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Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.

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etwas Gutes oder Böses sind?
denen ruhigen durch weniger unruhige ge-
lange.

8. Aus diesen folget aber/ daß die Gemüths-
Neigungen überhaupt indifferent, d. i. weder
gut noch böse seyn/ in Ansehen ihrer Arten aber
sind sie entweder gut/ die uns zur Ruhe/ oder bö-
se/
die uns zur Unruhe führen.

9. Zugleich siehet man das hieraus/ daß
die guten-Gemüths-Neigungen nicht unter das
ordentliche/ sondern das ausserordentliche Gu-
te
h) gehören/ denn sie sind nichts anders/ als ei-
ne Artzney der Seelen. Woraus ferner folget/
daß die guten Gemüths-Neigungen in Ansehen
der Gemüths-Ruhe/ als des höchsten Guts selbst/
zu der sie uns führen/ viel geringere Güter seyn.

10. Und also wird ein mercklicher Unter-
scheid unter der vernünfftigen Liebe/ die ein Ur-
sprung der Gemühts-Ruhe/
und unter der Lie-
be/ die eine Würckung derselben ist/ i) zu finden
seyn. Jene ist ein affect. Diese aber ist keiner/
denn sie liebet ohne alle Unruhe und ausserordent-
liche Bewegung/ und liebet nichts desto weniger
viel stärcker als jene. l)

11. Es folget ferner daraus/ daß die guten Ge-
müths-Neigungen/
durch welche wir vonder Un-
ruhe durch weniger Unruhe zur Ruhe uns begeben/
nicht in ihrer ausseror dentlichen Bewegung unter-

hal-
h) vid. part. 1. c. 1. n. 114. 118.
i) part. 1. c. 2. n.
71.
l) Conf. part. 1. c. 7. n 4. 14.
K 2

etwas Gutes oder Boͤſes ſind?
denen ruhigen durch weniger unruhige ge-
lange.

8. Aus dieſen folget aber/ daß die Gemuͤths-
Neigungen uͤberhaupt indifferent, d. i. weder
gut noch boͤſe ſeyn/ in Anſehen ihrer Arten aber
ſind ſie entweder gut/ die uns zur Ruhe/ oder boͤ-
ſe/
die uns zur Unruhe fuͤhren.

9. Zugleich ſiehet man das hieraus/ daß
die guten-Gemuͤths-Neigungen nicht unter das
ordentliche/ ſondern das auſſerordentliche Gu-
te
h) gehoͤren/ denn ſie ſind nichts anders/ als ei-
ne Artzney der Seelen. Woraus ferner folget/
daß die guten Gemuͤths-Neigungen in Anſehen
der Gemuͤths-Ruhe/ als des hoͤchſten Guts ſelbſt/
zu der ſie uns fuͤhren/ viel geringere Guͤter ſeyn.

10. Und alſo wird ein mercklicher Unter-
ſcheid unter der vernuͤnfftigen Liebe/ die ein Ur-
ſprung der Gemuͤhts-Ruhe/
und unter der Lie-
be/ die eine Wuͤrckung derſelben iſt/ i) zu finden
ſeyn. Jene iſt ein affect. Dieſe aber iſt keiner/
denn ſie liebet ohne alle Unruhe und auſſerordent-
liche Bewegung/ und liebet nichts deſto weniger
viel ſtaͤrcker als jene. l)

11. Es folget ferner daraus/ daß die guten Ge-
muͤths-Neigungẽ/
durch welche wir vonder Un-
ruhe durch weniger Unruhe zur Ruhe uns begebẽ/
nicht in ihrer auſſeroꝛ dentlichẽ Bewegung unter-

hal-
h) vid. part. 1. c. 1. n. 114. 118.
i) part. 1. c. 2. n.
71.
l) Conf. part. 1. c. 7. n 4. 14.
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[147/0159] etwas Gutes oder Boͤſes ſind? denen ruhigen durch weniger unruhige ge- lange. 8. Aus dieſen folget aber/ daß die Gemuͤths- Neigungen uͤberhaupt indifferent, d. i. weder gut noch boͤſe ſeyn/ in Anſehen ihrer Arten aber ſind ſie entweder gut/ die uns zur Ruhe/ oder boͤ- ſe/ die uns zur Unruhe fuͤhren. 9. Zugleich ſiehet man das hieraus/ daß die guten-Gemuͤths-Neigungen nicht unter das ordentliche/ ſondern das auſſerordentliche Gu- te h) gehoͤren/ denn ſie ſind nichts anders/ als ei- ne Artzney der Seelen. Woraus ferner folget/ daß die guten Gemuͤths-Neigungen in Anſehen der Gemuͤths-Ruhe/ als des hoͤchſten Guts ſelbſt/ zu der ſie uns fuͤhren/ viel geringere Guͤter ſeyn. 10. Und alſo wird ein mercklicher Unter- ſcheid unter der vernuͤnfftigen Liebe/ die ein Ur- ſprung der Gemuͤhts-Ruhe/ und unter der Lie- be/ die eine Wuͤrckung derſelben iſt/ i) zu finden ſeyn. Jene iſt ein affect. Dieſe aber iſt keiner/ denn ſie liebet ohne alle Unruhe und auſſerordent- liche Bewegung/ und liebet nichts deſto weniger viel ſtaͤrcker als jene. l) 11. Es folget ferner daraus/ daß die guten Ge- muͤths-Neigungẽ/ durch welche wir vonder Un- ruhe durch weniger Unruhe zur Ruhe uns begebẽ/ nicht in ihrer auſſeroꝛ dentlichẽ Bewegung unter- hal- h) vid. part. 1. c. 1. n. 114. 118. i) part. 1. c. 2. n. 71. l) Conf. part. 1. c. 7. n 4. 14. K 2

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/159>, abgerufen am 21.11.2024.