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Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.

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Das 12. H. von der Vermischung
hafften Begierden die zwar bey allen Menschen
über die vernünfftige Liebe herrschen/ und wider
dieselbe allezeit als einen gemeinen Feind verei-
niget sind/ variren bey denen Menschen auff fol-
gende Weise. Es ist allezeit eine von denen
drey lasterhafften Begierden/ die über die
andern beyden herrschet:
Bey diesen Menschen
die Wollust/ bey jenen der Ehrgeitz/ und wieder
bey einen andern der Geldgeitz. Diese herrschen-
de Begierde macht aller Menschen ihren Haupt-
zweck alles ihres thuns und lassens/ darnach alle
ihre actiones die Zeit ihres Lebens eingerichtet
sind/ ob sie schon andern/ die solches nicht wis-
sen/ noch so wunderlich scheinen/ oder ob sie schon
dieselben zu bemänteln und denen Leuten einen
blauen Dunst für denen Augen zu machen/ noch
so viel dissimulationes und simulationes vor-
nehmen. Wer diese passion bey sich selbst ge-
funden hat/ der hat so viel gethan/ als wenn er sei-
nen grösten Feind den er bisher für seinen Freund
gehalten/ entdecket hätte. Und wer sie bey einen
andern entdecket hat/ ist ihm hinter sein gröstes
Geheimniß kommen/ denn wenn er diese Wissen-
schafft recht zu gebrauchen weiß/ kan er des an-
dern sich klüglich zu seinen und anderer Leute
Vortheil bedienen/ wil er sie aber mißbrauchen/
so weiß er/ wordurch er dem andern (bis auf Gött-
liche Vorsehung/ die allemahl hierbey aus zu
nehmen/) schaden könne/ und weiset die tägliche
Erfahrung/ daß der jenige/ dessen herrschende
passion ein arglistiger Mensch (beyderley Ge-

schlechts

Das 12. H. von der Vermiſchung
hafften Begierden die zwar bey allen Menſchen
uͤber die vernuͤnfftige Liebe herrſchen/ und wider
dieſelbe allezeit als einen gemeinen Feind verei-
niget ſind/ variren bey denen Menſchen auff fol-
gende Weiſe. Es iſt allezeit eine von denen
drey laſterhafften Begierden/ die uͤber die
andern beyden herrſchet:
Bey dieſen Menſchen
die Wolluſt/ bey jenen der Ehrgeitz/ und wieder
bey einen andern der Geldgeitz. Dieſe herrſchen-
de Begierde macht aller Menſchen ihren Haupt-
zweck alles ihres thuns und laſſens/ darnach alle
ihre actiones die Zeit ihres Lebens eingerichtet
ſind/ ob ſie ſchon andern/ die ſolches nicht wiſ-
ſen/ noch ſo wunderlich ſcheinen/ oder ob ſie ſchon
dieſelben zu bemaͤnteln und denen Leuten einen
blauen Dunſt fuͤr denen Augen zu machen/ noch
ſo viel disſimulationes und ſimulationes vor-
nehmen. Wer dieſe paſſion bey ſich ſelbſt ge-
funden hat/ der hat ſo viel gethan/ als wenn er ſei-
nen groͤſten Feind den er bisher fuͤr ſeinen Freund
gehalten/ entdecket haͤtte. Und wer ſie bey einen
andern entdecket hat/ iſt ihm hinter ſein groͤſtes
Geheimniß kommen/ denn wenn er dieſe Wiſſen-
ſchafft recht zu gebrauchen weiß/ kan er des an-
dern ſich kluͤglich zu ſeinen und anderer Leute
Vortheil bedienen/ wil er ſie aber mißbrauchen/
ſo weiß er/ wordurch er dem andern (bis auf Goͤtt-
liche Vorſehung/ die allemahl hierbey aus zu
nehmen/) ſchaden koͤnne/ und weiſet die taͤgliche
Erfahrung/ daß der jenige/ deſſen herrſchende
paſſion ein argliſtiger Menſch (beyderley Ge-

ſchlechts
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[356/0368] Das 12. H. von der Vermiſchung hafften Begierden die zwar bey allen Menſchen uͤber die vernuͤnfftige Liebe herrſchen/ und wider dieſelbe allezeit als einen gemeinen Feind verei- niget ſind/ variren bey denen Menſchen auff fol- gende Weiſe. Es iſt allezeit eine von denen drey laſterhafften Begierden/ die uͤber die andern beyden herrſchet: Bey dieſen Menſchen die Wolluſt/ bey jenen der Ehrgeitz/ und wieder bey einen andern der Geldgeitz. Dieſe herrſchen- de Begierde macht aller Menſchen ihren Haupt- zweck alles ihres thuns und laſſens/ darnach alle ihre actiones die Zeit ihres Lebens eingerichtet ſind/ ob ſie ſchon andern/ die ſolches nicht wiſ- ſen/ noch ſo wunderlich ſcheinen/ oder ob ſie ſchon dieſelben zu bemaͤnteln und denen Leuten einen blauen Dunſt fuͤr denen Augen zu machen/ noch ſo viel disſimulationes und ſimulationes vor- nehmen. Wer dieſe paſſion bey ſich ſelbſt ge- funden hat/ der hat ſo viel gethan/ als wenn er ſei- nen groͤſten Feind den er bisher fuͤr ſeinen Freund gehalten/ entdecket haͤtte. Und wer ſie bey einen andern entdecket hat/ iſt ihm hinter ſein groͤſtes Geheimniß kommen/ denn wenn er dieſe Wiſſen- ſchafft recht zu gebrauchen weiß/ kan er des an- dern ſich kluͤglich zu ſeinen und anderer Leute Vortheil bedienen/ wil er ſie aber mißbrauchen/ ſo weiß er/ wordurch er dem andern (bis auf Goͤtt- liche Vorſehung/ die allemahl hierbey aus zu nehmen/) ſchaden koͤnne/ und weiſet die taͤgliche Erfahrung/ daß der jenige/ deſſen herrſchende paſſion ein argliſtiger Menſch (beyderley Ge- ſchlechts

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696, S. 356. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/368>, abgerufen am 24.11.2024.