Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.der drey Haupt-Laster. wir gleichwol offters aus eignen Triebe etwasgutes ohne Furcht thäten/ so betriegen wir uns höchlich/ und werden gewahr werden/ so wir die Falten unsers Hertzens nur ein wenig aus einan- der legen/ daß es geschehe/ z. e. entweder aus Begierde nach Lobe und Ehrgeitz/ oder uns den andern zur reeller Danckbarkeit zu verbinden/ welches Geldgeitz ist/ oder etwa einer Weibes- Person Gunst zu erlangen/ welches Wollust ist. Kanstu aber so weit nicht hinter die Tücke deines Hertzens kommen/ ist es eine Anzeigung/ daß du dich selbst noch gar nicht kennest. 41. So herrschen demnach bey allen Menschen haff- Z 2
der drey Haupt-Laſter. wir gleichwol offters aus eignen Triebe etwasgutes ohne Furcht thaͤten/ ſo betriegen wir uns hoͤchlich/ und werden gewahr werden/ ſo wir die Falten unſers Hertzens nur ein wenig aus einan- der legen/ daß es geſchehe/ z. e. entweder aus Begierde nach Lobe und Ehrgeitz/ oder uns den andern zur reeller Danckbarkeit zu verbinden/ welches Geldgeitz iſt/ oder etwa einer Weibes- Perſon Gunſt zu erlangen/ welches Wolluſt iſt. Kanſtu aber ſo weit nicht hinter die Tuͤcke deines Hertzens kommen/ iſt es eine Anzeigung/ daß du dich ſelbſt noch gar nicht kenneſt. 41. So herrſchen demnach bey allen Menſchen haff- Z 2
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der drey Haupt-Laſter.
wir gleichwol offters aus eignen Triebe etwas
gutes ohne Furcht thaͤten/ ſo betriegen wir uns
hoͤchlich/ und werden gewahr werden/ ſo wir die
Falten unſers Hertzens nur ein wenig aus einan-
der legen/ daß es geſchehe/ z. e. entweder aus
Begierde nach Lobe und Ehrgeitz/ oder uns den
andern zur reeller Danckbarkeit zu verbinden/
welches Geldgeitz iſt/ oder etwa einer Weibes-
Perſon Gunſt zu erlangen/ welches Wolluſt iſt.
Kanſtu aber ſo weit nicht hinter die Tuͤcke deines
Hertzens kommen/ iſt es eine Anzeigung/ daß du
dich ſelbſt noch gar nicht kenneſt.
41. So herrſchen demnach bey allen Menſchen
alle drey laſteꝛhaffte Begierden uͤber die veꝛnuͤnff-
tige Liebe. Wir muͤſſen aber nicht meinen/ daß die
mixtur dererſelben bey allen Menſchen gleich
ſey/ oder/ daß auch nur bey zweyen Menſchen
dieſe mixtur ſo zu ſagen in gleicher doſi ſey/
ſondern man wird bey allen Menſchen finden/
daß immer eine paſſion ſtaͤrcker ſey als die andre/
und daß auch bey keinen Menſchen die mixtur
præcisè als wie bey dem andern ſey. So unter-
ſchiedene Geſtalten der Angeſichter ſeyn/ (in wel-
chen allerdings auch Kenzeichen ſind des Ge-
muͤths/) ſo unterſchiedene Arten der Mixturen
ſind auch bey denen Menſchen/ und kommen ſie
in nichts uͤberein/ als daß bey allen Menſchen ver-
nuͤnfftige Liebe nur ſo gering iſt als ein kleiner
Funcke oder als ein Saamen Koͤrngen/ das von
dem umſtehenden Unkraut gehindert wird/ daß
es nicht aufwachſen kan. Die andern drey laſter-
haff-
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