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Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.

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Das 9. H. Von der Wollust
durch einen andern ihm verderbten Schlaffs/
entzogenen Bissens/ er täglich seinen Schlaff und
essen abbrechen solte. Also lässet er den Zorn
fahren. Ja wenn er auch in erster Hitze sich
rächen wolte und könte/ und der Feind giebt gute
Worte/ oder weinet gar/ so lässet der Zorn
eines Wollüstigen nach und verändert sich.
Lachen machet wieder lachen/ und Trähnen zie-
hen Thränen. Weil nun ein Wollüstiger viel
Wasser in seinen Leibe hat/ kan es nicht fehlen/
es muß das Wasser des bittenden/ auch das
Wasser des Wollüstigen rege machen/ und da-
mit das Feuer seines Zorns auslöschen.

51. Ein Wollüstiger ist endlich zu Kupler
und andern wollüstigen Diensten geneigt.

Diese wollüstige und liederliche Dienstfertigkeit
ist ein Laster/ die den Wollüstigen antrei-
bet/ andern Leuten seines gleichen mit seinen
thun und lassen also zu dienen/ daß dadurch
ihre Wollust gefördert und gemehret
wird/ wenn er gleich bey diesen Dienst selbst
der Wollust nicht wieder geniesset.
Ein
Wollüstiger wird gerne einen andern mit Ver-
kuppelung/ Runda singen/ zurichtung delicater
Speise/ Spielen/ Music u. s. w. dienen/ ob er
schon keinen Gewinst davon hat. Ein Wol-
lüstiger wünschte/ daß alle Leute so wären wie er/
also sucht er/ diesen Wundsch zu erfüllen/ so viel
zu thun als erkan/ und bildet sich ein/ es wer-

den

Das 9. H. Von der Wolluſt
durch einen andern ihm verderbten Schlaffs/
entzogenen Biſſens/ er taͤglich ſeinen Schlaff und
eſſen abbrechen ſolte. Alſo laͤſſet er den Zorn
fahren. Ja wenn er auch in erſter Hitze ſich
raͤchen wolte und koͤnte/ und der Feind giebt gute
Worte/ oder weinet gar/ ſo laͤſſet der Zorn
eines Wolluͤſtigen nach und veraͤndert ſich.
Lachen machet wieder lachen/ und Traͤhnen zie-
hen Thraͤnen. Weil nun ein Wolluͤſtiger viel
Waſſer in ſeinen Leibe hat/ kan es nicht fehlen/
es muß das Waſſer des bittenden/ auch das
Waſſer des Wolluͤſtigen rege machen/ und da-
mit das Feuer ſeines Zorns ausloͤſchen.

51. Ein Wolluͤſtiger iſt endlich zu Kupler
und andern wolluͤſtigen Dienſten geneigt.

Dieſe wolluͤſtige und liederliche Dienſtfertigkeit
iſt ein Laſter/ die den Wolluͤſtigen antrei-
bet/ andern Leuten ſeines gleichen mit ſeinen
thun und laſſen alſo zu dienen/ daß dadurch
ihre Wolluſt gefoͤrdert und gemehret
wird/ wenn er gleich bey dieſen Dienſt ſelbſt
der Wolluſt nicht wieder genieſſet.
Ein
Wolluͤſtiger wird gerne einen andern mit Ver-
kuppelung/ Runda ſingen/ zurichtung delicater
Speiſe/ Spielen/ Muſic u. ſ. w. dienen/ ob er
ſchon keinen Gewinſt davon hat. Ein Wol-
luͤſtiger wuͤnſchte/ daß alle Leute ſo waͤren wie er/
alſo ſucht er/ dieſen Wundſch zu erfuͤllen/ ſo viel
zu thun als erkan/ und bildet ſich ein/ es wer-

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[218/0230] Das 9. H. Von der Wolluſt durch einen andern ihm verderbten Schlaffs/ entzogenen Biſſens/ er taͤglich ſeinen Schlaff und eſſen abbrechen ſolte. Alſo laͤſſet er den Zorn fahren. Ja wenn er auch in erſter Hitze ſich raͤchen wolte und koͤnte/ und der Feind giebt gute Worte/ oder weinet gar/ ſo laͤſſet der Zorn eines Wolluͤſtigen nach und veraͤndert ſich. Lachen machet wieder lachen/ und Traͤhnen zie- hen Thraͤnen. Weil nun ein Wolluͤſtiger viel Waſſer in ſeinen Leibe hat/ kan es nicht fehlen/ es muß das Waſſer des bittenden/ auch das Waſſer des Wolluͤſtigen rege machen/ und da- mit das Feuer ſeines Zorns ausloͤſchen. 51. Ein Wolluͤſtiger iſt endlich zu Kupler und andern wolluͤſtigen Dienſten geneigt. Dieſe wolluͤſtige und liederliche Dienſtfertigkeit iſt ein Laſter/ die den Wolluͤſtigen antrei- bet/ andern Leuten ſeines gleichen mit ſeinen thun und laſſen alſo zu dienen/ daß dadurch ihre Wolluſt gefoͤrdert und gemehret wird/ wenn er gleich bey dieſen Dienſt ſelbſt der Wolluſt nicht wieder genieſſet. Ein Wolluͤſtiger wird gerne einen andern mit Ver- kuppelung/ Runda ſingen/ zurichtung delicater Speiſe/ Spielen/ Muſic u. ſ. w. dienen/ ob er ſchon keinen Gewinſt davon hat. Ein Wol- luͤſtiger wuͤnſchte/ daß alle Leute ſo waͤren wie er/ alſo ſucht er/ dieſen Wundſch zu erfuͤllen/ ſo viel zu thun als erkan/ und bildet ſich ein/ es wer- den

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696, S. 218. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/230>, abgerufen am 21.11.2024.