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Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.

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Das 9. H. Von der Wohllust
s. f. und wenn er einer Weibes-Person Liebe nur in
einen geringen Grad erhalten/ siehet er sich schon
nach einer andern umb: Er bemühet sich/ seine
Zunge mit unzählicher veränderten Speise und
Tranck zu kützeln u. s. w.

7. Ein Wohllüstiger trachtet darnach/
wie er sich stetswährend mit gleichgearteten
Menschen vereinigen möge.
Es ist kein gesel-
liger Thier als ein Wohllüstiger/ und wird keinen
Menschen ohne Gesellschafft die Zeit länger als
einen Wohllüstigen; aber er gesellet sich zu nie-
mand lieber als zu seines gleichen. Einer der im
studiren seine Lust suchet/ bemühet sich immer
in Gesellschafft gelehrter Leute zu seyn/ da von al-
lerhand discurriret wird/ er studiret mit mehr Lust
wenn er bey Leuten/ als wenn er alleine ist/ und
wenn er gleich alleine studiret/ so thut er es doch
entweder darumb/ daß ihm die Zeit nicht lang
wird/ oder daß er etwas bey der Compagnie wie-
der vorbringen möge/ und bringet also seine mei-
ste Zeit mit auff und nieder gehen zu. Ein ande-
rer
sucht von früh biß auff den Abend seines glei-
chen compagnie auff der Comoedie, den Ball-
Hause/ der Truck-Taffel u. s. w. am meisten aber
im Trinck-Hause/ und wo Personen von andern
Geschlecht gegenwärtig sind.

8. Ja ich halte dafür/ daß ob wohl ein
Mensch seine Sinnen und Verstand auff vieler-
ley Weise und mit allerhand todten und lebenden
Creaturen belustigen könne; ein Wohllüsti-

ger

Das 9. H. Von der Wohlluſt
ſ. f. und weñ er einer Weibes-Perſon Liebe nur in
einen geringen Grad erhalten/ ſiehet er ſich ſchon
nach einer andern umb: Er bemuͤhet ſich/ ſeine
Zunge mit unzaͤhlicher veraͤnderten Speiſe und
Tranck zu kuͤtzeln u. ſ. w.

7. Ein Wohlluͤſtiger trachtet darnach/
wie er ſich ſtetswaͤhrend mit gleichgearteten
Menſchen vereinigen moͤge.
Es iſt kein geſel-
liger Thier als ein Wohlluͤſtiger/ und wird keinen
Menſchen ohne Geſellſchafft die Zeit laͤnger als
einen Wohlluͤſtigen; aber er geſellet ſich zu nie-
mand lieber als zu ſeines gleichen. Einer der im
ſtudiren ſeine Luſt ſuchet/ bemuͤhet ſich immer
in Geſellſchafft gelehrter Leute zu ſeyn/ da von al-
lerhand diſcurriret wird/ er ſtudiret mit mehr Luſt
wenn er bey Leuten/ als wenn er alleine iſt/ und
wenn er gleich alleine ſtudiret/ ſo thut er es doch
entweder darumb/ daß ihm die Zeit nicht lang
wird/ oder daß er etwas bey der Compagnie wie-
der vorbringen moͤge/ und bringet alſo ſeine mei-
ſte Zeit mit auff und nieder gehen zu. Ein ande-
rer
ſucht von fruͤh biß auff den Abend ſeines glei-
chen compagnie auff der Comœdie, den Ball-
Hauſe/ der Truck-Taffel u. ſ. w. am meiſten aber
im Trinck-Hauſe/ und wo Perſonen von andern
Geſchlecht gegenwaͤrtig ſind.

8. Ja ich halte dafuͤr/ daß ob wohl ein
Menſch ſeine Sinnen und Verſtand auff vieler-
ley Weiſe und mit allerhand todten und lebenden
Creaturen beluſtigen koͤnne; ein Wohlluͤſti-

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[188/0200] Das 9. H. Von der Wohlluſt ſ. f. und weñ er einer Weibes-Perſon Liebe nur in einen geringen Grad erhalten/ ſiehet er ſich ſchon nach einer andern umb: Er bemuͤhet ſich/ ſeine Zunge mit unzaͤhlicher veraͤnderten Speiſe und Tranck zu kuͤtzeln u. ſ. w. 7. Ein Wohlluͤſtiger trachtet darnach/ wie er ſich ſtetswaͤhrend mit gleichgearteten Menſchen vereinigen moͤge. Es iſt kein geſel- liger Thier als ein Wohlluͤſtiger/ und wird keinen Menſchen ohne Geſellſchafft die Zeit laͤnger als einen Wohlluͤſtigen; aber er geſellet ſich zu nie- mand lieber als zu ſeines gleichen. Einer der im ſtudiren ſeine Luſt ſuchet/ bemuͤhet ſich immer in Geſellſchafft gelehrter Leute zu ſeyn/ da von al- lerhand diſcurriret wird/ er ſtudiret mit mehr Luſt wenn er bey Leuten/ als wenn er alleine iſt/ und wenn er gleich alleine ſtudiret/ ſo thut er es doch entweder darumb/ daß ihm die Zeit nicht lang wird/ oder daß er etwas bey der Compagnie wie- der vorbringen moͤge/ und bringet alſo ſeine mei- ſte Zeit mit auff und nieder gehen zu. Ein ande- rer ſucht von fruͤh biß auff den Abend ſeines glei- chen compagnie auff der Comœdie, den Ball- Hauſe/ der Truck-Taffel u. ſ. w. am meiſten aber im Trinck-Hauſe/ und wo Perſonen von andern Geſchlecht gegenwaͤrtig ſind. 8. Ja ich halte dafuͤr/ daß ob wohl ein Menſch ſeine Sinnen und Verſtand auff vieler- ley Weiſe und mit allerhand todten und lebenden Creaturen beluſtigen koͤnne; ein Wohlluͤſti- ger

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/200>, abgerufen am 21.11.2024.