger iſt ein Patron der Unwiſſenheit. Denn wenn er ſich ſelbſt kenne- te und die eitele Ehre/ wuͤrde er entweder dieſel- be nicht begehren/ oder andere nicht ſo thoͤricht achten/ daß ſie ihn ohne gnugſame Urſach andern vorziehn ſolten. Ja es muͤſſen andere nicht klug ſeyn/ die einen ehrgeitzigen Narren veneriren. Alſo iſt einem Ehrgeitzigen ſehr viel daran ge- legen/ daß dieſe Leute nicht aus ihrer Unwiſſen- heit gebracht werden. 49. Ein Geldgeitziger iſt ein Patron der Unwiſſenheit/ weil man wahre Weißheit mit nichts/ aber verwunderns-wuͤrdige Dinge mit vielen Gelde bezahlet. Wenn man alſo denen

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/137>, abgerufen am 21.11.2024.