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Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696.

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Das 13. H. Von dem Müßiggang.

30. So ausgemacht aber diese Sache
ist/ und so leichte sie von unpartheyischen Gemü-
thern begriffen wird/ so wohl muß man dieselbe
beobachten/ und die gegenseitige Meinung/ als
wenn das otium eruditum was gutes wäre/
nicht für eine nichts zu bedeutende Lehre halten.
Man scheuet sich ja freylich nicht/ mit dem otio
erudito
zu pralen/ und solches jungen Leuten
als was herrliches vorzustellen;
man macht
solche Müßiggänger zu halben Göttern/ und stel-
let sie andern als Muster tugendhaffter/ fried-
fertiger und fast allwissender Leute vor/ denen sie
nachahmen solten. Warum? denn die Heydni-
sche Philosophie, sie heisse nun Aristotelisch oder
Cartesianisch/ oder sonsten/ bildet sich ein/ Gott
sey ein solches müßiges
Wesen/ das mit tau-
send Gedancken spiele/ und sich damit belustige/
und weil die Philosophie den Menschen dahin
bringen solle/ daß er Gott gleich werde/ so könne
es nicht fehlen/ ein solcher Müßiggänger sey ein
halber Gott/ weil er auch sein Vergnügen in
speculiren habe u. s. w. Wie nun dieses eine zwar
auch unter denen Evangelischen leyder allzuge-
meine/ aber dabey auch schädliche und von der
Atheisterey nicht weit entfernete Meinung ist;
Also hat man sich desto mehr dafür zu hüten/ und
gewiß zu versichern/ daß wenn man diesen Jrr-
thumb nicht ernstlich absaget/ man gantz unge-
schickt sey/ sich selbst/ oder andre zu kennen.

31. Las-
Das 13. H. Von dem Muͤßiggang.

30. So ausgemacht aber dieſe Sache
iſt/ und ſo leichte ſie von unpartheyiſchen Gemuͤ-
thern begriffen wird/ ſo wohl muß man dieſelbe
beobachten/ und die gegenſeitige Meinung/ als
wenn das otium eruditum was gutes waͤre/
nicht fuͤr eine nichts zu bedeutende Lehre halten.
Man ſcheuet ſich ja freylich nicht/ mit dem otio
erudito
zu pralen/ und ſolches jungen Leuten
als was herrliches vorzuſtellen;
man macht
ſolche Muͤßiggaͤnger zu halben Goͤttern/ und ſtel-
let ſie andern als Muſter tugendhaffter/ fried-
fertiger und faſt allwiſſender Leute vor/ denen ſie
nachahmen ſolten. Warum? denn die Heydni-
ſche Philoſophie, ſie heiſſe nun Ariſtoteliſch oder
Carteſianiſch/ oder ſonſten/ bildet ſich ein/ Gott
ſey ein ſolches muͤßiges
Weſen/ das mit tau-
ſend Gedancken ſpiele/ und ſich damit beluſtige/
und weil die Philoſophie den Menſchen dahin
bringen ſolle/ daß er Gott gleich werde/ ſo koͤnne
es nicht fehlen/ ein ſolcher Muͤßiggaͤnger ſey ein
halber Gott/ weil er auch ſein Vergnuͤgen in
ſpeculiren habe u. ſ. w. Wie nun dieſes eine zwar
auch unter denen Evangeliſchen leyder allzuge-
meine/ aber dabey auch ſchaͤdliche und von der
Atheiſterey nicht weit entfernete Meinung iſt;
Alſo hat man ſich deſto mehr dafuͤr zu huͤten/ und
gewiß zu verſichern/ daß wenn man dieſen Jrr-
thumb nicht ernſtlich abſaget/ man gantz unge-
ſchickt ſey/ ſich ſelbſt/ oder andre zu kennen.

31. Laſ-
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[420/0432] Das 13. H. Von dem Muͤßiggang. 30. So ausgemacht aber dieſe Sache iſt/ und ſo leichte ſie von unpartheyiſchen Gemuͤ- thern begriffen wird/ ſo wohl muß man dieſelbe beobachten/ und die gegenſeitige Meinung/ als wenn das otium eruditum was gutes waͤre/ nicht fuͤr eine nichts zu bedeutende Lehre halten. Man ſcheuet ſich ja freylich nicht/ mit dem otio erudito zu pralen/ und ſolches jungen Leuten als was herrliches vorzuſtellen; man macht ſolche Muͤßiggaͤnger zu halben Goͤttern/ und ſtel- let ſie andern als Muſter tugendhaffter/ fried- fertiger und faſt allwiſſender Leute vor/ denen ſie nachahmen ſolten. Warum? denn die Heydni- ſche Philoſophie, ſie heiſſe nun Ariſtoteliſch oder Carteſianiſch/ oder ſonſten/ bildet ſich ein/ Gott ſey ein ſolches muͤßiges Weſen/ das mit tau- ſend Gedancken ſpiele/ und ſich damit beluſtige/ und weil die Philoſophie den Menſchen dahin bringen ſolle/ daß er Gott gleich werde/ ſo koͤnne es nicht fehlen/ ein ſolcher Muͤßiggaͤnger ſey ein halber Gott/ weil er auch ſein Vergnuͤgen in ſpeculiren habe u. ſ. w. Wie nun dieſes eine zwar auch unter denen Evangeliſchen leyder allzuge- meine/ aber dabey auch ſchaͤdliche und von der Atheiſterey nicht weit entfernete Meinung iſt; Alſo hat man ſich deſto mehr dafuͤr zu huͤten/ und gewiß zu verſichern/ daß wenn man dieſen Jrr- thumb nicht ernſtlich abſaget/ man gantz unge- ſchickt ſey/ ſich ſelbſt/ oder andre zu kennen. 31. Laſ-

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ausübung Der SittenLehre. Halle (Saale), 1696, S. 420. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ausuebungsittenlehre_1696/432>, abgerufen am 27.11.2024.