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Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.

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und denen daraus fliessenden Untug.

9. Ja/ es findet ein Ehr-Geitziger in
seinem Ehr-Geitz eine unendliche Unruhe.

Man sagt zwar/ daß die Eyfersucht dergleichen
verliebter Leute ihre Liebe noch stärcker mache/
und ist nicht zu läugnen/ daß solche Gemüther/
wenn sie wieder Friede gemacht/ eben deßwegen/
weil ihre vorige Qvaal durch gegenwärtiges Ver-
gnügen versüsset worden/ desto mehr Freude em-
pfinden/ ingleichen daß eines Ehr-Geitzigen Freu-
de
durch die Abwechselung desto grösser ist/ wenn
ihm sein Beförderer/ da er ihn vonnöthen hat/
wieder liebkoset/ oder wenn er seinen Clienten,
da er ihn befördern soll/ oder sonst seiner begeh-
ret/ das Leben wieder sauer machen kan; Aber
das ist eine Haupt-Verwirrung des Verstandes
der Ehr-Geitzigen/ daß sie in solcher empfindli-
chen Abwechselung/
als welches ein wesentli-
ches Stück der Unruhe
ist/ ihre Ruhe suchen/
oder sich einbilden/ durch diese Unruhe endlich
zur Ruhe zu gelangen: Ehr-Geitzige Verliebte
vertragen sich des Tages zwantzigmahl/ aber sie
verzürnen sich auch wieder zwantzigmahl mitein-
ander. Und die Patronen bey Hoffe rechnen die
caressen, die sie ihren Clienten zur Zeit der Noth
thun müssen/ theuer genug an; ja es schreiben
die Clienten hinwiederum es fleißig hinter das
Ohr/ wenn ihr Beförderer ihnen die Beförde-
rung sauer gemacht; und sehen also beyderseits
den geleisteten Dienst nicht als eine Gutthat/ son-

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und denen daraus flieſſenden Untug.

9. Ja/ es findet ein Ehr-Geitziger in
ſeinem Ehr-Geitz eine unendliche Unruhe.

Man ſagt zwar/ daß die Eyferſucht dergleichen
verliebter Leute ihre Liebe noch ſtaͤrcker mache/
und iſt nicht zu laͤugnen/ daß ſolche Gemuͤther/
wenn ſie wieder Friede gemacht/ eben deßwegen/
weil ihre vorige Qvaal durch gegenwaͤrtiges Ver-
gnuͤgen verſuͤſſet worden/ deſto mehr Freude em-
pfinden/ ingleichen daß eines Ehr-Geitzigen Freu-
de
durch die Abwechſelung deſto groͤſſer iſt/ wenn
ihm ſein Befoͤrderer/ da er ihn vonnoͤthen hat/
wieder liebkoſet/ oder wenn er ſeinen Clienten,
da er ihn befoͤrdern ſoll/ oder ſonſt ſeiner begeh-
ret/ das Leben wieder ſauer machen kan; Aber
das iſt eine Haupt-Verwirrung des Verſtandes
der Ehr-Geitzigen/ daß ſie in ſolcher empfindli-
chen Abwechſelung/
als welches ein weſentli-
ches Stuͤck der Unruhe
iſt/ ihre Ruhe ſuchen/
oder ſich einbilden/ durch dieſe Unruhe endlich
zur Ruhe zu gelangen: Ehr-Geitzige Verliebte
vertragen ſich des Tages zwantzigmahl/ aber ſie
verzuͤrnen ſich auch wieder zwantzigmahl mitein-
ander. Und die Patronen bey Hoffe rechnen die
careſſen, die ſie ihren Clienten zur Zeit der Noth
thun muͤſſen/ theuer genug an; ja es ſchreiben
die Clienten hinwiederum es fleißig hinter das
Ohr/ wenn ihr Befoͤrderer ihnen die Befoͤrde-
rung ſauer gemacht; und ſehen alſo beyderſeits
den geleiſteten Dienſt nicht als eine Gutthat/ ſon-

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[225/0237] und denen daraus flieſſenden Untug. 9. Ja/ es findet ein Ehr-Geitziger in ſeinem Ehr-Geitz eine unendliche Unruhe. Man ſagt zwar/ daß die Eyferſucht dergleichen verliebter Leute ihre Liebe noch ſtaͤrcker mache/ und iſt nicht zu laͤugnen/ daß ſolche Gemuͤther/ wenn ſie wieder Friede gemacht/ eben deßwegen/ weil ihre vorige Qvaal durch gegenwaͤrtiges Ver- gnuͤgen verſuͤſſet worden/ deſto mehr Freude em- pfinden/ ingleichen daß eines Ehr-Geitzigen Freu- de durch die Abwechſelung deſto groͤſſer iſt/ wenn ihm ſein Befoͤrderer/ da er ihn vonnoͤthen hat/ wieder liebkoſet/ oder wenn er ſeinen Clienten, da er ihn befoͤrdern ſoll/ oder ſonſt ſeiner begeh- ret/ das Leben wieder ſauer machen kan; Aber das iſt eine Haupt-Verwirrung des Verſtandes der Ehr-Geitzigen/ daß ſie in ſolcher empfindli- chen Abwechſelung/ als welches ein weſentli- ches Stuͤck der Unruhe iſt/ ihre Ruhe ſuchen/ oder ſich einbilden/ durch dieſe Unruhe endlich zur Ruhe zu gelangen: Ehr-Geitzige Verliebte vertragen ſich des Tages zwantzigmahl/ aber ſie verzuͤrnen ſich auch wieder zwantzigmahl mitein- ander. Und die Patronen bey Hoffe rechnen die careſſen, die ſie ihren Clienten zur Zeit der Noth thun muͤſſen/ theuer genug an; ja es ſchreiben die Clienten hinwiederum es fleißig hinter das Ohr/ wenn ihr Befoͤrderer ihnen die Befoͤrde- rung ſauer gemacht; und ſehen alſo beyderſeits den geleiſteten Dienſt nicht als eine Gutthat/ ſon- dern P

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696, S. 225. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/237>, abgerufen am 24.11.2024.