Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.Das 10. H. von dem Ehrgeitz Hoffnung seiner Klugheit und Kühnheit sich zubedienen/ wenn sie Ehrgeitzig sind. 28. Nun wollen wir den Ehrgeitz/ nach sei- men!
Das 10. H. von dem Ehrgeitz Hoffnung ſeiner Klugheit und Kuͤhnheit ſich zubedienen/ wenn ſie Ehrgeitzig ſind. 28. Nun wollen wir den Ehrgeitz/ nach ſei- men!
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0250" n="238"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Das 10. H. von dem Ehrgeitz</hi></fw><lb/><hi rendition="#fr">Hoffnung</hi> ſeiner Klugheit und Kuͤhnheit ſich zu<lb/> bedienen/ wenn ſie Ehrgeitzig ſind.</p><lb/> <p>28. Nun wollen wir den Ehrgeitz/ nach ſei-<lb/> nen Vortheilen und Maͤngeln betrachten/ die<lb/> wir in der Tabelle des 7. Hauptſtuͤcks ihm zu-<lb/> geeignet haben. Wir wollen von letzten/ nem-<lb/> lich von <hi rendition="#fr">Verſtande</hi> anfangen. Ein Ehrgeitzi-<lb/> ger hat ein <hi rendition="#fr">ungemein</hi> <hi rendition="#aq">Judicium,</hi> aber keine ſon-<lb/> derliche <hi rendition="#aq">ingenieuſe</hi> <hi rendition="#fr">Erfindung/</hi> auch kein<lb/><hi rendition="#fr">ſonderliches Gedaͤchtniß.</hi> Ehrgeitz hat das<lb/><hi rendition="#aq">Decorum</hi> in die Welt gebracht. Dieſes hat<lb/> keinen feſteren Grund/ als die Willkuͤhr Ehrgei-<lb/> tziger oder ſolcher Leute die von andern geehret<lb/> und gefuͤrchtet werden. Und weil derſelbige auff<lb/> Eitelkeit geſtuͤtzet und hoͤchſt veraͤnderlich iſt/ ſo<lb/> kan man auch das <hi rendition="#aq">decorum</hi> durch unbetruͤgliche<lb/> Grund-Regeln nicht erlernen/ ſondern es gehoͤ-<lb/> ret eine <hi rendition="#aq">continuir</hi><hi rendition="#fr">liche</hi> und <hi rendition="#fr">genaue Auffmer-<lb/> ckung</hi> und zwar auff <hi rendition="#fr">die geringſten Kleinig-<lb/> keiten</hi> dazu/ weil das <hi rendition="#aq">decorum</hi> alle Tage ſich<lb/> aͤndert/ und an allen Orten anders iſt. Will<lb/> ſich nun ein Ehrgeitziger bey andern Ehrgeitzi-<lb/> gen <hi rendition="#aq">inſinui</hi>ren/ ſo muß er ſich des <hi rendition="#aq">Decori</hi> be-<lb/> fleißigen/ ſonſt hoͤret er das bekante Sprichwort:<lb/><hi rendition="#aq">Qui proficit in literis &c.</hi> Wer noch ſo ge-<lb/> lehrt iſt/ und keine gute Sitten (denn die Welt<lb/> heißt nicht die tugend/ ſondern die Eitelkeit des<lb/><hi rendition="#aq">Decori,</hi> oder die <hi rendition="#aq">mode</hi> gute Sitten) an ſich<lb/> hat/ den kan man zu nichts brauchen. Und wo<lb/> wolten auch ſonſt die <hi rendition="#aq">mora</hi><hi rendition="#fr">ten Leute</hi> herkom-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">men!</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [238/0250]
Das 10. H. von dem Ehrgeitz
Hoffnung ſeiner Klugheit und Kuͤhnheit ſich zu
bedienen/ wenn ſie Ehrgeitzig ſind.
28. Nun wollen wir den Ehrgeitz/ nach ſei-
nen Vortheilen und Maͤngeln betrachten/ die
wir in der Tabelle des 7. Hauptſtuͤcks ihm zu-
geeignet haben. Wir wollen von letzten/ nem-
lich von Verſtande anfangen. Ein Ehrgeitzi-
ger hat ein ungemein Judicium, aber keine ſon-
derliche ingenieuſe Erfindung/ auch kein
ſonderliches Gedaͤchtniß. Ehrgeitz hat das
Decorum in die Welt gebracht. Dieſes hat
keinen feſteren Grund/ als die Willkuͤhr Ehrgei-
tziger oder ſolcher Leute die von andern geehret
und gefuͤrchtet werden. Und weil derſelbige auff
Eitelkeit geſtuͤtzet und hoͤchſt veraͤnderlich iſt/ ſo
kan man auch das decorum durch unbetruͤgliche
Grund-Regeln nicht erlernen/ ſondern es gehoͤ-
ret eine continuirliche und genaue Auffmer-
ckung und zwar auff die geringſten Kleinig-
keiten dazu/ weil das decorum alle Tage ſich
aͤndert/ und an allen Orten anders iſt. Will
ſich nun ein Ehrgeitziger bey andern Ehrgeitzi-
gen inſinuiren/ ſo muß er ſich des Decori be-
fleißigen/ ſonſt hoͤret er das bekante Sprichwort:
Qui proficit in literis &c. Wer noch ſo ge-
lehrt iſt/ und keine gute Sitten (denn die Welt
heißt nicht die tugend/ ſondern die Eitelkeit des
Decori, oder die mode gute Sitten) an ſich
hat/ den kan man zu nichts brauchen. Und wo
wolten auch ſonſt die moraten Leute herkom-
men!
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |