Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.des allgemeinen Unglücks. Liebe ist/ wird uns bald helffen/ die Beschrei-bungen der Gemüths-Unruhe und der unver- nünfftigen Liebe zufinden/ wenn wir nur ein we- nig auff die Beschreibungen der Gemüths-Ru- he und der vernünfftigen Liebe in vorigen Theile reflectiren wollen. Die Gemüths-Unruhe ist ein unruhiges Mißvergnügen des Men- schen/ welches darinnen bestehet/ daß der Mensch bald Schmertzen/ bald Freude über etwas empfindet/ und in diesem Zustande sich mit andern Creaturen/ die gleichfalls keiner Gemüths-Ruhe fähig sind/ noch die- selbige verschaffen können/ zu vereinigen trachtet. 35. Sie ist ein Mißvergnügen/ denn sonst Daue- B 3
des allgemeinen Ungluͤcks. Liebe iſt/ wird uns bald helffen/ die Beſchrei-bungen der Gemuͤths-Unruhe und der unver- nuͤnfftigen Liebe zufinden/ wenn wir nur ein we- nig auff die Beſchreibungen der Gemuͤths-Ru- he und der vernuͤnfftigen Liebe in vorigen Theile reflectiren wollen. Die Gemuͤths-Unruhe iſt ein unruhiges Mißvergnuͤgen des Men- ſchen/ welches darinnen beſtehet/ daß der Menſch bald Schmertzen/ bald Freude uͤber etwas empfindet/ und in dieſem Zuſtande ſich mit andern Creaturen/ die gleichfalls keiner Gemuͤths-Ruhe faͤhig ſind/ noch die- ſelbige verſchaffen koͤnnen/ zu vereinigen trachtet. 35. Sie iſt ein Mißvergnuͤgen/ denn ſonſt Daue- B 3
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des allgemeinen Ungluͤcks.
Liebe iſt/ wird uns bald helffen/ die Beſchrei-
bungen der Gemuͤths-Unruhe und der unver-
nuͤnfftigen Liebe zufinden/ wenn wir nur ein we-
nig auff die Beſchreibungen der Gemuͤths-Ru-
he und der vernuͤnfftigen Liebe in vorigen Theile
reflectiren wollen. Die Gemuͤths-Unruhe iſt
ein unruhiges Mißvergnuͤgen des Men-
ſchen/ welches darinnen beſtehet/ daß der
Menſch bald Schmertzen/ bald Freude uͤber
etwas empfindet/ und in dieſem Zuſtande
ſich mit andern Creaturen/ die gleichfalls
keiner Gemuͤths-Ruhe faͤhig ſind/ noch die-
ſelbige verſchaffen koͤnnen/ zu vereinigen
trachtet.
35. Sie iſt ein Mißvergnuͤgen/ denn ſonſt
waͤre ſie nichts boͤſes/ weil die Beluſtigung alle-
zeit von der Genießung des guten herruͤhret.
Und ob wohl auch in dieſem Mißvergnuͤgen
Freude mit Schmertzen umbwechſelt/ und es
ſolcher geſtalt das Anſehen gewinnen moͤchte/
als ob zum wenigſten ſo lange die Freude daure-
te/ dennoch ein Vergnuͤgen/ und folglich etwas
gutes dabey ſeyn muͤſſe; So iſt doch dieſe
Freude an ſich ſelbſt unruhig/ weil ſie allzu em-
pfindlich iſt/ und wird durch die bald darauff fol-
gende dauerhafftigere Schmertzen aus den Claſ-
ſen des guten heraus geſtoſſen/ weil das gute dau-
erhafftig ſeyn muß. Deswegen wir Sie auch
ein unruhiges Mißvergnuͤgen genennet ha-
ben/ und weil Sie eben wegen der laͤngeren
Daue-
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