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Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.

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des allgemeinen Unglücks.
sten Freundschafft hoch hielten/ da hingegen un-
ter uns viele/ die die Weißheit und Tugend jun-
gen Leuten bey zubringen trachten/ eine derglei-
che Gemeinschafft anfeinden/ und jedermann
bereden wollen/ als wenn ohne das Eigenthumb
keine Glückseeligkeit/ ja keine Tugend bestehen
könte/ auch diejenigen/ die für die Gemeinschafft
sprechen/ als Meytmacher und die alle Laster-
und Buben-Stücke in das gemeine Wesen ein-
zuführen bemühet wären/ angesehen werden mü-
sten/ worauf aber aus dem ersten Theil gar leicht-
lich geantwortet werden mag.

14. Derowegen darff man sich nicht wun-
dern/ daß/ weil es mit der Liebe anderer Men-
schen so schlimm beschaffen/ auch die Liebe ge-
gen uns selbst
ins gemein wenig oder nichts
tauge. Umb die Ausbesserung und das Wohl-
seyn der Seelen bekümmert sich ja fast kein
Mensche/ sondern jedermann sorget nur für den
Leib/
und zwar auff die thörichste Weise. Denn
da ein jedweder sein Leben zuverlängern sich
wündschet/ thun wir doch fast durchgehends an-
ders nichts/ als daß wir mit Eßen/ Trincken/
und allerhand Bewegung des Leibes gleichsamb
in unsere Natur einstürmen/ als wenn wir Sie
mit Gewalt zu ruiniren Vorhabens wären. An
statt guter Diaet und eines keuschen Lebens le-
ben wir in sauße und fraß/ und schändlichen
Wollüsten; an statt der Reinligkeit und Sau-
berkeit
in Kleidung und Wohnung/ befleißen

wir
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des allgemeinen Ungluͤcks.
ſten Freundſchafft hoch hielten/ da hingegen un-
ter uns viele/ die die Weißheit und Tugend jun-
gen Leuten bey zubringen trachten/ eine derglei-
che Gemeinſchafft anfeinden/ und jedermann
bereden wollen/ als wenn ohne das Eigenthumb
keine Gluͤckſeeligkeit/ ja keine Tugend beſtehen
koͤnte/ auch diejenigen/ die fuͤr die Gemeinſchafft
ſprechen/ als Meytmacher und die alle Laſter-
und Buben-Stuͤcke in das gemeine Weſen ein-
zufuͤhren bemuͤhet waͤren/ angeſehen werden muͤ-
ſten/ worauf aber aus dem erſten Theil gar leicht-
lich geantwortet werden mag.

14. Derowegen darff man ſich nicht wun-
dern/ daß/ weil es mit der Liebe anderer Men-
ſchen ſo ſchlimm beſchaffen/ auch die Liebe ge-
gen uns ſelbſt
ins gemein wenig oder nichts
tauge. Umb die Ausbeſſerung und das Wohl-
ſeyn der Seelen bekuͤmmert ſich ja faſt kein
Menſche/ ſondern jedermann ſorget nur fuͤr den
Leib/
und zwar auff die thoͤrichſte Weiſe. Deñ
da ein jedweder ſein Leben zuverlaͤngern ſich
wuͤndſchet/ thun wir doch faſt durchgehends an-
ders nichts/ als daß wir mit Eßen/ Trincken/
und allerhand Bewegung des Leibes gleichſamb
in unſere Natur einſtuͤrmen/ als wenn wir Sie
mit Gewalt zu ruiniren Vorhabens waͤren. An
ſtatt guter Diæt und eines keuſchen Lebens le-
ben wir in ſauße und fraß/ und ſchaͤndlichen
Wolluͤſten; an ſtatt der Reinligkeit und Sau-
berkeit
in Kleidung und Wohnung/ befleißen

wir
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[9/0021] des allgemeinen Ungluͤcks. ſten Freundſchafft hoch hielten/ da hingegen un- ter uns viele/ die die Weißheit und Tugend jun- gen Leuten bey zubringen trachten/ eine derglei- che Gemeinſchafft anfeinden/ und jedermann bereden wollen/ als wenn ohne das Eigenthumb keine Gluͤckſeeligkeit/ ja keine Tugend beſtehen koͤnte/ auch diejenigen/ die fuͤr die Gemeinſchafft ſprechen/ als Meytmacher und die alle Laſter- und Buben-Stuͤcke in das gemeine Weſen ein- zufuͤhren bemuͤhet waͤren/ angeſehen werden muͤ- ſten/ worauf aber aus dem erſten Theil gar leicht- lich geantwortet werden mag. 14. Derowegen darff man ſich nicht wun- dern/ daß/ weil es mit der Liebe anderer Men- ſchen ſo ſchlimm beſchaffen/ auch die Liebe ge- gen uns ſelbſt ins gemein wenig oder nichts tauge. Umb die Ausbeſſerung und das Wohl- ſeyn der Seelen bekuͤmmert ſich ja faſt kein Menſche/ ſondern jedermann ſorget nur fuͤr den Leib/ und zwar auff die thoͤrichſte Weiſe. Deñ da ein jedweder ſein Leben zuverlaͤngern ſich wuͤndſchet/ thun wir doch faſt durchgehends an- ders nichts/ als daß wir mit Eßen/ Trincken/ und allerhand Bewegung des Leibes gleichſamb in unſere Natur einſtuͤrmen/ als wenn wir Sie mit Gewalt zu ruiniren Vorhabens waͤren. An ſtatt guter Diæt und eines keuſchen Lebens le- ben wir in ſauße und fraß/ und ſchaͤndlichen Wolluͤſten; an ſtatt der Reinligkeit und Sau- berkeit in Kleidung und Wohnung/ befleißen wir A 5

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/21>, abgerufen am 21.11.2024.