Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.

Bild:
<< vorherige Seite

Das 12. H. Von der Vermischung
bey scheuen Pferden/ der Geruch der Speise o-
der des Luders und der Geschmack einer einmahl
gekosteten süssen oder sauren Speise bey denen
meisten Thieren. u. s. w.

55. Und wie wir Menschen selbst denen
Sinnligkeiten leider mehr ergeben sind als die
Bestien/ auch die Begierden bey uns stärcker
und empfindlicher sind; Also können wir auch
bey uns mehr und deutliche Exempel hiervon ge-
ben/ derer etliche bey denen Bestien fast gar nicht
anzutreffen. Man findet wohl z. e. in denen Au-
gen eines mutigen oder trägen Pferdes einen
mercklichen Unterscheid der darinnen geschäffti-
gen Geistigkeit; Aber betrachte die Augen des
Viehes/ wie du wilt/ so wirstu in Gegeneinan-
derhaltung mit denen Augen der Menschen so zu
sagen etwas todtes drinnen antreffen. Was hat
aber nicht die Geistigkeit/ ich will nicht sagen ei-
nes rothen oder trieffenden/ sondern eines sehnen-
den/ brennenden/ verliebten/ zornigen/ weinenden/
schamhafften/ neidischen Auges für mächtige
und zwar unterschiedene Wirckungen/ nach dem
der herrschende Geist des Auges/ den es trifft/ be-
schaffen ist. Was für unterschiedene widerwär-
tige Regungen und Begierden erwecket oder
stärcket nicht der unterschiedene Thon allerhand
Seitenspiele. Was für Unruhe oder Unglück
haben nicht die Minen oder der Gesang eines
Comoedianten oder einer Sängerin/ zornige o-
der liebkosende Worte/ und das schmeichelude

Lob

Das 12. H. Von der Vermiſchung
bey ſcheuen Pferden/ der Geruch der Speiſe o-
der des Luders und der Geſchmack einer einmahl
gekoſteten ſuͤſſen oder ſauren Speiſe bey denen
meiſten Thieren. u. ſ. w.

55. Und wie wir Menſchen ſelbſt denen
Sinnligkeiten leider mehr ergeben ſind als die
Beſtien/ auch die Begierden bey uns ſtaͤrcker
und empfindlicher ſind; Alſo koͤnnen wir auch
bey uns mehr und deutliche Exempel hiervon ge-
ben/ derer etliche bey denen Beſtien faſt gar nicht
anzutreffen. Man findet wohl z. e. in denen Au-
gen eines mutigen oder traͤgen Pferdes einen
mercklichen Unterſcheid der darinnen geſchaͤffti-
gen Geiſtigkeit; Aber betrachte die Augen des
Viehes/ wie du wilt/ ſo wirſtu in Gegeneinan-
derhaltung mit denen Augen der Menſchen ſo zu
ſagen etwas todtes drinnen antreffen. Was hat
aber nicht die Geiſtigkeit/ ich will nicht ſagen ei-
nes rothen oder trieffenden/ ſondern eines ſehnen-
den/ brennenden/ verliebten/ zornigen/ weinenden/
ſchamhafften/ neidiſchen Auges fuͤr maͤchtige
und zwar unterſchiedene Wirckungen/ nach dem
der herrſchende Geiſt des Auges/ den es trifft/ be-
ſchaffen iſt. Was fuͤr unterſchiedene widerwaͤr-
tige Regungen und Begierden erwecket oder
ſtaͤrcket nicht der unterſchiedene Thon allerhand
Seitenſpiele. Was fuͤr Unruhe oder Ungluͤck
haben nicht die Minen oder der Geſang eines
Comœdianten oder einer Saͤngerin/ zornige o-
der liebkoſende Worte/ und das ſchmeichelude

Lob
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0394" n="382"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Das 12. H. Von der Vermi&#x017F;chung</hi></fw><lb/>
bey &#x017F;cheuen Pferden/ der <hi rendition="#fr">Geruch</hi> der Spei&#x017F;e o-<lb/>
der des Luders und der <hi rendition="#fr">Ge&#x017F;chmack</hi> einer einmahl<lb/>
geko&#x017F;teten &#x017F;u&#x0364;&#x017F;&#x017F;en oder &#x017F;auren Spei&#x017F;e bey denen<lb/>
mei&#x017F;ten Thieren. u. &#x017F;. w.</p><lb/>
        <p>55. Und wie <hi rendition="#fr">wir Men&#x017F;chen</hi> &#x017F;elb&#x017F;t denen<lb/><hi rendition="#fr">Sinnligkeiten</hi> leider mehr ergeben &#x017F;ind als die<lb/>
Be&#x017F;tien/ auch die Begierden bey uns &#x017F;ta&#x0364;rcker<lb/>
und empfindlicher &#x017F;ind; Al&#x017F;o ko&#x0364;nnen wir auch<lb/>
bey uns mehr und deutliche Exempel hiervon ge-<lb/>
ben/ derer etliche bey denen Be&#x017F;tien fa&#x017F;t gar nicht<lb/>
anzutreffen. Man findet wohl z. e. in denen Au-<lb/>
gen eines mutigen oder tra&#x0364;gen Pferdes einen<lb/>
mercklichen Unter&#x017F;cheid der darinnen ge&#x017F;cha&#x0364;ffti-<lb/>
gen Gei&#x017F;tigkeit; Aber betrachte die Augen des<lb/>
Viehes/ wie du wilt/ &#x017F;o wir&#x017F;tu in Gegeneinan-<lb/>
derhaltung mit denen Augen der Men&#x017F;chen &#x017F;o zu<lb/>
&#x017F;agen etwas todtes drinnen antreffen. Was hat<lb/>
aber nicht die Gei&#x017F;tigkeit/ ich will nicht &#x017F;agen ei-<lb/>
nes rothen oder trieffenden/ &#x017F;ondern eines &#x017F;ehnen-<lb/>
den/ brennenden/ verliebten/ zornigen/ weinenden/<lb/>
&#x017F;chamhafften/ neidi&#x017F;chen Auges fu&#x0364;r ma&#x0364;chtige<lb/>
und zwar unter&#x017F;chiedene Wirckungen/ nach dem<lb/>
der herr&#x017F;chende Gei&#x017F;t des Auges/ den es trifft/ be-<lb/>
&#x017F;chaffen i&#x017F;t. Was fu&#x0364;r unter&#x017F;chiedene widerwa&#x0364;r-<lb/>
tige Regungen und Begierden erwecket oder<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;rcket nicht der unter&#x017F;chiedene <hi rendition="#fr">Thon</hi> allerhand<lb/>
Seiten&#x017F;piele. Was fu&#x0364;r Unruhe oder Unglu&#x0364;ck<lb/>
haben nicht die <hi rendition="#fr">Minen</hi> oder der <hi rendition="#fr">Ge&#x017F;ang</hi> eines<lb/><hi rendition="#aq">Com&#x0153;dian</hi>ten oder einer Sa&#x0364;ngerin/ zornige o-<lb/>
der liebko&#x017F;ende <hi rendition="#fr">Worte/</hi> und das &#x017F;chmeichelude<lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">Lob</hi></fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[382/0394] Das 12. H. Von der Vermiſchung bey ſcheuen Pferden/ der Geruch der Speiſe o- der des Luders und der Geſchmack einer einmahl gekoſteten ſuͤſſen oder ſauren Speiſe bey denen meiſten Thieren. u. ſ. w. 55. Und wie wir Menſchen ſelbſt denen Sinnligkeiten leider mehr ergeben ſind als die Beſtien/ auch die Begierden bey uns ſtaͤrcker und empfindlicher ſind; Alſo koͤnnen wir auch bey uns mehr und deutliche Exempel hiervon ge- ben/ derer etliche bey denen Beſtien faſt gar nicht anzutreffen. Man findet wohl z. e. in denen Au- gen eines mutigen oder traͤgen Pferdes einen mercklichen Unterſcheid der darinnen geſchaͤffti- gen Geiſtigkeit; Aber betrachte die Augen des Viehes/ wie du wilt/ ſo wirſtu in Gegeneinan- derhaltung mit denen Augen der Menſchen ſo zu ſagen etwas todtes drinnen antreffen. Was hat aber nicht die Geiſtigkeit/ ich will nicht ſagen ei- nes rothen oder trieffenden/ ſondern eines ſehnen- den/ brennenden/ verliebten/ zornigen/ weinenden/ ſchamhafften/ neidiſchen Auges fuͤr maͤchtige und zwar unterſchiedene Wirckungen/ nach dem der herrſchende Geiſt des Auges/ den es trifft/ be- ſchaffen iſt. Was fuͤr unterſchiedene widerwaͤr- tige Regungen und Begierden erwecket oder ſtaͤrcket nicht der unterſchiedene Thon allerhand Seitenſpiele. Was fuͤr Unruhe oder Ungluͤck haben nicht die Minen oder der Geſang eines Comœdianten oder einer Saͤngerin/ zornige o- der liebkoſende Worte/ und das ſchmeichelude Lob

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/394
Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696, S. 382. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/394>, abgerufen am 24.11.2024.