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Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.

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der Menschlichen Gemüths-Neigungen.
len. Es wird dieses in Beurtheilung derer
Dinge die in die euserliche Sinne fallen/ über-
haupt erfordert/ daß wir solche sinnliche Sachen
durch mehr als einen Sinn prüfen sollen; Wie
vielmehr in denen Dingen/ da wir wissen/ daß
mehrentheils man einen falschen Schein pflege
von sich zu geben. Ein Juhiliter hat seine un-
terschiedene Proben
gute Steine von falschen
zu entscheiden/ und wenn ja bey dieser Regel das
Exempel von Edelgesteinen nicht deutlich genung
seyn solte/ so nimm ein deutlichers von der Pro-
be des Silbers und der Müntze/
da man nicht
nur den Klang und den Strich in acht nimmt/
sondern es auch auff die Capelle führet.

8. Endlich so gieb in dieser Betrachtung
wohl acht auf dasjenige/ was ein Mensch nicht
zu verbergen suchet/ oder nicht verbergen
kan/
und daraus nim die vornehmsten Gründe
deiner Erkäntniß. Wenn ein falscher Edelge-
stein alle Qvalitäten eines guten hätte/ wäre er
nicht falich. Und also hat er allezeit etwas das
ihn verräth. Ein Mensch berge seine Begierden
noch so sehr als er will/ es wird ohnmöglich seyn/
daß er allemahl so auff seiner Hut seyn könne/
nicht ein unversehenes Wort/ oder einen Blick
oder eine andere Mine fahren zulassen/ welches
in seiner Erkäntniß uns mehr Nachricht giebt
von seinen Begierden/ als alle die Gauckeley/ die
er sich bemühet uns für zu machen. Ja weil ein
jeder Mensch seine
passion für was gutes

hält/

der Menſchlichen Gemuͤths-Neigungen.
len. Es wird dieſes in Beurtheilung derer
Dinge die in die euſerliche Sinne fallen/ uͤber-
haupt erfordert/ daß wir ſolche ſinnliche Sachen
durch mehr als einen Sinn pruͤfen ſollen; Wie
vielmehr in denen Dingen/ da wir wiſſen/ daß
mehrentheils man einen falſchen Schein pflege
von ſich zu geben. Ein Juhiliter hat ſeine un-
terſchiedene Proben
gute Steine von falſchen
zu entſcheiden/ und wenn ja bey dieſer Regel das
Exempel von Edelgeſteinen nicht deutlich genung
ſeyn ſolte/ ſo nimm ein deutlichers von der Pro-
be des Silbers und der Muͤntze/
da man nicht
nur den Klang und den Strich in acht nimmt/
ſondern es auch auff die Capelle fuͤhret.

8. Endlich ſo gieb in dieſer Betrachtung
wohl acht auf dasjenige/ was ein Menſch nicht
zu verbergen ſuchet/ oder nicht verbergen
kan/
und daraus nim die vornehmſten Gruͤnde
deiner Erkaͤntniß. Wenn ein falſcher Edelge-
ſtein alle Qvalitaͤten eines guten haͤtte/ waͤre er
nicht falich. Und alſo hat er allezeit etwas das
ihn verraͤth. Ein Menſch berge ſeine Begierden
noch ſo ſehr als er will/ es wird ohnmoͤglich ſeyn/
daß er allemahl ſo auff ſeiner Hut ſeyn koͤnne/
nicht ein unverſehenes Wort/ oder einen Blick
oder eine andere Mine fahren zulaſſen/ welches
in ſeiner Erkaͤntniß uns mehr Nachricht giebt
von ſeinen Begierden/ als alle die Gauckeley/ die
er ſich bemuͤhet uns fuͤr zu machen. Ja weil ein
jeder Menſch ſeine
paſſion fuͤr was gutes

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[399/0411] der Menſchlichen Gemuͤths-Neigungen. len. Es wird dieſes in Beurtheilung derer Dinge die in die euſerliche Sinne fallen/ uͤber- haupt erfordert/ daß wir ſolche ſinnliche Sachen durch mehr als einen Sinn pruͤfen ſollen; Wie vielmehr in denen Dingen/ da wir wiſſen/ daß mehrentheils man einen falſchen Schein pflege von ſich zu geben. Ein Juhiliter hat ſeine un- terſchiedene Proben gute Steine von falſchen zu entſcheiden/ und wenn ja bey dieſer Regel das Exempel von Edelgeſteinen nicht deutlich genung ſeyn ſolte/ ſo nimm ein deutlichers von der Pro- be des Silbers und der Muͤntze/ da man nicht nur den Klang und den Strich in acht nimmt/ ſondern es auch auff die Capelle fuͤhret. 8. Endlich ſo gieb in dieſer Betrachtung wohl acht auf dasjenige/ was ein Menſch nicht zu verbergen ſuchet/ oder nicht verbergen kan/ und daraus nim die vornehmſten Gruͤnde deiner Erkaͤntniß. Wenn ein falſcher Edelge- ſtein alle Qvalitaͤten eines guten haͤtte/ waͤre er nicht falich. Und alſo hat er allezeit etwas das ihn verraͤth. Ein Menſch berge ſeine Begierden noch ſo ſehr als er will/ es wird ohnmoͤglich ſeyn/ daß er allemahl ſo auff ſeiner Hut ſeyn koͤnne/ nicht ein unverſehenes Wort/ oder einen Blick oder eine andere Mine fahren zulaſſen/ welches in ſeiner Erkaͤntniß uns mehr Nachricht giebt von ſeinen Begierden/ als alle die Gauckeley/ die er ſich bemuͤhet uns fuͤr zu machen. Ja weil ein jeder Menſch ſeine paſſion fuͤr was gutes haͤlt/

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696, S. 399. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/411>, abgerufen am 25.11.2024.