Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.und denen daraus fliessenden Untug. ger dennoch als wollüstig keine Lust habe alsunter Menschen/ oder die von Menschen her- komme. Also hat/ wie erwehnet/ einer der a son aise studiret keine Lust/ wenn man ihm Biblio- theqven verschliessen wolte/ sondern bey discurri- renden Gelahrten; ein anderer siehet lieber Co- moedien als Bilder/ oder doch beyde lieber als ei- ne schöne Wiese oder Garten/ er höret lieber vo- cal-als instrumental Music, oder doch beyde lie- ber als das singen der Vögel und Nachtigallen; er riecht solche Dinge am liebsten/ wie er bey Leu- ten mit denen er umgehet und aestimiret/ gewoh- net ist; Er kriegt einen Geschmack von Dingen/ die der Gesellschafft gut schmecken/ und schmecket ihm kein Bissen alleine: Er belustiget auch sich in seiner geilen Lust mehr mit der Lust einer andern wohllüstigen Person/ als mit seiner eigenen/ und hat also von stummen Sünden gleichsam einen natürlichen Abscheu/ wann er nicht durch böse Gesellschafft von andern darzu verführet wird. 9. Ein Wohllüstiger suchet aber ver- 10. Und zwar eine unendliche Unruhe. will
und denen daraus flieſſenden Untug. ger dennoch als wolluͤſtig keine Luſt habe alsunter Menſchen/ oder die von Menſchen her- komme. Alſo hat/ wie erwehnet/ einer der à ſon aise ſtudiret keine Luſt/ wenn man ihm Biblio- theqven verſchlieſſen wolte/ ſondern bey diſcurri- renden Gelahrten; ein anderer ſiehet lieber Co- mœdien als Bilder/ oder doch beyde lieber als ei- ne ſchoͤne Wieſe oder Garten/ er hoͤret lieber vo- cal-als inſtrumental Muſic, oder doch beyde lie- ber als das ſingen der Voͤgel und Nachtigallen; er riecht ſolche Dinge am liebſten/ wie er bey Leu- ten mit denen er umgehet und æſtimiret/ gewoh- net iſt; Er kriegt einen Geſchmack von Dingen/ die der Geſellſchafft gut ſchmecken/ und ſchmecket ihm kein Biſſen alleine: Er beluſtiget auch ſich in ſeiner geilen Luſt mehr mit der Luſt einer andern wohlluͤſtigen Perſon/ als mit ſeiner eigenen/ und hat alſo von ſtummen Suͤnden gleichſam einen natuͤrlichen Abſcheu/ wann er nicht durch boͤſe Geſellſchafft von andern darzu verfuͤhret wird. 9. Ein Wohlluͤſtiger ſuchet aber ver- 10. Und zwar eine unendliche Unruhe. will
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und denen daraus flieſſenden Untug.
ger dennoch als wolluͤſtig keine Luſt habe als
unter Menſchen/ oder die von Menſchen her-
komme. Alſo hat/ wie erwehnet/ einer der à ſon
aise ſtudiret keine Luſt/ wenn man ihm Biblio-
theqven verſchlieſſen wolte/ ſondern bey diſcurri-
renden Gelahrten; ein anderer ſiehet lieber Co-
mœdien als Bilder/ oder doch beyde lieber als ei-
ne ſchoͤne Wieſe oder Garten/ er hoͤret lieber vo-
cal-als inſtrumental Muſic, oder doch beyde lie-
ber als das ſingen der Voͤgel und Nachtigallen;
er riecht ſolche Dinge am liebſten/ wie er bey Leu-
ten mit denen er umgehet und æſtimiret/ gewoh-
net iſt; Er kriegt einen Geſchmack von Dingen/
die der Geſellſchafft gut ſchmecken/ und ſchmecket
ihm kein Biſſen alleine: Er beluſtiget auch ſich in
ſeiner geilen Luſt mehr mit der Luſt einer andern
wohlluͤſtigen Perſon/ als mit ſeiner eigenen/ und
hat alſo von ſtummen Suͤnden gleichſam einen
natuͤrlichen Abſcheu/ wann er nicht durch boͤſe
Geſellſchafft von andern darzu verfuͤhret wird.
9. Ein Wohlluͤſtiger ſuchet aber ver-
gebeus die Ruhe in ſolcher Veraͤnderung und
Vereinigung. Die Ruhe iſt einig und in cen-
tro. Alſo kan in dem Umkreiß und in der Veraͤn-
derung nicht anders als Unruhe ſeyn.
10. Und zwar eine unendliche Unruhe.
Denn die Veraͤnderung iſt unendlich/ und alſo
ſiehet ſich das Auge nimmer ſatt/ das Ohre hoͤret
ſich nimmer ſatt. Wer will alle Buͤcher ausle-
ſen? es koͤmmt alle Tage was neues heraus. Wer
will
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