Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.Das Hauptst. von denen Ursachen hertzliche Dienstfertigkeit andern Menschenihre Leutseeligkeit erkennen zugeben sich angele- gen seyn lassen. Alle Welt ist interessiret/ und wo man nicht grössere Dienste zu wuchern trach- tet/ oder ein eiteles Lob zu erwerben sich getrau- et/ solten sich wohl die meisten Menschen zu gut achten/ umb anderer willen sich von der Stelle zubewegen/ oder etwas von Jhren Uberfluß ihnen mit zutheilen; So gar hat die Unbarm- hertzigkeit über Hand genommen. 7. Wie lange hat man ferner geklagt/ daß 8. So ist auch ein bescheidener Mensch/ der 9. Und
Das Hauptſt. von denen Urſachen hertzliche Dienſtfertigkeit andern Menſchenihre Leutſeeligkeit erkennen zugeben ſich angele- gen ſeyn laſſen. Alle Welt iſt interesſiret/ und wo man nicht groͤſſere Dienſte zu wuchern trach- tet/ oder ein eiteles Lob zu erwerben ſich getrau- et/ ſolten ſich wohl die meiſten Menſchen zu gut achten/ umb anderer willen ſich von der Stelle zubewegen/ oder etwas von Jhren Uberfluß ihnen mit zutheilen; So gar hat die Unbarm- hertzigkeit uͤber Hand genommen. 7. Wie lange hat man ferner geklagt/ daß 8. So iſt auch ein beſcheidener Menſch/ der 9. Und
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Das Hauptſt. von denen Urſachen
hertzliche Dienſtfertigkeit andern Menſchen
ihre Leutſeeligkeit erkennen zugeben ſich angele-
gen ſeyn laſſen. Alle Welt iſt interesſiret/ und
wo man nicht groͤſſere Dienſte zu wuchern trach-
tet/ oder ein eiteles Lob zu erwerben ſich getrau-
et/ ſolten ſich wohl die meiſten Menſchen zu gut
achten/ umb anderer willen ſich von der Stelle
zubewegen/ oder etwas von Jhren Uberfluß
ihnen mit zutheilen; So gar hat die Unbarm-
hertzigkeit uͤber Hand genommen.
7. Wie lange hat man ferner geklagt/ daß
keine Treue und Glaube in der Welt ſey? Und
wie lehret die taͤgliche Erfahrung jederman/ daß/
wegen der Seltenheit derer Leute/ die Sclaven
von Jhren Worten ſeyn/ man einem andern fuͤr
eine ſonderliche Gutthat anrechnet/ wenn man
Jhm freywillig das einmahl gegebene Wort
haͤlt/ und ſeine Schuld abtraͤget; Hingegen-
theil iſt Betrug/ Luͤgen und Vervortheilung
an allen Orten zufinden.
8. So iſt auch ein beſcheidener Menſch/ der
andere Leute gleiches Recht neben ſich genieſſen
laͤſt/ und ſich nicht mehr hinaus nimmet/ als Jhm
von Rechtswegen gebuͤhret/ ein rares Wildpret/
indem der meiſte Theil der Menſchen dahin tich-
tet/ wie er entweder plumper oder bauerſtoltzer
weiſe ſich fuͤr andern erheben und groß machen/
oder aber heimlicher und tuͤckiſcher Weiſe ande-
re unterdruͤcken und geringer machen moͤge.
9. Und
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