Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.Das 10. H. von dem Ehrgeitz nieusen Erfindungen den Wohllüstigen gleichkomme: Denn seine Arbeitsamkeit und all zu grosse Hitze lässet ihn so viel Zeit nicht übrig seine Gedancken auff ingenieuse Crfindungen zu le- gen. Und also wann ein Ehrgeitziger z. e. ein Gedicht machen wil/ komt es so lustig/ artig oder Anmuthig nicht heraus/ als wenn ein Wohllüsti- ger dergleichen macht/ sondern es klingt gemei- niglich etwas Spanisch/ massen dann man sich den Unterscheid zwischen einen Ehrgeitzigen und einen Wohllüstigen in diesen Stück nicht besser einbilden kan/ als wenn man die Spani- schen und Frantzösischen Gedichte und Erfin- dungen oder Romanen, oder unter denen Fran- tzosen die Brieffe des Balzac und des Pays sich zum Exempel etwa fürstellete. 30. So hat auch ein Ehrgeitziger nicht und
Das 10. H. von dem Ehrgeitz nieuſen Erfindungen den Wohlluͤſtigen gleichkomme: Denn ſeine Arbeitſamkeit und all zu groſſe Hitze laͤſſet ihn ſo viel Zeit nicht uͤbrig ſeine Gedancken auff ingenieuſe Crfindungen zu le- gen. Und alſo wann ein Ehrgeitziger z. e. ein Gedicht machen wil/ komt es ſo luſtig/ artig oder Anmuthig nicht heraus/ als wenn ein Wohlluͤſti- ger dergleichen macht/ ſondern es klingt gemei- niglich etwas Spaniſch/ maſſen dann man ſich den Unterſcheid zwiſchen einen Ehrgeitzigen und einen Wohlluͤſtigen in dieſen Stuͤck nicht beſſer einbilden kan/ als wenn man die Spani- ſchen und Frantzoͤſiſchen Gedichte und Erfin- dungen oder Romanen, oder unter denen Fran- tzoſen die Brieffe des Balzac und des Pays ſich zum Exempel etwa fuͤrſtellete. 30. So hat auch ein Ehrgeitziger nicht und
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Das 10. H. von dem Ehrgeitz
nieuſen Erfindungen den Wohlluͤſtigen gleich
komme: Denn ſeine Arbeitſamkeit und all zu
groſſe Hitze laͤſſet ihn ſo viel Zeit nicht uͤbrig ſeine
Gedancken auff ingenieuſe Crfindungen zu le-
gen. Und alſo wann ein Ehrgeitziger z. e. ein
Gedicht machen wil/ komt es ſo luſtig/ artig oder
Anmuthig nicht heraus/ als wenn ein Wohlluͤſti-
ger dergleichen macht/ ſondern es klingt gemei-
niglich etwas Spaniſch/ maſſen dann man
ſich den Unterſcheid zwiſchen einen Ehrgeitzigen
und einen Wohlluͤſtigen in dieſen Stuͤck nicht
beſſer einbilden kan/ als wenn man die Spani-
ſchen und Frantzoͤſiſchen Gedichte und Erfin-
dungen oder Romanen, oder unter denen Fran-
tzoſen die Brieffe des Balzac und des Pays ſich
zum Exempel etwa fuͤrſtellete.
30. So hat auch ein Ehrgeitziger nicht
eben ein ſchlim̃ Gedaͤchtniß/ ſonderlich in de-
nen Sachen die zum Ehrgeitz gehoͤren. Er ver-
giſt die gethane Schmach und Beleidigung
nicht leichte. Er wird die Stunde ja den Augen-
blick nicht leicht vergeſſen da er ſeine Auffwar-
tung thun ſoll. Und iſt ein Menſche punctuel
zu nennen/ ſo iſt es ein Ehrgeitziger/ da hingegen
ein Wohlluͤſtiger nicht punctuel ſeyn kan/
weil er nicht dran denckt/ ein Geldgeitziger aber
nicht punctuel ſeyn wil/ ſondern auff eine ver-
drießliche Weiſe auff ſeine Schuldigkeit und
Schuldleute gedencket. Aber es hat doch auch ein
Ehrgeitziger nicht ein ungemein Gedaͤchtniß/
und
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