Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.

Bild:
<< vorherige Seite

Das 1. Hauptst. von denen Ursachen
wir uns entweder eines zärtlichen Uberflußes/
oder einer sauischen und ungesunden Unfläterey;
an statt der angenehmen und gesunden Arbeit/
hängen wir dem faulen und uns verderbenden
Müßiggang nach/ und an statt einer Tapfferkeit
sind wir entweder tollkühne oder furchtsam.

15. Und weil mit solchen verderbten Leuten
die Menschlichen Gesellschafften besetzet sind/
so müssen dieselben auch nothwendig verderbet
seyn. Da keine Gesellschafft ohne Liebe seyn
solte/ aber wohl ohne Befehl und Zwang seyn
könte/ oder da zum wenigsten der Zwang solte der
Liebe an die Hand gehen/ kehret es sich in unsern
Gesellschafften umb/ indem die liebreiche Gleich-
heit in allen Gesellschafften unter gedrücket
wird/ und eines über das andere mit Ge-
walt zu herrschen trachtet/ auch vergnügt ist/
wenn es von andern gleich gehaßt wird/ wenn es
sich nur für Jhm fürchtet.

16. Die natürlichste unter allen/ die Eheliche
Gesellschafft/
hat mit nichten/ wie sie wohl ha-
ben solte/ zu Jhren Entzweck die Vereinigung
der Gemüther/ sondern entweder die Belusti-
gung der Sinnen/ oder Beförderung/ oder
Geld. Derowegen gehet auch bey denen aller-
wenigsten Heyrathen eine Sorgfältige Gefäl-
ligkeit
vorher/ als von der man nur in denen
Romanen zulesen pfleget; sondern man heyra-
thet abwesend/ oder mit anderer Leute Augen/

oder

Das 1. Hauptſt. von denen Urſachen
wir uns entweder eines zaͤrtlichen Uberflußes/
oder einer ſauiſchen und ungeſunden Unflaͤterey;
an ſtatt der angenehmen und geſunden Arbeit/
haͤngen wir dem faulen und uns verderbenden
Muͤßiggang nach/ und an ſtatt einer Tapfferkeit
ſind wir entweder tollkuͤhne oder furchtſam.

15. Und weil mit ſolchen verderbten Leuten
die Menſchlichen Geſellſchafften beſetzet ſind/
ſo muͤſſen dieſelben auch nothwendig verderbet
ſeyn. Da keine Geſellſchafft ohne Liebe ſeyn
ſolte/ aber wohl ohne Befehl und Zwang ſeyn
koͤnte/ oder da zum wenigſten der Zwang ſolte der
Liebe an die Hand gehen/ kehret es ſich in unſern
Geſellſchafften umb/ indem die liebreiche Gleich-
heit in allen Geſellſchafften unter gedruͤcket
wird/ und eines uͤber das andere mit Ge-
walt zu herrſchen trachtet/ auch vergnuͤgt iſt/
wenn es von andern gleich gehaßt wird/ wenn es
ſich nur fuͤr Jhm fuͤrchtet.

16. Die natuͤrlichſte unter allen/ die Eheliche
Geſellſchafft/
hat mit nichten/ wie ſie wohl ha-
ben ſolte/ zu Jhren Entzweck die Vereinigung
der Gemuͤther/ ſondern entweder die Beluſti-
gung der Sinnen/ oder Befoͤrderung/ oder
Geld. Derowegen gehet auch bey denen aller-
wenigſten Heyrathen eine Sorgfaͤltige Gefaͤl-
ligkeit
vorher/ als von der man nur in denen
Romanen zuleſen pfleget; ſondern man heyra-
thet abweſend/ oder mit anderer Leute Augen/

oder
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0022" n="10"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Das 1. Haupt&#x017F;t. von denen Ur&#x017F;achen</hi></fw><lb/>
wir uns entweder eines za&#x0364;rtlichen Uberflußes/<lb/>
oder einer &#x017F;aui&#x017F;chen und unge&#x017F;unden Unfla&#x0364;terey;<lb/>
an &#x017F;tatt der angenehmen und ge&#x017F;unden <hi rendition="#fr">Arbeit/</hi><lb/>
ha&#x0364;ngen wir dem faulen und uns verderbenden<lb/>
Mu&#x0364;ßiggang nach/ und an &#x017F;tatt einer <hi rendition="#fr">Tapfferkeit</hi><lb/>
&#x017F;ind wir entweder tollku&#x0364;hne oder furcht&#x017F;am.</p><lb/>
        <p>15. Und weil mit &#x017F;olchen verderbten Leuten<lb/><hi rendition="#fr">die Men&#x017F;chlichen Ge&#x017F;ell&#x017F;chafften</hi> be&#x017F;etzet &#x017F;ind/<lb/>
&#x017F;o mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en die&#x017F;elben auch nothwendig verderbet<lb/>
&#x017F;eyn. Da keine Ge&#x017F;ell&#x017F;chafft ohne Liebe &#x017F;eyn<lb/>
&#x017F;olte/ aber wohl ohne <hi rendition="#fr">Befehl</hi> und <hi rendition="#fr">Zwang</hi> &#x017F;eyn<lb/>
ko&#x0364;nte/ oder da zum wenig&#x017F;ten der Zwang &#x017F;olte der<lb/>
Liebe an die Hand gehen/ kehret es &#x017F;ich in un&#x017F;ern<lb/>
Ge&#x017F;ell&#x017F;chafften umb/ indem die liebreiche Gleich-<lb/>
heit in allen Ge&#x017F;ell&#x017F;chafften unter gedru&#x0364;cket<lb/>
wird/ und eines u&#x0364;ber das andere mit Ge-<lb/>
walt zu herr&#x017F;chen trachtet/ auch vergnu&#x0364;gt i&#x017F;t/<lb/>
wenn es von andern gleich gehaßt wird/ wenn es<lb/>
&#x017F;ich nur fu&#x0364;r Jhm fu&#x0364;rchtet.</p><lb/>
        <p>16. Die natu&#x0364;rlich&#x017F;te unter allen/ die <hi rendition="#fr">Eheliche<lb/>
Ge&#x017F;ell&#x017F;chafft/</hi> hat mit nichten/ wie &#x017F;ie wohl ha-<lb/>
ben &#x017F;olte/ zu Jhren Entzweck die Vereinigung<lb/>
der Gemu&#x0364;ther/ &#x017F;ondern entweder die Belu&#x017F;ti-<lb/>
gung der Sinnen/ oder Befo&#x0364;rderung/ oder<lb/>
Geld. Derowegen gehet auch bey denen aller-<lb/>
wenig&#x017F;ten Heyrathen eine <hi rendition="#fr">Sorgfa&#x0364;ltige Gefa&#x0364;l-<lb/>
ligkeit</hi> vorher/ als von der man nur in denen<lb/><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Romanen</hi></hi> zule&#x017F;en pfleget; &#x017F;ondern man heyra-<lb/>
thet abwe&#x017F;end/ oder mit anderer Leute Augen/<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">oder</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[10/0022] Das 1. Hauptſt. von denen Urſachen wir uns entweder eines zaͤrtlichen Uberflußes/ oder einer ſauiſchen und ungeſunden Unflaͤterey; an ſtatt der angenehmen und geſunden Arbeit/ haͤngen wir dem faulen und uns verderbenden Muͤßiggang nach/ und an ſtatt einer Tapfferkeit ſind wir entweder tollkuͤhne oder furchtſam. 15. Und weil mit ſolchen verderbten Leuten die Menſchlichen Geſellſchafften beſetzet ſind/ ſo muͤſſen dieſelben auch nothwendig verderbet ſeyn. Da keine Geſellſchafft ohne Liebe ſeyn ſolte/ aber wohl ohne Befehl und Zwang ſeyn koͤnte/ oder da zum wenigſten der Zwang ſolte der Liebe an die Hand gehen/ kehret es ſich in unſern Geſellſchafften umb/ indem die liebreiche Gleich- heit in allen Geſellſchafften unter gedruͤcket wird/ und eines uͤber das andere mit Ge- walt zu herrſchen trachtet/ auch vergnuͤgt iſt/ wenn es von andern gleich gehaßt wird/ wenn es ſich nur fuͤr Jhm fuͤrchtet. 16. Die natuͤrlichſte unter allen/ die Eheliche Geſellſchafft/ hat mit nichten/ wie ſie wohl ha- ben ſolte/ zu Jhren Entzweck die Vereinigung der Gemuͤther/ ſondern entweder die Beluſti- gung der Sinnen/ oder Befoͤrderung/ oder Geld. Derowegen gehet auch bey denen aller- wenigſten Heyrathen eine Sorgfaͤltige Gefaͤl- ligkeit vorher/ als von der man nur in denen Romanen zuleſen pfleget; ſondern man heyra- thet abweſend/ oder mit anderer Leute Augen/ oder

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/22
Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/22>, abgerufen am 21.11.2024.